Drei Jahre lang verhinderte die Schweizer Nationalbank durch umfangreiche Devisenkäufe, dass der Schweizer Franken immer teurer wird. Franken sind seit Ausbruch der Euro-Schuldenkrise eine gefragte Fluchtwährung. Die hohe Nachfrage aus dem Ausland trieb den Wert des Franken in die Höhe und belastete den Exportsektor der Alpenrepublik, deren Produkte im Ausland immer teurer wurden.
Die Schweizer Nationalbank (SNB) griff daraufhin mit ungewöhnlicher Konsequenz in den Devisenmarkt ein. Durch den massiven Ankauf von Euros und Euro-Anleihen sollte der Wechselkurs immer bei mindestens 1,20 Franken für den Euro liegen, eine weitere Überbewertung des Franken so verhindert werden. Die Bilanz der SNB verlängerte sich in diesen Jahren von 200 auf mehr als 500 Milliarden Franken.
SNB schickt Euro, Dollar und Dax auf Talfahrt
Jetzt gibt die SNB auf und den Franken-Kurs frei – an der Börse sorgte das für ein Erdbeben. Der Rückzug aus der aktiven Wechselkurspolitik hat die Märkte völlig kalt erwischt, der Euro verlor zeitweise mehr als 20 Prozent gegenüber dem Franken, auch der Dollar sackte um 13 Prozent gegenüber der Schweizer Währung. Gegenüber dem Dollar verlor der Euro zunächst ein Prozent, bis zum Abend lag er mit 1,7 Prozent im Minus.
Statements zur Franken-Freigabe der Schweizer Notenbank
"Die Entscheidung der Schweizer Notenbank war längst überfällig. Ihre Wechselkurspolitik hat zwar in den vergangenen Jahren Schweizer Exporteure geschützt und deren Wettbewerbsfähigkeit durch einen schwächeren Franken unterstützt. Diese Politik könnte sich jedoch als enorm teurer Fehler erweisen. Denn der Franken wird langfristig gegenüber dem Euro aufwerten. Die Wertverluste auf die Devisenreserven könnten deshalb enorm groß werden. Der Zeitpunkt der Entscheidung ist sicherlich nicht zufällig. Die Erwartung eines Anleihenkaufprogramms der EZB sollte den Euro mittelfristig weiter schwächen, und damit die sonst notwendigen Ankäufe und diese Verluste für die Schweizer Notenbank erhöhen."
DIW-Präsident Marcel Fratzscher
„Ein Zusammenhang mit den zu erwartenden zusätzlichen geldpolitischen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank liegt auf der Hand. Dies nicht zuletzt auch deshalb, als das von der SNB im Dezember eingeführte Instrument der negativen Zinsen genau am 22. Januar in Kraft tritt, exakt am Tag der EZB Entscheidung“
Joachim Corbach, Währungsexperte der Fondsgesellschaft Swiss & Global Asset Management in Zürich
Mit der Freigabe des Wechselkurses läuft die SNB nun Gefahr, dass der Schweizer Franken
massiv aufwertet. […] Bereits kurz nach der Entscheidung hat
die SNB am Devisenmarkt interveniert, um die Aufwertung zu bremsen. […] Tatsächlich dürften sich die Schweizer Währungshüter von der Geldpolitik der EZB befreien wollen.[…] Damit könnte die SNB wieder eine unabhängige Geldpolitik betreiben. Letztlich wirft der heutige Schritt damit vor allem ein schlechtes Bild auf die Lage in der Eurozone“.
Christoph Weil, Analyst Commerzbank
Mit der unerwarteten Aufhebung des Mindestkurses riskiert die SNB nun ihre Glaubwürdigkeit. Schließlich versicherte sie bis zuletzt, dass der Mindestkurs zum Euro der zentrale geldpolitische Pfeiler sei. […]
Auch wenn es nun keinen expliziten Mindestkurs zum Euro mehr gibt, dürfte die SNB auch in Zukunft den Franken nicht ins Bodenlose fallen lassen. […] Weitere Interventionen am Devisenmarkt hatte die SNB "bei Bedarf" explizit nicht ausgeschlossen.[…] Sollte sich der Kurs im Zuge eines voraussichtlichen Beschlusses der EZB, Staatsanleihen aufzukaufen und einer unübersichtlichen politischen Lage in Griechenland im Zuge der Neuwahlen (25. Januar) wieder merklich unter Parität bewegen, rechnen wir kurzfristig mit weiteren Deviseninterventionen der SNB.
Manuel Andersch, BayernLB
Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass der Schweizer Franken immer eine der Währungen ist, die in Zeiten von Risikovermeidung, als sicherer Hafen dienen […] Die heutige Entscheidung geht auf die Kosten zukünftiger fester Wechselkursversprechen, in denen die SNB weniger glaubwürdig erscheinen wird. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie eine solche Maßnahme in den nächsten Jahren wiederholt. Folglich wird die SNB noch stärker auf den Devisenmärkten intervenieren müssen.“
Karsten Junius, Chef-Ökonom der Bank J. Safra Sarasin
„Das ist ein überraschender Schritt der SNB. [...] Sie hätte aber auch eine sanftere Abkehr wählen können, etwa über eine Bindung an einen Währungskorb. Der völlige und abrupte Rückzug erscheint aktuell kontraproduktiv für die EZB. Es ist auch ein Befreiungsschlag der SNB. Sie kann sich nun wieder auf ihr geldpolitisches Mandat und die Makroökonomie konzentrieren. Die Frage ist nun, was das für die Realwirtschaft bedeutet. Der starke Ölpreisverfall zusammen mit `flash crash`-Aufwertung des Franken birgt eine sehr große Deflationsgefahr. Die Schweizer Unternehmen verlieren stark an Wettbewerbsfähigkeit. Und in der Finanzindustrie könnte es einige Investoren auf dem falschen Fuß erwischt haben. Auf das Vertrauen in Zentralbanken eine Anlagestrategie aufzubauen, ist hoch problematisch. Und natürlich stellt sich nun die Frage: Wie vertrauenswürdig sind Zentralbanken?“
Dirk Aufderheide, Chief Currency Strategist Active der Deutschen Asset & Wealth Management (Deutsche AWM)
"Die SNB beugt sich dem Marktdruck, setzt aber ein Teil ihrer Glaubwürdigkeit aufs Spiel. Die Interventionen der vergangenen Wochen waren wohl für die eidgenössischen Währungshüter zu viel. Bei der Einführung des Mindestwechselkurses war an punktuelle Interventionen gedacht, nicht aber an permanente. Letztlich dürfte aber auch die Gold-Initiative eine gewisse Rolle bei der Entscheidung gespielt haben. Die Bevölkerung zeigt gegenüber dem Aufbau hoher Fremdwährungsbestände in Euro Skepsis. Letztlich hatte die SNB damit auch ein Legitimationsproblem.
Zwar schreibt die SNB, dass die Schweizer Exportwirtschaft sich auf die neue Situation einstellen konnte, doch ob die Unternehmen mit Kursen von 0,92 gegenüber dem Euro klar kommen, bleibt fraglich. Da der Schweizer Franken auf den aktuellen Kursniveaus deutlich gegenüber dem Euro überbewertet ist, sollten sich nach einer Übertreibungsphase wieder höhere Kursniveaus beim Währungspaar Euro/Franken einstellen."
Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank Group (Liechtenstein)
"Die Schweizer haben das Ausmaß der europäischen Probleme und die Trägheit der europäischen Politik unterschätzt. Die Schweizer Nationalbank ist ursprünglich davon aus gegangen, dass Europa seine Hausaufgaben machen und Strukturreformen durchführen würde. Das ist nicht schnell genug passiert. Hierdurch verlor der Euro gegenüber dem US-Dollar bedeutend an Wert. Die Mindestkopplung zwischen Euro und Schweizer Franken zog den Franken mit in die Tiefe.
Würde die Schweizer Nationalbank die Mindestkopplung weiter durchsetzen, müsste sie ihre Bilanz viel weiter aufblähen, als ursprünglich erwartet. Nach eigener Aussage wäre ihr das auf Dauer nicht nachhaltig möglich gewesen. Die Divergenz in der wirtschaftlichen Entwicklung von Europa und den USA hat die Währungspolitik der Schweizer buchstäblich zerrissen."
Marcel van Leeuwen, Geschäftsführer der DWPT Deutsche Wertpapiertreuhand GmbH
"Für uns ist dieser Paukenschlag folgerichtig. Die Schweizer wollen angesichts der aggressiven Geldpolitik der EZB, die erwartungsgemäß diese Woche einen Freibrief vorm Europäischen Gerichtshof für ihre Staatsanleihenkäufe ausgestellt bekam, mit dem Euro keine Schicksalsgemeinschaft bilden. [...] Der Schritt unterstreicht, dass Draghi in diesem Jahr "aus allen Rohren feuern" wird und die Schweizer diesen Schritt nicht mitgehen wollen! Sie wissen um die langfristig verheerenden Folgen dieser Politik. Viele Investoren hatten sich auf den Mindestkurs des Schweizer Franken zum Euro verlassen und dürften jetzt massive Verluste erleiden. Der heutige Schritt zeigt ein weiteres Mal: Wir dürfen den Versprechen der Zentralbanken nicht Glauben schenken!
Ohnehin werden wir nicht müde, ständig den Ausspruch Marc Fabers zu zitieren: "Wer sein Gold verkauft, vertraut den Regierungen". Der heutige Paukenschlag der Schweizer Notenbank ist somit ein Weckruf für die Investoren, Zentralbanken und Regierungen nicht zu vertrauen! Gold und Silber verbriefen kein Schuldversprechen eines Dritten und sind das Investment für diejenigen, die Zentralbanken und Regierungen einen gesunden und völlig berechtigten Argwohn entgegenbringen."
Thorsten Schulte alias "Silberjunge" in einer Sondermitteilung an seine Leser
„Inhaltlich kann man den Schweizern ihre Entscheidung kaum übel nehmen. Die EZB hat den Euro schon vor Monaten zum Abschuss freigegeben und wird in Kürze ein Programm zur quantitativen Lockerung bekannt geben, in dessen Rahmen sie europäische Staatsanleihen aufkaufen wird. Tendenziell wird der Euro dadurch weiter geschwächt. Hätte die SNB ihre Bindung an den Euro aufrecht erhalten, wäre der Franken immer mehr zum rot-weiß lackierten Euro geworden. Natürlich hätte man von vornherein die Untergrenze gar nicht erst einziehen dürfen.“
Daniel Kühn, Chefredateur des Finanzportals Godmode Trader
Sogar die Aktienmärkte reagierten verschnupft. Der Leitindex der Schweizer Börse SMI brach in der Spitze um fast 14 Prozent ein und rutschte zeitweise unter 8000 Punkte. Letzten Endes schloss der Dax am Abend sogar wieder fünfstellig.
Schlechter erging es der Schweizer Börse. Die Aktien von Schweizer Exporteuren wie der Swatch Group oder Cie. Financière Richemont fielen an der Börse Zürich jeweils um mehr als 15 Prozent. Mit Ausnahme des Telekomkonzerns Swisscom rutschten alle SMI-Werte massiv ab. "Der Schritt der SNB heute ist ein Tsunami, für die Exportwirtschaft und für den Tourismus, letztlich für das ganze Land", schrieb Swatch-CEO Nick Hayek in einer E-Mail. "Es fehlen mir die Worte."
Zumindest Euro-Anleger in Schweizer Aktien freuten sich: Nestlé-Papiere gewannen bis zu zehn Prozent. Für Schweizer Anleger dagegen crashten die Titel des Nahrungsmittelkonzerns um bis zu sieben Prozent.
Der Dax verließ vorübergehend seinen Aufwärtstrend und machte aus einem Plus von einem Prozent ein Minus von mehr als einem Prozent. Im Tagesverlauf schwächten sich die Ausschläge jedoch ab, schon am Mittag lag der Dax wieder im Plus. Am Abend lag der Dax mehr als zwei Prozent über dem Vortagesschluss. Auch der europäische Aktienindex Euro-Stoxx sowie der Goldpreis in Dollar stiegen um mehr als zwei Prozent. In Euro schoss der Goldpreis sogar um knapp vier Prozent nach oben.
An Schweizer Bankautomaten waren zeitweise keine Euro mehr zu bekommen, weil die Devisenkurse so stark schwankten. Probleme bekommen durch den Schritt der SNB auch Immobilienbesitzer in Österreich und Polen. Dort ist die Immobilienfinanzierung über einen Fremdwährungskredit in Schweizer Franken wegen der niedrigen Zinsen sehr beliebt. Durch die Aufwertung des Franken werden deren Kredite nun schnell sehr teuer. Laut Schätzungen lauten in Polen 40 Prozent der Immobilienkredite auf Franken, 700.000 Haushalte sollen betroffen sein.
Der Franken ist damit zur Jagd durch ausländische Investoren freigegeben, während der Euro von den Schweizern aufgrund seiner Schwäche fallengelassen wird. Damit der Franken aber auch nicht zu attraktiv wird, hat die SNB auch gleich an der Zinsschraube gedreht. Demnach wird noch härter bestraft, wer Franken hortet.
Den Einlagenzins für Guthaben bei der Zentralbank senkt sie deutlich von -0,25 auf -0,75 Prozent. Dahinter steckt wohl die Hoffnung, dass so weniger Anleger in den Franken flüchten. Prompt stieg auch die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen, die sich plötzlich auf der Verkaufsseite wiederfanden. Mit einer begrenzten Aufwertung könne sie leben, hieß es von Seiten der Notenbank. Laut Mitteilung der SNB trägt sie aber bei der Gestaltung ihrer Geldpolitik auch künftig der Wechselkurssituation Rechnung. Sie bleibt deshalb bei Bedarf am Devisenmarkt aktiv, um die monetären Rahmenbedingungen zu beeinflussen.
Doch woher kommt der überraschende Schritt, der den Euro zwischenzeitlich auf 0,80 Franken abstürzen ließ?
Schweiz sucht den Befreiungsschlag
Wie die SNB zur Begründung mitteilte, haben sich „die Unterschiede in der geldpolitischen Ausrichtung der bedeutenden Währungsräume in der letzten Zeit markant verstärkt und dürften sich noch weiter akzentuieren”. Der Euro habe vor diesem Hintergrund deutlich gegenüber dem Dollar abgewertet, wodurch sich auch der Franken zum Dollar abgeschwächt habe. „Vor diesem Hintergrund ist die Nationalbank zum Schluss gekommen, dass die Durchsetzung und die Aufrechterhaltung des Euro-Franken-Mindestkurses nicht mehr gerechtfertigt ist”, so die Schweizer Notenbank. SNB-Chef Thomas Jordan rechtfertigte die überraschende Aufgabe des Franken-Mindestkurses. Ein Festhalten an dem Kursziel hätte auf lange Sicht keinen Sinn ergeben. „Der Ausstieg musste überraschend erfolgen“, erklärte er.
Lutz Karpowitz, Devisenexperte der Commerzbank, sieht die Aufhebung der Wechselkursobergrenze jedoch eher im Zusammenhang zu der gestrigen Vorabentscheidung des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs. Aus dieser war hervorgegangen, dass die Europäische Zentralbank zur Not auch unbegrenzt Staatsanleihen ankaufen darf. „Damit ist endgültig klar, dass die EZB machen kann, was sie will. Die Schweiz versucht sich so aus dem generellen Dilemma zu befreien, an die Geldpolitik der EZB gebunden zu sein“, sagte Karpowitz.
Ökonomen zu den Staatsanleihenkäufen der EZB
"Die EZB sollte keine Staatspapiere kaufen, denn dann würde sie die Zinsen der Wackelstaaten weiter drücken und sie anregen, sich noch mehr zu verschulden. Der Kauf wird von Artikel 123 des EU-Vertrages zu Recht verboten, weil er einer verbotenen Monetisierung der Staatsschulden gleichkommt. Man sollte auch bedenken, dass selbst die US-Notenbank Fed keine Staatspapiere von Gliedstaaten kauft. Kalifornien, Illinois oder Minnesota stehen am Rande der Pleite, und doch hilft die Fed ihnen nicht mit Krediten. Es ist schlichtweg unakzeptabel, dass die EZB meilenweit über die Fed hinausgeht, obwohl Europa den gemeinsamen Bundesstaat noch gar nicht gegründet hat. Die EZB-Politik treibt die Staaten Europas in Gläubiger-Schuldner-Verhältnisse und wird längerfristig nichts als Streit und Spannungen erzeugen."
"Die EZB verfehlt ihr Mandat der Preisstabilität und ist dabei, ihr wichtigstes Gut zu verlieren: ihre Glaubwürdigkeit. In letzter Instanz ist der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB ein notwendiges Übel, um ihrem Mandat gerecht zu werden. Je zögerlicher die EZB handelt, desto weniger effektiv ihre Geldpolitik und desto höher die Risiken."
"Ich sehe derzeit keine Deflationsgefahren, die Staatsanleihekäufe rechtfertigen könnten. Ohne die notwendigen Anpassungsprozesse in den Peripherieländern und dem ökonomisch vorteilhaften Ölpreisrückgang läge die aktuelle Inflationsrate in etwa um einen Prozentpunkt höher, als es derzeit der Fall ist. Die Jagd nach Rendite und die Risikobereitschaft an den Finanzmärkten würden weiter erhöht, der Anreiz, fürs Alter langfristig zu sparen, würde weiter vermindert."
"Seit Anfang 2009 ist der Zuwachs der Geldmenge M3 mit durchschnittlich 1,7 Prozent weit hinter dem Referenzwert von 4,5 Prozent zurückgeblieben, den einst EZB und Bundesbank für sinnvoll hielten. Entsprechend schwächelt die Konjunktur, während der Preisauftrieb auch ohne Öl gefährlich nah an die Deflation herankommt. In dieser Lage muss die EZB mit einer Offenmarktpolitik gegenhalten, also mit dem Kauf von Anleihen auf dem offenen Markt, der auch Staatsanleihen umfassen sollte."
"Es ist nicht notwendig, nun auch noch mit breit angelegten Staatsanleihekäufen auf den Ölpreisverfall zu reagieren. Die EZB sollte nicht nur auf Deflationsrisiken schauen, sondern auch berücksichtigen, dass sie als Käufer von Staatsanleihen den Regierungen zusätzlichen Anreiz gäbe, notwendige Strukturreformen aufzuschieben."
In den vergangenen Wochen und Monaten hatte die eidgenössische Zentralbank immer wieder mit dem Euro zusammen abwerten müssen, um die ausgerufene Wechselkursobergrenze von 1,20 Franken einzuhalten. Immer neue Franken wurden auf den Markt geworfen, um dieses Ziel einzuhalten. Die Schweiz war der Geldpolitik der EZB vollkommen ausgeliefert.
Glaubwürdigkeit der SNB ist perdu
Mit der Aufhebung des Mindestkurses drosselt sie nun die Geldflut und sorgt damit für Irritationen. „Die Glaubwürdigkeit der SNB ist endgültig dahin“, sagt Karpowitz. „Gestern behauptete sie noch, die Franken-Euro-Kopplung sei das wichtigste geldpolitische Mittel. Heute soll das auf einmal alles nicht mehr gelten. Da fragt man sich doch, was man dann noch glauben soll.“
Wie sich EZB und Euro-Länder vor neuen Turbulenzen schützen
Um private Banken in Euro-Ländern vor vorübergehenden Liquiditätsengpässen zu schützen, hat die Europäische Zentralbank ein spezielles Kreditprogramm (ELA) aufgelegt. Damit können zum Beispiel griechische Banken bei der griechischen Notenbank Wertpapiere gegen Geld eintauschen, die nicht den üblichen Qualitätskriterien der EZB gerecht werden.
In Luxemburg hat im Herbst 2012 der Europäische Stabilitätsmechanismus, kurz ESM, seine Arbeit aufgenommen. Geschäftsführer ist Klaus Regling, ein früherer Generaldirektor in der EU-Kommission. Der Fonds kann bis zu 500 Milliarden Euro mobilisieren, um Euro-Länder bei Zahlungsschwierigkeiten mit Krediten und Bürgschaften zu unterstützen. Die Hilfen sind an ein wirtschaftspolitisches Reformprogramm geknüpft, das die Ursachen der Probleme bekämpfen soll.
Als Lehre aus der Krise soll Brüssel die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten stärker überwachen. „Two-Pack“ und „Six-Pack“ heißen die neuen Mechanismen, die Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem die Kontrolle erleichtern sollen. Leider nehmen die Länder die Empfehlungen nicht wirklich ernst.
Mit wenigen Worten hat EZB-Chef Mario Draghi die Märkte im Juli 2012 beruhigt. „Was immer nötig sei“, werde die EZB zur Rettung des Euro tun – ein Vollkaskoschutz für Investitionen in Euro-Staatsanleihen. Das entsprechende Programm (OMT) kam im September hinzu.
Nach einem Stresstest hat die Europäische Zentralbank im November 2014 die Aufsicht über rund 120 europäische Großbanken übernommen. Bei künftigen Bankpleiten sollen Steuerzahler nicht mehr in die Pflicht genommen wer- werden. Ob’s klappt?
Auch Helaba-Analyst Ulrich Wortberg sieht die Glaubwürdigkeit der SNB beschädigt, nachdem sie in den vergangenen Monaten stets die Wechselkurs-Untergrenze vehement verteidigt hatte. „Einen neuen Mindestkurs dürfte es wohl nicht mehr geben, da die Marktteilnehmer kein Vertrauen mehr haben, dass dieser langfristig gehalten wird. Der Euro-Franken wird nun den Marktkräften überlassen und es dürften sich Kurse im Bereich der Parität einstellen.
Ein weiterer Grund für den drastischen Schritt der Schweizer Notenbanker könnte auch die Debatte über eine sogenannte Goldinitiative sein. Den Schweizern wurde ein Volksentscheid vorgelegt, in dem sie darüber abstimmen sollten, ob die Zentralbank mindestens 20 Prozent aller Franken mit Gold decken muss. Obwohl der Volksentscheid scheiterte, zeigt es doch, wie sehr sich viele Schweizer um die Stabilität des Geldes sorgt - zumal absehbar ist, dass der Euro weiter unter Druck bleibt.
Chris Beauchamp, Marktanalyst bei IG Markets, glaubt, dass weitere Überraschungen folgen könnten. "Meine erste Reaktion war, dass das ein Signal für eine bevorstehende Aktion der EZB ist. Allerdings war die Reaktion an den Aktienmärkten dafür zu negativ. Aber es passiert ja nicht jeden Tag, dass eine Notenbank einfach einer Währung den Boden unter den Füßen wegzieht“, sagt er. Die Leute hätten eindeutig Angst, dass etwas Größeres bevorsteht.
Für den Schweizer Markt und die Wirtschaft seien der rasant steigende Franken und ein abstürzender Euro sehr schlecht. „Die Stimmung ist seit Jahresbeginn ziemlich unruhig, und so eine Nachricht sorgt für Volatilität."