Ex-Nachhaltigkeitschefin der Fondsgesellschaft DWS „Das ist schockierend“ – Geschasste DWS-Nachhaltigkeitschefin verliert vor Gericht

Die Fondsgesellschaft DWS, die mehrheitlich der Deutschen Bank gehört, hat einer Mitarbeiterin gekündigt, die dem Haus vorgeworfen hatte, Fonds nachhaltiger aussehen zu lassen, als sie in Wirklichkeit sind. Nun wurde die Kündigung vor dem Arbeitsgericht verhandelt. Quelle: REUTERS

Desiree Fixler hat die Deutsche-Bank-Tochter DWS in eine Krise gestürzt. Ihr Vorwurf: Die Fondsgesellschaft investiere nicht so nachhaltig, wie sie vorgebe. Nun hat Fixler den Prozess gegen ihren Rauswurf verloren. Wie es zum Urteil kam.

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Sie ist selbst gekommen. Die Frau, die den größten Vermögensverwalter, die größte Bank der Republik in Misskredit gebracht hat, ist aus New York angereist: Desiree Fixler, fast ganz in schwarz gehüllt, steht im Schummerlicht vor Raum C 1.06 – und wartet darauf, dass das Arbeitsgericht Frankfurt am Main ihr Schicksal verhandelt. Fixler war bis vor einem knappen Jahr Nachhaltigkeitschefin der Deutsche-Bank-Tochter DWS, ehe der Vermögensverwalter sie rauswarf. Jetzt klagt sie dagegen. Was sie von dem Verfahren erwartet? „Gerechtigkeit“, platzt es aus Fixler heraus. 

Fixler meint, dass sie im vergangenen Jahr einen großen Skandal aufgedeckt hat: Die Managerin warf der DWS nach ihrem Rauswurf vor, nicht so nachhaltig zu investieren, wie es die Fondsgesellschaft gegenüber ihren Anlegern vorgab. Es geht bei dem Arbeitsrechtsverfahren deshalb nicht nur um die Frage, ob die DWS ihre Ex-Managerin Fixler zu Recht rausgeworfen hat.

Es geht auch darum, ob sich das Geldhaus – mal wieder – einer groben Verfehlung schuldig gemacht. Ist Fixler geflogen, weil sie zu kritisch war? 

Damit stellen sich Grundsatzfragen: Lässt sich mit den Mitteln des Arbeitsrechts ein vermeintlicher oder tatsächlicher Skandal aufklären? Können Angestellte zu Recht ihren Job verlieren, obwohl sie nachvollziehbare Kritik äußern? Müssen Arbeitgeber den Tadel ihrer Mitarbeiter akzeptieren?

Fixler hat mit ihrer Anwältin auf der rechten Seite des Saales Platz genommen, ihr gegenüber sitzt der DWS-Anwalt. In der Mitte des Raumes thront Richterin Ilka Heinemeyer im schwarzen Ornat der Juristen, ihr Blick ist streng. Dazu passt der kalte Windhauch, der die hölzernen Tresen umweht: Die Fenster und Türen stehen wegen der Coronapandemie sperrangelweit auf.  

100.000-Euro-Abfindung reichten Fixler nicht

Richterin Heinemeyer erklärt, worum sich das Verfahren dreht, jedenfalls aus ihrer Sicht: Ob es in Ordnung war, dass die DWS Fixler in der Probezeit gekündigt hat. Heinemeyer äußert eine Tendenz: „Man kann in der Probezeit darüber sprechen, ob man zueinander passt.“ Sie stellt die Frage, die Arbeitsrichter beinahe obligatorisch stellen müssen: Ob sich die beiden Parteien doch noch miteinander vergleichen wollen. Die Frage Heinemeyers ist der Auftakt für ein juristisches Ping-Pong-Spiel, das nicht einmal eine halbe Stunde dauern wird. 

Georg Annuß trägt nicht nur einen Doktor-, sondern gleich auch noch einen Professorentitel: Der Partner einer nach ihm mitbenannten Münchner Kanzlei trägt kantige Brille zum kantigen Gesicht und vertritt die DWS. Annuß legt los: Das Fondshaus habe Fixler 100.000 Euro Abfindung geboten, diese habe die Ex-Mitarbeiterin abgelehnt – und stattdessen eine Summe gefordert, die über ihrem Jahresgehalt von 640.000 Euro liegen sollte. Das habe die DWS abgelehnt.

Nun, sagt Annuß, sei ein Vergleich nicht mehr möglich – weil der Fall internationale Aufmerksamkeit erregt habe. Tatsächlich ermittelt mittlerweile nicht nur die hiesige Finanzaufsicht BaFin, ob sich die DWS korrekt verhalten hat, auch US-amerikanische Behörden wie die Finanzaufsicht SEC haben sich eingeschaltet. 

War die DWS mit Fixler zufrieden?

Das liegt an der Brisanz von Fixlers Vorwürfen: Die DWS, sagt sie, habe öffentlich erklärt, einen Großteil der Gelder ihrer Kunden nach Kriterien guter Unternehmensführung und zugleich sozial- und umweltverträglich anzulegen. Intern sei aber klar gewesen, dass dies nicht stimme und nur auf einen Bruchteil zutreffe. Fixler habe vor ihrem Rauswurf auch innerhalb der DWS darauf hingewiesen, dass Anspruch und Wirklichkeit nicht zueinander passen würden – und meint, dass das Fondshaus sie deshalb rausgeworfen habe. 

Die DWS hat Fixlers Vorwürfe zwar zurückgewiesen. Sie haben die Deutsche-Bank-Tochter gleichwohl zur Unzeit getroffen: Wegen des Klimawandels geben sich immer mehr Fondshäuser nachhaltig, auch weil Großinvestoren wie Versicherer und Pensionskassen das zunehmend verlangen. Ein angekratztes Image in Sachen Nachhaltigkeit ist da geschäftsschädigend. 

Nun legt Fixlers Anwältin Claudia von Gersdorff los. Das erste Argument: Fixlers Probezeit sei schon vorbei gewesen, als die DWS sie im März 2021 rauswarf. Selbst im Geschäftsbericht des Fondshauses stehe, ihre Mandantin habe im August mit ihrer Arbeit für das Unternehmen begonnen. Zudem habe sie da schon etliche Mails von DWS-Mitarbeitern erhalten oder an diese geschrieben. Sogar bei einem Führungskräfte-Treffen habe sie damals schon teilnehmen dürfen. Allein: Im Prozess kommt heraus, dass die DWS und Fixler schriftlich Mitte September als Arbeitsbeginn festgehalten hatten, der Rauswurf gemessen daran also innerhalb der sechs Monate Probezeit erfolgt wäre. 

Von Gersdorff führt ihr zweites Argument ins Felde: Auch die Behauptung der DWS sei „falsch“, das Fondshaus sei unzufrieden mit Fixlers Arbeit gewesen. Im Gegenteil: Etliche Mails von DWS-Managern belegten, dass Fixler gute Arbeit geleistet habe. Ja, ihre Mandantin sei kritisch gewesen, aber Fixlers Werk hätten Kollegen als „wegweisend“ bezeichnet, dieses in einem internen Bewertungstool als hervorragend eingestuft. Das Vorgehen der DWS „wundert uns“, sagt Juristin von Gersdorff.

DWS-Anwalt Annuß hat dem Vortrag von Fixlers Vertreterin regelrecht regungslos zugehört, nun ist er wieder an der Reihe – und läutet den nächsten Teil des Schlagabtauschs ein. Fixler habe doch in Mails an einen DWS-Manager erklärt, zusätzlich zum Arbeitsvertrag eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben zu haben. Das belege, dass Fixler ihr Arbeitsverhältnis nicht vor Mitte September angetreten habe, sonst hätte sie die Verschwiegenheitserklärung gar nicht unterschreiben müssen. Schließlich regele ein Arbeitsvertrag ansonsten doch, dass Angestellte wie Fixler keine Geheimnisse ausplaudern dürfen. Und die Vorwürfe der Anwältin, dass Fixler in Wahrheit doch gute Arbeit gemacht habe?

Richterin weist Klage von Fixler ab

Es ist der Moment, in dem Annuß kaum mehr juristisch argumentiert – sondern Fixlers Anwältin angeht. Die Aussagen in deren Vortrag seien nicht wahr – und deshalb „trage ich dazu auch nicht weiter vor“, sagt Annuß. 

Das will Fixlers Anwältin nicht auf sich sitzen lassen: „Ich an ihrer Stelle würde auch nicht weiter vortragen.“ Selbstverständlich habe ihre Mandantin Mängel aufgedeckt. Sie habe angemahnt, die DWS müsse sich gut überlegen, was sie in puncto Nachhaltigkeit nach außen kommuniziere. „Es ist die ureigene Aufgabe meiner Klägerin gewesen, mitzuteilen, was die DWS besser machen kann“, sagt die Anwältin und fügt hinzu: „Will die DWS nur Mitläufer?“

Richterin Heinemeyer geht auf die Frage nicht ein, sie hat nun genug gehört – und beendet die Verhandlung. Anderthalb Stunden später verkündet sie das Urteil: Fixlers Klage werde abgewiesen. Die Begründung nennt die Richterin nicht, weil weder Fixlers Anwältin noch der DWS-Jurist zur Verkündung ins Gericht zurückgekehrt sind. Selbst Fixler ist nicht da – anders als ein Sprecher der DWS. Sein Haus, erklärt er, begrüße das Urteil, wolle sich aber nicht weiter äußern.

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Desiree Fixler steht unten, einige Meter entfernt vom Haupteingang des Gerichts, und telefoniert aufgeregt, während sie der eiskalte Frankfurter Januarwind umtost. Sie ist wütend: Sie habe nicht gewusst, dass das Gericht sein Urteil heute verkünde, sonst wäre sie da gewesen. „Ich bin wirklich schockiert, dass die Verhandlung nicht einmal 30 Minuten gedauert hat“, sagt sie. Es seien nicht einmal Zeugen einbestellt worden, sie selbst sei ja auch nicht von der Richterin befragt worden. Die habe ihre Vorwürfe gar nicht diskutiert, obwohl diese weltweit ein Thema seien. „Die Richterin wollte das nicht hören“, glaubt sie. 

Ob sie in Berufung gehe? Das wisse sie noch nicht. „Ich frage mich: Bekomme ich ein faires Verfahren?", sagt Fixler. 

Mehr zum Thema: Deutschlands Fondsriese DWS legt gute Zahlen für das vierte Quartal vor. Intern sorgen aktuell Drohbriefe für Unruhe, auch der Konflikt um Greenwashing-Vorwürfe ist noch nicht ausgestanden.

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