EZB-Direktorin und Notenbankchefs Auf diese Wertpapiere setzen Europas Top-Notenbanker

Europas Top-Notenbanker legen ihre Geldanlage offen. In welche Aktien, Fonds und ETFs Christine Lagarde, Isabel Schnabel & Co investiert haben. Quelle: imago images

Jährlich müssen die sechs Direktoren der Europäischen Zentralbank und die 19 nationalen Notenbankchefs der Eurozone Angaben zu ihrer privaten Geldanlage machen. Die gutverdienenden Experten haben teilweise erstaunlich wenig am Kapitalmarkt angelegt – mit Ausnahmen. Besonders interessant ist das Depot der deutschen Direktorin Isabel Schnabel.

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Wie EZB-Chefin Chefin Christine Lagarde und die Top-Männer und -Frauen der EZB ihr Geld anlegen, können Anleger jetzt jährlich verfolgen. Denn sie muss, ebenso wie die anderen Mitglieder des EZB-Rats (sechs EZB-Direktoren und 19 Vertreter der nationalen Notenbanken) zumindest die grobe Struktur ihrer Geldanlage aufdecken. So schreibt es Artikel 10 im Verhaltenskodex für hochrangige Funktionsträger der Europäischen Zentralbank vor. Allzu streng und transparent ist der nicht: Die genauen Beträge werden Interessierten vorenthalten. Trotzdem lässt sich einiges herauslesen. Etwa, ob jemand ein vorsichtiger Sparer, mutiger Aktionär oder für alles gerüsteter Anleger ist. Auch sieht man, welche Anlageformen und Produktanbieter denn so beliebt sind bei den EZB-Experten.

Seit November 2019 ist Lagarde Präsidentin der Europäischen Zentralbank. In dieser Rolle verdient sie im Jahr mehr als ihr Vorgänger Mario Draghi und kommt inklusive pauschaler Aufwandsentschädigung auf etwa eine halbe Million Euro im Jahr, also rund 42.000 Euro im Monat. Der normale Bundesbürger würde bei einer solchen üppigen Entlohnung einen guten Teil dessen zurücklegen für schlechtere Zeiten oder für die Zeit, wenn statt des Monatslohns nur noch eine Rente fließt. Ruhestand, Konsum und der Wunsch, sich mal Wohneigentum zu leisten, zählen in allen Umfragen immer wieder zu den bevorzugten Sparmotiven der Bundesbürger.

EZB-Chefin mit wenigen, bequemen Geldanlagen

Bei Christine Lagarde sind die Angaben, die sie am 17. März 2020 unterschrieben hat, überschaubar. Sie hat viele Ämter, aber ihr Geld offenbar nur auf wenige Kapitalanlagen verteilt. Lagarde lässt laut den Unterlagen auch keine Gelder von einem Vermögensverwalter lenken. Ein Kreuz hat sie aber bei der Frage gemacht, ob sie Konten hat, auf denen mehr als 100.000 Euro liegen, bei einer der 120 Banken, die unter der Aufsicht des europäischen „Single Supervisory Mechanism“ (SSM) stehen. Das sind bedeutende Großbanken, wie in Frankreich etwa die Societe Generale oder BNP Paribas.

Eigentlich hätte man bei Lagarde mehr erwartet. Sie hatte auch schon von 2011 bis 2019 als geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds ein ähnlich hohes Gehalt wie bei der EZB. Davor war sie für eine renommierte Anwaltskanzlei in einer Chef-Position tätig, die gewöhnlich auch gut bezahlt wird. Mit ihren 64 Jahren ist Lagarde zudem in einem Alter, in dem man den Vermögensaufbau schon einige Jahre betreibt und inzwischen auch ein größeres Vermögen angehäuft haben sollte.

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Unter ihren börsennotierten Investments steht nur ein Fonds. Der Name ist als BNP Paribas Europe Dividende Milipep 2 mit der ISIN FR0010077362 angegeben. Unter der ISIN gibt es einen in Frankreich zugelassenen Fonds, der allerdings in Datenbanken als BNP Paribas Europe Dividende Responsable Classic geführt wird. Lagarde listet zudem noch Anteile an einer nicht börsengehandelten Immobiliengesellschaft auf – häufig werden die in Frankreich gegründet, um Familienimmobilien zu verwalten.

Wie vermögend Lagarde genau ist, ist nicht zu erkennen. Sie kann Millionen auf Konten bei den Banken haben, sie kann auch viel Geld in den Fonds gesteckt haben oder auch noch viele weitere Immobilien halten. Die Kapitalanlage wirkt so, als möchte die Inhaberin am liebsten möglichst wenig mit ihrer Geldanlage zu tun haben und möglichst auch keine Interessenkonflikte eingehen. Wenn sie mehr als 100.000 Euro auf einem Bankkonto liegen hat, ist sie sicherlich daran interessiert, dass die Bank nicht untergeht. Denn in dem Fall würde ihr maximal aus der EU-Einlagensicherung ein Betrag von 100.000 Euro zurückgezahlt. Jetzt kann man die hohe Sparanlage als einen Vertrauensbeweis für das Banksystem werten – doch darauf sollten sich normale Sparer besser nicht verlassen. Lagarde hat Ansprüche auf üppige Pensionen und würde auch dann, wenn ihre Geldanlage ein Flop wäre, nicht ins Elend abrutschen. Insgesamt ist das Vermögen von Lagarde also eher langweilig verteilt, aber nervenschonend und zeitsparend.

Arme Südländer

Einige Funktionäre, so die Vertreter von Banco de Portugal und Banco de Espana oder der langjährige Luxemburgische Zentralbanker Yves Mersch haben keine Vermögensverwaltung, keine 100.000 Euro bei Banken, keine Gattin, deren Geldanlagen Interessenkonflikte verursachen könnten – das wirkt schon recht seltsam. Entweder trauen sie sich nicht an Geldanlage, scheuen die Komplikationen bei Interessenkonflikten oder sparen einfach nicht, weil die Pension üppig genug ist?

Eine gewisse Nähe zum Kapitalmarkt sollte man von EZB-Lenkern erwarten können. Etwas mehr verrät der Vertreter der Banque de France im EZB-Rat: François Villeroy de Galhau. Er ist mit Aktien beteiligt am familieneigenen Unternehmen Villeroy & Boch, beschäftigt aber auch einen Vermögensverwalter (dessen Namen er nicht veröffentlichen muss) und hat mehr als 100.000 Euro auf Bankkonten.

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In den Übersichten wird all das aufgeführt, was irgendwie zu Interessenskonflikten zu den EZB-Aufgaben stehen könnte – auch ehrenamtliche Engagements. Direkte Immobilieninvestments in Wohnungen, Häuser oder Ferienhäuser müssen allerdings nicht veröffentlicht werden – vielleicht haben Spanier und Portugiesen hier große Vermögen angehäuft. Da es sich um Pflichtangaben handelt müssen die auch wahrheitsgemäß beantwortet werden, stellt die EZB klar. Dass sich also jemand dort arm darstellt, im Hintergrund aber ein dickes Aktienpaket verwaltet, ist zwar nicht ausgeschlossen, aber doch eher unwahrscheinlich. Die Ratsmitglieder müssen die gemachten Angaben unterschreiben.

Wirklich lohnend ist dafür der Blick ins Depot von Isabel Schnabel. Die Ökonomie-Professorin der Uni Bonn ist seit diesem Jahr EZB-Direktorin. Zuvor war die 48-Jährige fünf Jahre auch Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, kurz die Wirtschaftsweisen genannt. Und Schnabel hat als Professorin offenbar nicht nur die graue Finanztheorie drauf, sondern auch die praktische Seite: Sie hält laut der Auflistung über 30 verschiedene Positionen im Depot, meistens Einzelaktien und eine Handvoll Fonds.

Isabel Schnabel: sachverständige Investorin

Bei den Aktien streut Schnabel das Geld weltweit. Angefangen mit US-Techriesen wie Apple, Amazon und der Google-Mutter Alphabet beweist Schnabel auch Trendgespür mit Aktien wie Facebook, Snap (verantwortlich für Snapchat, den beliebten Zeitvertreib für Jugendliche) sowie dem Musikstreamingdienst Spotify. Mit Teamviewer hat Schnabel offenbar frühzeitig zudem auf ein deutsches Unternehmen gesetzt, das jetzt stark von den Heimbüro-Aktivitäten in Coronazeiten profitiert. Mit Alibaba hat sie den chinesischen Allrounder im Onlinehandel-, banking und Social-Media-Geschäft im Depot. Auch viele Aktien heimischer Dax-Unternehmen wie BASF und Bayer, Fresenius und Daimler hält Schnabel.

Ein Blick in ihr Depot ist momentan nicht unbedingt erfreulich, aber angesichts des brutalen Stopps in der Wirtschaft auch keine Katastrophe. Denn US-Technologieaktien haben sich in dieser Krise erstaunlich gut wieder erholt, der Technologieindex Nasdaq steht schon wieder über dem Jahresstartpunkt. Und mit Aktien wie Nestlé sowie den Pharmariesen Novartis und Sanofi sind auch manche sehr stabile Positionen in Schnabels Depot, die Krisen gut überstehen. Für Toyota, Walt Disney sowie den US-Spielzeugriesen Hasbro gilt das nicht, sie leiden unter den Lockdowns weltweit und den schwachen Konjunkturaussichten und haben zeitweise ein Drittel ihres Wertes eingebüßt.

Tech-Werte, Dividendentitel und günstige ETFs

Schnabel sagt von sich selbst, dass sie schon immer abenteuerlustig war – und so ist auch das Depot zusammengestellt: aus defensiven Standardwerten und manchen kleineren Angreifern. Ein finanzieller Reinfall in der Schulzeit bei dem sie 500 Mark versenkt hat, war ihr offenbar eine Lehre. „Man sollte nichts tun, was man nicht versteht“, sagte sie einst in einem Interview.

Schnabel hat zudem offenbar ein Faible für günstige börsengehandelte Indexfonds, so genannte ETFs. Mit ihren ETF-Investments setzt sie auf gängige Indizes wie den MSCI-Welt-Aktienindex sowie das Pendant für Unternehmen aus Schwellenländern, den MSCI-Emerging-Markets ETF, beide sind von iShares, der ETF-Marke des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock.

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Darüber hinaus hält sie einen Schwellenländer-Aktien-ETF vom US-Anbieter Vanguard und einen Vanguard-ETF, der aus Aktien besteht, deren Kurse weniger stark schwanken sollen, wie die Aktien in herkömmlichen Indizes. Diese Art von ETF wird als Smart-Beta-ETF bezeichnet, der volle Name ist Vanguard Global Minimum Volatility ETF. Im Vergleich zum traditionellen MSCI-Welt-Aktienindex hat er manchen Kursverlust besser überstanden, die aktuelle Coronakrise allerdings nicht. Einem Minus beim Vanguard-ETF von zwölf Prozent steht ein Minus im laufenden Jahr von nur neun Prozent beim MSCI-Welt-Aktienindex gegenüber, der auch in drei Jahren pro Jahr mit 5,1 Prozent Plus pro Jahr den Minimum-Volatility-ETF (2,1 Prozent pro Jahr) deutlich übertrumpft. Allerdings hält der manchem Kurseinbruch seit 2016 etwas besser Stand. Langfristig also könnte sich das Engagement durchaus noch lohnen.

Auch der mit rund 17 Milliarden Euro größte Aktienfonds im Euroland, der DWS Top Dividende steckt in Schnabels Depot. Gelenkt wird das riesige Portfolio bereits seit mehr als einem Jahrzehnt von dem promovierten Atomphysiker Thomas Schüssler. Eine gute Dividendenrendite ist ein Auswahlkriterium bei der Suche nach vielversprechenden Unternehmen, und die Dividende kam den Anlegern dann in Form ordentlicher Ausschüttungen zugute. Der Dividenden-Trend ist beliebt, hat aber jetzt in der Coronakrise gelitten, da viele Unternehmen aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheit Dividenden streichen mussten.

Fazit: Schnabels Depot ist eigentlich gut gemischt. Aktien sind transparente, günstige und langfristig meist lukrative Investments, die Schnabel noch um günstige und breit gemischte ETF ergänzt. Auch bei einem ETF für US-Staatsanleihen, die in ein bis drei Jahren zurückgezahlt werden, setzt Schnabel auf ein iShares ETF. Weniger abenteuerlustige Anleger würden vermutlich mehr Anleihen im Depot bevorzugen. Doch erstens ist auch Schnabels Zukunft mit guten Pensionen als Professorin und EZB-Direktorin finanziell sicher. Zweitens sind Anleiheninvestments für Schnabel ein Problem. Die EZB gehört inzwischen zu den größten Käufern europäischer Anleihen und Schnabel verteidigt das Mandat der EZB. Würde sie in Zinspapiere aus der Eurozone investieren könnte sie an den EZB-Käufen verdienen, weil die Anleihenkurse im Depot steigen. Dass sie beim ETF auf einen Index mit US-Staatsanleihen ausweicht, ist clever.

ETFs von Blackrock sind bei Weidmann & Co. beliebt

Sehr übersichtlich und unauffällig ist das Depot von Bundesbank-Chef Jens Weidmann: Zwei ETF hat er im Depot, einen Dax-ETF mit den 30 Aktien aus dem deutschen Standardwerteindex und einen ETF für weltweite Aktien im MSCI Welt. Beide ETFs stammen aus heimischer Produktion von der DWS-ETF-Marke Xtrackers. Eine gute Wahl. Xtrackers ist die Nummer zwei am europäischen Markt, der aber dominiert wird von Blackrocks iShares, die sich in vielen Depots finden.

Der Bestseller in vielen Depots der EZB-Lenker ist Blackrock. Auch der zypriotische Zentralbankchef Constantios Herodotu hält gleich drei Blackrock-iShares ETF für US-Aktien, Brasilien und britische Aktien, zudem sind in seinem Depot die britischen Fondshäuser Fidelity International, L&G sowie M&G mit Fonds für Asien, Japan, Dividendenaktien und China vertreten. Der bunte Mix ist sehr global verteilt, ans Herz gewachsen scheinen dem Zentralbanker kleine britische Unternehmen, denn dafür gibt es gleich zwei aktiv gemanagte Fonds im Depot. Um deren Zukunft scheint er sich trotz Brexit keine Sorgen zu machen.

Blackrock ist auch an anderer Stelle Thema: Gerade erst hat die EU-Kommission unter Führung von Ursula von der Leyen an den US-Riesen ein prestigeträchtiges Beratermandat vergeben. Ausgerechnet die Amerikaner sollen die EU-Kommission dabei beraten, wie Nachhaltigkeitsaspekte im Bankensektor künftig berücksichtigt werden könnten. Obwohl es neun andere Bewerber gegeben habe, bekam Blackrock den Zuschlag. Umweltorganisationen laufen dagegen Sturm, da Blackrock für sie als einer der größten Investoren in fossile Energieunternehmen, Waffenschmieden sowie Banken ein rotes Tuch ist. Um die 100 Organisationen haben wegen massiver Interessenkonflikte von Blackrock ein Abrücken von dem Vertrag gefordert.

Für Ursula von der Leyen könnte sich eine erneute Berateraffäre anbahnen, nachdem sie sich als Verteidigungsministerin wegen Beraterverträgen vielkritisiert wurde. Da auch heimische Anbieter aus Deutschland oder Frankreich ETFs in vielen Facetten anbieten, müssten die EZB-Lenker nicht stets auf die Amerikaner zurückgreifen.

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