Felix und Roman Zulauf "Erholungsfantasien sind eine Fata Morgana"

Seite 4/13

Anleihebestände der Notenbanken

Wie in Zentralbanken hineinregiert wird
Europäische Zentralbank (EZB)"Das vorrangige Ziel ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten", heißt es in Artikel 105 des Maastricht-Vertrags. Zwar soll die EZB auch für Stabilität an den Märkten sorgen und die Wirtschaftspolitik der EU unterstützen. Das allerdings nur, wenn dadurch das Ziel der Preisstabilität nicht beeinträchtigt wird. Diese klare Abgrenzung hat anfangs funktioniert. Seit der Euro-Krise jedoch ist die Geldpolitik Teil der EU-Wirtschaftspolitik. Die EZB begründet ihre Eingriffe mit ihrem Mandat der Marktstabilität und behauptet, dass hierdurch die Geldwertstabilität nicht gefährdet sei. Quelle: dapd
Europäische Zentralbank (EZB)Auch wenn EZB-Chef Mario Draghi früher bei Goldman Sachs arbeitete, besitzen private Banken bei der Zentralbank keine direkte Mitsprache. Das EZB-Kapital von 5,76 Milliarden Euro liegt bei den 27 Notenbanken der EU, die sich – bis auf ein paar Anteile der österreichischen Nationalbank – in öffentlichem Besitz befinden. Die Euro-Finanzminister wählen die Mitglieder des sechsköpfigen Direktoriums per Mehrheitsentscheid, die Regierungschefs bestätigen die Wahl. Auch das EU-Parlament darf mitreden. Vergangene Woche lehnten die Abgeordneten die Nominierung des angesehenen Luxemburger Nationalbankpräsidenten Yves Mersch für einen Sitz im EZB-Direktorium ab. Einziger Grund: sein Geschlecht. Sharon Bowles, Vorsitzende des Währungsausschusses: "Wir sind dagegen, dass die mächtigste Institution der EU ausschließlich von Männern geleitet wird." Quelle: dapd
Bank of England (BoE)Die "Old Lady" von der Londoner Threadneedle Street ist die älteste Notenbank der Welt. Doch erst 1997 wurde sie nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank in eine – relative – politische Unabhängigkeit entlassen. Der Einfluss der Politik ist geblieben: Der britische Schatzkanzler gibt der Notenbank ein konkretes Inflationsziel von 2,0 Prozent vor. Wird dieses Ziel verfehlt, muss der Notenbankchef dies gegenüber der Regierung rechtfertigen. Quelle: REUTERS
Bank of England (BoE)Am meisten leidet die Unabhängigkeit der BoE aber dadurch, dass sie mit Aufgaben zugeschüttet wird. Die BoE muss sich nicht nur um eine stabile Währung, sondern auch um die Konjunktur und Stabilität des Finanzsektors kümmern, im nächsten Jahr kommt die Bankenaufsicht hinzu. Zudem ist die persönliche Unabhängigkeit mancher Mitglieder im Zentralbankrat fraglich: Ben Broadbent etwa arbeitete vor seiner Zeit bei der BoE jahrelang für Goldman Sachs. Zuvor war schon sein Kollege David Robert Walton, Chefökonom von Goldman Sachs in Europa, Mitglied im Zentralbankrat geworden. Bis Ende August 2012 saß dort zudem mit Adam Posen ein Geldpolitiker, der enge Verbindungen zu Starinvestor George Soros pflegt. Quelle: dpa
Federal Reserve System (Fed)Die amerikanische Fed – ein Hort politischer Unabhängigkeit? Mitnichten. Die unter einem Dach zusammengeschlossenen zwölf regionalen US-Zentralbanken gehören 3000 privaten Instituten, darunter Großbanken wie Goldman Sachs oder Morgan Stanley. Die Geldhäuser können direkt bei der Geldpolitik mitmischen, denn sie bestimmen die Direktoren der regionalen Fed-Ableger. Die Direktoren sind an der Wahl der regionalen Fed-Präsidenten beteiligt – und von diesen wiederum sitzen einige im Offenmarktausschuss, dem wichtigsten Gremium der Notenbank, das über die Geldpolitik der USA entscheidet. Der amerikanische Kongress hat der Zentralbank drei Ziele gesetzt, die nicht unbedingt miteinander harmonieren: Die Fed soll die Preise stabil halten, so viele Arbeitsplätze wie möglich garantieren und die Zinsen möglichst niedrig halten. Quelle: REUTERS
Federal Reserve System (Fed)Die Regierung darf den Währungshütern zwar nicht ins Tagesgeschäft hineinreden, aber Zentralbankpräsident Ben Bernanke muss dem Parlament regelmäßig Rede und Antwort stehen. Sollte es anhaltende Konflikte zwischen Fed und Politik geben, kann der Kongress die Unabhängigkeit der Fed beschneiden. Jüngste Debatten ließen darauf schließen, "dass es breite Unterstützung für Restriktionen geben könnte, wenn der Kongress mit der Fed-Politik nicht zufrieden ist", warnt der renommierte US-Ökonom Martin Feldstein. Die Notenbank stehe vor einem Dilemma: "Strafft sie die Geldpolitik, um die Inflation einzudämmen, riskiert sie Gegenmaßnahmen des Kongresses, die ihr die künftige Inflationsbekämpfung erschweren." Quelle: dapd
Bank of Japan (BoJ)Auf dem Papier ist die BoJ unabhängig, aber der politische Druck steigt. Mittlerweile ist es zur Regel geworden, dass ranghohe japanische Politiker offen drohen, das Notenbankgesetz zu ändern, falls die BoJ ihre Geldpolitik nicht noch stärker lockert. Was die Ankäufe von Fremdwährungen betrifft, um den Auftrieb des Yen abzumildern, handelt die Notenbank bereits im Auftrag der Regierung. Quelle: REUTERS

Auch die Notenbanken sitzen jetzt mit ihren Anleihebeständen auf Verlusten.

Felix Zulauf: Rein von der Rechnungslegung her ist das kein Problem für eine Zentralbank. Die Fed hat ja nie gesagt, dass sie Anleihen verkaufen will, sondern nur, dass sie vielleicht etwas weniger kauft. In der Bilanz werden die Anleihen zu Einstandspreisen oder zu 100 Prozent geführt, weil sie bis zur Fälligkeit gehalten werden.

Trotzdem könnte der scharfe Renditeanstieg als Kontrollverlust der Notenbanken gewertet werden, besonders in Japan.

Felix Zulauf: Das wird erst ein Thema, wenn das Vertrauen in eine Währung abnimmt, weil die Währung nach unten weg bricht.

Welcher großen Reservewährung könnte das zuerst passieren?

Felix Zulauf: Der Dollar wird tendenziell die festeste Währung werden. Große Probleme bekommt – und da erhalten wir jetzt Anschauungsunterricht – der japanische Yen. Das Budgetdefizit in Japan liegt bei zehn Prozent und die Staatsverschuldung bei etwa 240 Prozent der Wirtschaftsleistung. Etwa 40 Prozent der Steuereinnahmen gehen drauf für den Zinsdienst. Wenn die Zinsen sich verdoppeln, wären es 80 Prozent der Einnahmen.

Das wäre faktisch der Staatsbankrott.

Felix Zulauf: Genau. Wenn in einer solchen Lage eine Notenbank weiter Geld druckt, dann geht die Währung in eine Abwärtsspirale. Dann ist das Vertrauen in die Währung von einem Tag auf den anderen weg und die Notenbank verliert die Kontrolle, sowohl über den heimischen Bondmarkt als auch über die heimische Währung. Die Wahrscheinlichkeit, dass Japan in den nächsten zwei bis drei Jahren in diese Situation gerät und die Kontrolle über seine Währung und die Finanzmärkte verliert, ist sehr hoch, deutlich über 50 Prozent. Dann gibt es einen Yen-Crash.

Yen-Verfall: Wie tief sinkt Japans Währung noch?

Von welchem Wechselkursniveau an geht der Yen in den Sturzflug über?

Felix Zulauf: Ich hatte im Herbst 2012 den Yen zum Verkauf empfohlen, bei unter 80 Yen pro Dollar und mit der Erwartung, dass er binnen zwei Jahren zum Dollar bei 120 Yen steht. Wenn wir nächstes Jahr diese Marke erreichen und durchbrechen, dann ist das wohl der Punkt, an dem die Bank of Japan die Hoheit über ihre Währung und die Finanzmärkte verliert. Anschließend kann es schnell auf 200 Yen pro Dollar gehen. Fluchtartig werden Gelder das Land verlassen. Wenn das passiert, muss die Notenbank den Kapitalabfluss stoppen.

Wie?

Felix Zulauf: Das wird nur mit Kapitalverkehrskontrollen möglich sein. Dann beginnt eine neue Epoche. Wie die dann aussehen wird, wissen wir heute nicht.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%