Euro verliert massiv Warum die Schweiz dem Euro nicht traut

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Schweiz sucht den Befreiungsschlag

Wie die SNB zur Begründung mitteilte, haben sich „die Unterschiede in der geldpolitischen Ausrichtung der bedeutenden Währungsräume in der letzten Zeit markant verstärkt und dürften sich noch weiter akzentuieren”. Der Euro habe vor diesem Hintergrund deutlich gegenüber dem Dollar abgewertet, wodurch sich auch der Franken zum Dollar abgeschwächt habe. „Vor diesem Hintergrund ist die Nationalbank zum Schluss gekommen, dass die Durchsetzung und die Aufrechterhaltung des Euro-Franken-Mindestkurses nicht mehr gerechtfertigt ist”, so die Schweizer Notenbank. SNB-Chef Thomas Jordan rechtfertigte die überraschende Aufgabe des Franken-Mindestkurses. Ein Festhalten an dem Kursziel hätte auf lange Sicht keinen Sinn ergeben. „Der Ausstieg musste überraschend erfolgen“, erklärte er.

Lutz Karpowitz, Devisenexperte der Commerzbank, sieht die Aufhebung der Wechselkursobergrenze jedoch eher im Zusammenhang zu der gestrigen Vorabentscheidung des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs. Aus dieser war hervorgegangen, dass die Europäische Zentralbank zur Not auch unbegrenzt Staatsanleihen ankaufen darf. „Damit ist endgültig klar, dass die EZB machen kann, was sie will. Die Schweiz versucht sich so aus dem generellen Dilemma zu befreien, an die Geldpolitik der EZB gebunden zu sein“, sagte Karpowitz.

Ökonomen zu den Staatsanleihenkäufen der EZB

In den vergangenen Wochen und Monaten hatte die eidgenössische Zentralbank immer wieder mit dem Euro zusammen abwerten müssen, um die ausgerufene Wechselkursobergrenze von 1,20 Franken einzuhalten. Immer neue Franken wurden auf den Markt geworfen, um dieses Ziel einzuhalten. Die Schweiz war der Geldpolitik der EZB vollkommen ausgeliefert.

Glaubwürdigkeit der SNB ist perdu

Mit der Aufhebung des Mindestkurses drosselt sie nun die Geldflut und sorgt damit für Irritationen. „Die Glaubwürdigkeit der SNB ist endgültig dahin“, sagt Karpowitz. „Gestern behauptete sie noch, die Franken-Euro-Kopplung sei das wichtigste geldpolitische Mittel. Heute soll das auf einmal alles nicht mehr gelten. Da fragt man sich doch, was man dann noch glauben soll.“

Wie sich EZB und Euro-Länder vor neuen Turbulenzen schützen

Auch Helaba-Analyst Ulrich Wortberg sieht die Glaubwürdigkeit der SNB beschädigt, nachdem sie in den vergangenen Monaten stets die Wechselkurs-Untergrenze vehement verteidigt hatte. „Einen neuen Mindestkurs dürfte es wohl nicht mehr geben, da die Marktteilnehmer kein Vertrauen mehr haben, dass dieser langfristig gehalten wird. Der Euro-Franken wird nun den Marktkräften überlassen und es dürften sich Kurse im Bereich der Parität einstellen.

Ein weiterer Grund für den drastischen Schritt der Schweizer Notenbanker könnte auch die Debatte über eine sogenannte Goldinitiative sein. Den Schweizern wurde ein Volksentscheid vorgelegt, in dem sie darüber abstimmen sollten, ob die Zentralbank mindestens 20 Prozent aller Franken mit Gold decken muss. Obwohl der Volksentscheid scheiterte, zeigt es doch, wie sehr sich viele Schweizer um die Stabilität des Geldes sorgt - zumal absehbar ist, dass der Euro weiter unter Druck bleibt.

Chris Beauchamp, Marktanalyst bei IG Markets, glaubt, dass weitere Überraschungen folgen könnten. "Meine erste Reaktion war, dass das ein Signal für eine bevorstehende Aktion der EZB ist. Allerdings war die Reaktion an den Aktienmärkten dafür zu negativ. Aber es passiert ja nicht jeden Tag, dass eine Notenbank einfach einer Währung den Boden unter den Füßen wegzieht“, sagt er. Die Leute hätten eindeutig Angst, dass etwas Größeres bevorsteht.

Für den Schweizer Markt und die Wirtschaft seien der rasant steigende Franken und ein abstürzender Euro sehr schlecht. „Die Stimmung ist seit Jahresbeginn ziemlich unruhig, und so eine Nachricht sorgt für Volatilität."

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