FED Yellen und die Mär von der Zinsnormalisierung

Die Fed hat die Leitzinsen erhöht. Doch das Zeitalter der finanziellen Repression ist damit noch lange nicht vorbei.

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Ein Bildschirm zeigt die Leitzinserhöhung Quelle: AP

Tut sie es, oder tut sie es nicht? Wochenlang hatten sich die Experten von Banken und Börsen gefragt, ob Janet Yellen, die Chefin der US-Notenbank Fed, schon im März erneut an der Zinsschraube dreht. Nun ist die Frage geklärt. Ja, sie hat es getan. Am Mittwoch erhöhte Yellen den Zielsatz für Tagesgeld um 25 Basispunkte auf nunmehr 0,75 bis 1,0 Prozent. Zu recht. Denn in den vergangenen Wochen ist deutlich geworden, dass die US-Wirtschaft kaum noch auf die Unterstützung durch die Geldpolitik angewiesen ist.

Die gesamtwirtschaftliche Produktion in Amerika wächst mit Raten um die zwei Prozent, der Arbeitsmarkt boomt. Im Februar haben die Unternehmen mehr als 235 000 neue Stellen geschaffen. Mit einer Arbeitslosenquote von 4,7 Prozent herrscht in den USA faktisch Vollbeschäftigung. Qualifizierte Arbeitskräfte werden knapp, die Löhne legen kräftig zu. Dazu kommt, dass die gute Konjunktur und die im Vorjahresvergleich deutlich gestiegenen Energiepreise die Inflation im Februar auf 2,7 Prozent getrieben haben, die höchste Rate seit 5 Jahren. Auch die Kernrate des Deflators für die persönlichen Konsumausgaben, an der sich die Fed orientiert, weist mit derzeit 1,7 Prozent im Trend nach oben. Die zunehmende Knappheit von Arbeitskräften spricht dafür, dass die Löhne weiter steigen und eher früher als später ihren Niederschlag in höheren Verbraucherpreisen finden.

Verglichen mit den Null- und Negativzinsen in der Eurozone, in Großbritannien und in Japan sind die USA bei der Normalisierung der Geldpolitik auf den ersten Blick weit voran geschritten. Doch von einer echten Normalisierung kann auch in der größten Volkswirtschaft der Welt keine Rede sein. Denn mit 1,0 Prozent befindet sich der Leitzins noch immer auf einem historisch niedrigen Niveau. Die Fed begründet dies damit, dass der natürliche Gleichgewichtszins wegen der Produktivitätsschwäche und des verlangsamten Wachstums der arbeitenden Bevölkerung deutlich unter dem Niveau der vergangenen Jahrzehnte liegt. Derzeit dürfte er ihren Berechnungen zufolge real 0 bis 1 Prozent betragen.

US-Notenbank erhöht Leitzinsen - was das bedeutet

Das Problem mit dem gleichgewichtigen Realzins ist nur, dass ihn niemand wirklich kennt. Er lässt sich auch mit den ausgefeiltesten ökonometrischen Methoden nicht exakt bestimmen. Doch selbst wenn die Fed recht hätte und der reale Gleichgewichtszins tatsächlich nur bei rund einem Prozent läge, so ergibt sich unter Berücksichtigung der angestrebten Inflation von zwei Prozent ein nominaler Gleichgewichtszins von etwa drei Prozent.

Von diesem Wert aber ist der Leitzins noch meilenweit entfernt. Die Frage ist, ob und wie schnell die Fed ihn weiter anheben wird. Nicht nur in Europa, auch in den USA ist der Staat noch immer hoch verschuldet. Die Fed, die durch die Anleihekäufe der vergangenen Jahre zu einem der größten Gläubiger der Regierung geworden ist, hat kein Interesse daran, dass die Regierung in Zahlungsschwierigkeiten gerät. Daher wird sie die Zinsen allenfalls vorsichtig weiter anheben. So zeigen die Projektion der Währungshüter, dass sie für dieses Jahr nur noch zwei weitere Zinserhöhungen planen.  

US-Notenbankchefin Janet Yellen Quelle: dpa

Am Ende des Jahres könnte der Leitzins also bei 1,5 Prozent liegen. Das ist etwa halb so hoch wie die Teuerungsrate. Real bleiben die kurzfristigen Zinsen in Amerika damit weiter im negativen Bereich. Kaum anders sieht es bei den Renditen für zehnjährige Staatsanleihen aus. Zurzeit liegen sie mit 2,5 Prozent knapp unter der Teuerungsrate, die Realverzinsung ist also auch am langen Ende des Marktes negativ. Das freut die Regierung, denn ihre Schulden werden durch die Inflation entwertet. Die Bürger hingegen werden fürs Sparen durch negative Realzinsen bestraft. Die Fed hat die Leitzinsen zwar erhöht – doch das Zeitalter der finanziellen Repression ist noch längst nicht vorbei.

Daher kann es auch nicht verwundern, dass der Dollar gegenüber dem Euro auf Talfahrt ging. Kaum hatte die  Fed ihren Zinsentscheid bekannt gegeben, kletterte der Preis für die Gemeinschaftswährung um fast einen Cent auf rund 1,07 Dollar. Damit lieferte Yellen dem Euro sogar mehr Rückenwind als die anschließende Nachricht von der Niederlage des Euro-Kritikers Geert Wilders bei der Parlamentswahl in den Niederlanden.

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