Fed-Entscheidung Bernanke macht Rückzieher - billiges Geld bleibt

Die Fed traut sich nicht, langsam aus der expansiven Geldpolitik auszusteigen. Überraschend hat die US-Notenbank verkündet, ihr Anleihekaufprogramm weiter fortzusetzen. Macht das die Märkte skeptisch?

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Fed-Chef Ben Bernanke hält die Märkte immer wieder in Atem. Quelle: AP

Viele Marktteilnehmer hatten fest mit einer Abkehr der US-Notenbank Fed von der expansiven Geldpolitik gerechnet - aber Chefnotenbanker Ben Bernanke hat sie eines besseren belehrt. Wie die Fed am Mittwoch mitteilte, wagt die Notenbank noch keine schrittweise Abkehr von der Politik des billigen Geldes. Die Zentralbanker entschieden, den Umfang der monatlichen Ankäufe von Staatsanleihen und Immobilienpapieren weiterhin bei 85 Milliarden Dollar zu belassen. Ökonomen hatten damit gerechnet, dass die Fed die Konjunkturhilfen auf 75 Milliarden Dollar pro Monat stutzen würde.

Offenbar hält die Fed die Wirtschaft für noch nicht robust genug, um ohne Geldspritzen in der bisherigen Dosis auskommen zu können. Der Offenmarkt-Ausschuss der Zentralbank erklärte, noch auf mehr "Hinweise auf nachhaltige Fortschritte" bei der Wirtschaftserholung warten zu wollen. Am ultra-niedrigen Leitzins von null bis 0,25 Prozent will die Notenbank aber noch mindestens solange festhalten, wie die Arbeitslosenquote über 6,5 Prozent verharrt. Im August lag sie bei 7,3 Prozent. Nach Ansicht von zwölf der 17 Fed-Notenbanker ist 2015 der richtige Zeitpunkt, um die Zinszügel wieder anzuziehen.

Will Bernanke diese so wichtige Entscheidung, das Ende eines bisher nie dagewesenen geldpolitischen Experiments, womöglich an seinen Nachfolger weitergeben? Denn im Januar ist die Amtszeit Bernankes vorbei. Mittlerweile ist Janet Yellen in der Favoritenrolle um seine Nachfolge, und die Ökonomin gilt als geldpolitische Taube. Eine Fed-Chefin Yellen würde also vermutlich die expansive Politik Bernankes fortsetzen. Ihr Aufstieg zur Favoritin schubste den Deutschen Aktienindex (Dax) am Montag gleich auf ein neues Allzeithoch jenseits der 8600-Punkte-Marke. Am Mittwochabend bestätigte ein Sprecher des US-Präsidialamts, dass Yellen die führende Kandidatin in der Fed-Nachfolge sei.

Wollen die Märkte das? 

Nun stellt sich die Frage, ob die Märkte mit dieser Entscheidung der Notenbank zufrieden sind. Schließlich hatten viele Experten damit gerechnet, dass die Notenbanker die Staatsanleihekäufe langsam zurückfahren. Entsprechend vielen auch die Reaktionen aus. "Um die Wahrheit zu sagen, ich bin wirklich erschüttert", erklärte Chef-Marktstratege Joseph Trevisani von WorldwideMarkets gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Auch NordLB-Stratege Tobias Basse weist auf die Risiken der Entscheidung hin. „Fährt die Fed ihre Anleihekäufe weniger zurück als erwartet, könnten die Märkte das als negatives Signal auffassen“, sagt Basse. Dann dürften Sorgen um eine strauchelnde US-Konjunktur wieder auf die Tagesordnung kommen.

Die Notenbank bewegt sich also auf dünnem Eis. Viele Anleger fragen sich, wie sich die Fed-Politik auf die einzelnen Anlageformen auswirkt.

Aktien

Wie stark Börsianer auf die Lippenbekenntnisse der Fed achten, haben sie in den vergangenen Monaten mehrfach bewiesen. Jetzt dürften die Märkte sich wieder deutlich nach oben bewegen. Schon kurz nach Bekanntgabe der Entscheidung reagierten die Märkte in New York mit deutlichen Kurssprüngen, der S&P 500 Index kletterte auf ein neues Rekordhoch von 1719 Punkten. Auch der Dax dürfte am Donnerstag erneut kräftig zulegen.

Die Reaktion fällt umso stärker aus, da die Märkte eine langsame Abkehr vom billigen Geld längst in die Kurse eingepreist hatten. Deshalb hatten Analysten einen Rückgang des Kaufprogramms auch nicht als gefährlich eingeschätzt. „Die Märkte sind sehr gut auf die zukünftige Geldpolitik der Fed vorbereitet“, sagt Basse.

Mit dieser Entscheidung werden die Kurse weiterhin stark liquiditätsgetrieben sein, Fundamentaldaten stehen weiterhin nicht so stark im Fokus. Dennoch dürften Börsianer weiterhin stark auf amerikanische Indikatoren achten, wenn die Fed-Entscheidung Zweifel am Zustand der amerikanischen Wirtschaft wieder hochkommen lässt.

Anleihen und Gold

Wer die Börsen wackeln lässt
Ben Bernanke Quelle: AP
Janet Yellen (Fed-Vizepräsidentin)Yellen gilt als ausgewiesene Arbeitsmarktexpertin und zugleich als Taube. Sie hat zwar ebenfalls ein Auslaufen der Konjunkturhilfen bei einer Besserung der Wirtschaftslage in Aussicht gestellt, macht aber aus ihrer Prioritätensetzung keinen Hehl: Für den FOMC müsse der Abbau der Arbeitslosigkeit im Zentrum stehen, auch wenn die Inflationsrate „zeitweise leicht über zwei Prozent“ liegen sollte. Yellen wird Bernanke in Jackson Hole vertreten. Womöglich wird sie die Bühne nutzen, um den weiteren geldpolitischen Weg der Fed abzustecken. Quelle: REUTERS
William Dudley (links im Bild, New York, FOMC-Vizevorsitzender)Der enge Vertraute Bernankes plädiert dafür, nichts zu überstürzen. Die Fed solle noch „drei bis vier Monate“ warten, bis sie über ein Zurückfahren der Bond-Käufe entscheide. Bis dahin werde sich ein klareres Bild ergeben, wie weit die Konjunkturerholung gediehen sei. Zugleich betont Dudley, das Programm bleibe flexibel. Bei einer Eintrübung der Konjunktur könne das Tempo der Käufe auch wieder steigen. Quelle: dapd
Charles Evans (Chicago Fed)Er gilt als Taube und ist für eine extrem lockere Geldpolitik im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Ein Ende der Bond-Käufe kommt für ihn erst in Frage, wenn der Jobmarkt über den Berg ist. Dazu legt er die Latte hoch: Über mehrere Monate müssten mindestens jeweils mehr als 200.000 neue Stellen geschaffen werden. Im Mai waren es lediglich 175.000. Quelle: REUTERS
Eric Rosengren (Boston Fed)Auch er steht eher im Ruf, eine Taube zu sein. Rosengren schlägt vor, in einigen Monaten eine „moderate Verringerung“ der Bond-Käufe zu prüfen, falls sich der Arbeitsmarkt weiter erholt. Zunächst hatte er dafür einen Schwellenwert von 7,25 Prozent bei der Arbeitslosenquote genannt, der aus seiner Sicht Ende des Jahres erreicht werden könnte. Zuletzt stieg die Quote aber leicht auf 7,6 Prozent. Quelle: REUTERS
Esther George (Kansas City Fed)Sie hält die Geldpolitik für zu locker und plädiert für ein Zurückfahren der Konjunkturhilfen. Sie warnt, ein zu starkes Stimulieren der Wirtschaft werde die Inflation anheizen. Quelle: REUTERS
James Bullard (St. Luis Fed)Der Notenbanker sorgt sich um die Preisstabilität, allerdings nicht wegen möglicher inflationärer Auswirkungen der Geldschwemme, sondern wegen des derzeit zu niedrigen Preisauftriebs. Er möchte die Anleihe-Käufe solange fortsetzen, bis die Inflationsrate wieder auf den Zielwert der Fed von zwei Prozent gestiegen ist. Andernfalls drohe das Inflationsziel an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Im April ging die von der Fed beobachtete Teuerungsrate (PCE) in den USA auf 0,7 Prozent zurück. Quelle: REUTERS

Anleihen und Devisen

Profitieren dürften die Rentenmärkte. Hier hatte die Aussicht auf langfristig steigende Zinsen zuletzt aufs Gemüt geschlagen, Anleihekurse fielen. In den letzten Wochen waren immer mehr Investoren aus dem Rentenmarkt geflüchtet, die Anleihezinsen entsprechend gestiegen. Auch die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen haben auf gut zwei Prozent zugelegt. Einige Experten warnten bereits vor einem Crash an den Anleihemärkten. Dem hat die Fed jetzt möglicherweise entgegen gewirkt. Zumindest kurzfristig dürfte an den Anleihemärkten also mehr Ruhe einkehren.

Jubeln dürften vor allem die Schwellenländer. Denn die Aussicht auf einen erstarkenden Dollar hatte in Ländern wie der Türkei, Brasilien oder Indien für massive Devisenabflüsse gesorgt. Zuletzt stießen die Länder massiv US-Bonds ab, um mit den damit frei werdenden Dollar ihre eigenen Währungen zu stützten. Von dem weiterhin in Massen fließendem billigen Geld könnten am Ende auch die Schwellenländer profitieren. Zunächst einmal schickte Bernanke mit seiner Entscheidung den Dollar auf ein Drei-Monats-Tief. Wird der Greenback schwächer, dürfte der Euro davon profitieren, erst recht wenn Zweifel an der amerikanischen Erholung aufkommen.

Gold

Am Mittwoch ist der Goldpreis in Erwartung der Fed-Entscheidung erstmals seit sechs Wochen wieder unter die Marke von 1300 Dollar gefallen. Dafür sahen Experten neben dem langsamen Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik allerdings noch andere Faktoren. Wie die Analysten der Commerzbank in einer Analyse schreiben, drückte die Anhebung der Importsteuer für Goldschmuck in Indien den Preis. Außerdem ist die Inflationsrate in den USA im August gegenüber dem Vormonat leicht gesunken. Allerdings wird Gold als Schutz vor Inflation jetzt wieder umso stärker in den Fokus der Anleger rücken. Denn je länger die Phase des billigen Geldes weltweit anhält, desto stärker dürfte die Angst der Anleger vor höheren Preisen werden. Zwar ist davon im Moment noch nichts zu spüren, aber Experten warnen, dass sich die viele Liquidität ihren Weg in die Märkte am Ende schon bahnen wird. Investments in Gold bleiben also so aktuell wie nie.

Mehr Zweifel als vorher

Mit ihrer Bekenntnis zum billigen Geld riskiert die Fed, dass wieder verstärkt Zweifel über die zuletzt aufkommende wirtschaftliche Erholung aufkommen. Und noch ein weiteres, langfristig noch viel schwerer wiegendes Risiko kommt hinzu: Die Angst vor Preisblasen. Erholt sich die US-Wirtschaft weiterhin, bereitet die Fed mit ihrer Entscheidung Blasen am Immobilien- oder Aktienmarkt womöglich eine wunderbare Bühne. Denn die Zinsen für Hauskäufe und andere Anlageformen bleiben weiterhin niedrig. Kritiker warnen schon vor einer drohenden Überhitzung.

Mit Material von Reuters.

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