Auch die Notenbanken sitzen jetzt mit ihren Anleihebeständen auf Verlusten.
Felix Zulauf: Rein von der Rechnungslegung her ist das kein Problem für eine Zentralbank. Die Fed hat ja nie gesagt, dass sie Anleihen verkaufen will, sondern nur, dass sie vielleicht etwas weniger kauft. In der Bilanz werden die Anleihen zu Einstandspreisen oder zu 100 Prozent geführt, weil sie bis zur Fälligkeit gehalten werden.
Trotzdem könnte der scharfe Renditeanstieg als Kontrollverlust der Notenbanken gewertet werden, besonders in Japan.
Felix Zulauf: Das wird erst ein Thema, wenn das Vertrauen in eine Währung abnimmt, weil die Währung nach unten weg bricht.
Welcher großen Reservewährung könnte das zuerst passieren?
Felix Zulauf: Der Dollar wird tendenziell die festeste Währung werden. Große Probleme bekommt – und da erhalten wir jetzt Anschauungsunterricht – der japanische Yen. Das Budgetdefizit in Japan liegt bei zehn Prozent und die Staatsverschuldung bei etwa 240 Prozent der Wirtschaftsleistung. Etwa 40 Prozent der Steuereinnahmen gehen drauf für den Zinsdienst. Wenn die Zinsen sich verdoppeln, wären es 80 Prozent der Einnahmen.
Das wäre faktisch der Staatsbankrott.
Felix Zulauf: Genau. Wenn in einer solchen Lage eine Notenbank weiter Geld druckt, dann geht die Währung in eine Abwärtsspirale. Dann ist das Vertrauen in die Währung von einem Tag auf den anderen weg und die Notenbank verliert die Kontrolle, sowohl über den heimischen Bondmarkt als auch über die heimische Währung. Die Wahrscheinlichkeit, dass Japan in den nächsten zwei bis drei Jahren in diese Situation gerät und die Kontrolle über seine Währung und die Finanzmärkte verliert, ist sehr hoch, deutlich über 50 Prozent. Dann gibt es einen Yen-Crash.
Yen-Verfall: Wie tief sinkt Japans Währung noch?
Für die Aktienmärkte ist der Yen-Kurs gegenüber dem Dollar ein Gradmesser für die Abwertung der Landeswährung. 2012 fiel der Yen 15 Prozent gegenüber zehn großen Weltwährungen - so viel wie seit 1979 nicht mehr. Dies ergibt sich aus einem Bloomberg-Index.
Die Notierung erfolgt in Yen pro Dollar, etwa: 85 Yen. Wenn dieser Wert steigt, etwa auf 90 Yen, steigt der Wert der US-Währung, und es sinkt der Wert der japanischen Währung.
Die neue japanische Regierung will die Konjunktur ankurbeln. Dafür nutzt sie alle Hebel. Einer davon ist auch die Schwächung der Währung. 2012 fiel der Yen um 11 Prozent gegenüber dem Dollar - so stark wie seit sieben Jahren nicht mehr.
Die japanische Regierung hat ein enormes Konjunkturpaket im Volumen von 20,2 Billionen Yen (173 Milliarden Euro) abgesegnet. Damit sollen unter anderem große öffentliche Bauprojekte im Nordosten des Landes finanziert werden. Rund 600.000 Arbeitsplätze verspricht sich Regierungschef Shinzo Abe davon.
Ministerpräsidenten Shinzo Abe drängt die Notenbank, ihre Geldpolitik weiter zu lockern und so die Fiskalpolitik zu flankieren. Die Zeitung Nikkei zitierte Abe mit den Worten, Japan habe wegen des starken Yen seine Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Er wolle, dass die Notenbank sich auch für ein Maximum an Beschäftigung in Japan verantwortlich fühle.
Das Bruttoinlandsprodukt in Japan ist auf Jahresbasis im dritten Quartal um 3,5 Prozent geschrumpft. Ökonomen erwarten, dass es im vierten Quartal 2012 um 0,6 Prozent zurückgegangen ist.
Für das erste Quartal 2013 erwarten Ökonomen wieder ein Wachstum von 1,6 Prozent in Japan.
Die Konjunkturschwäche geht mit einem Wertverfall der Währung einher. Anfang 2013 liegt der Dollar gegenüber mit fast 90 Yen auf dem höchsten Niveau seit Juni 2010, also seit mehr als zweieinhalb Jahren. Gegenüber dem Euro markiert der Yen die niedrigsten Kurse seit Mai 2011, also seit mehr als anderthalb Jahren.
Die Banken rechnen mit einer weiteren Abschwächung des Yen. Damit liegen sie auf einer Linie mit der Regierung, die genau dies fördern will durch ihre Fiskalpolitik.
Morgan Stanley erklärte in einer Analyse, der Dollar könne gegenüber der japanischen Währung noch auf 100 Yen steigen in diesem Jahr. Societe Generale nennt ein Kursziel von 97 Yen bis Jahresende. Bisher ging die Bank von 87 Yen aus. Citibank glaubt, dass der Dollar bis Ende März auf 90 Yen steigt. Zuvor war die Bank von 87 Yen ausgegangen.
Die Exportwirtschaft verweist darauf, dass die japanische Währung noch immer 13 Prozent über seinem Zehnjahres-Durchschnitt liegt. Dieser liegt gegenüber dem Dollar bei 101 Yen. Die Industrie in Japan wünscht sich einen Dollarkurs zwischen 90 and 100 Yen. Das sagt, Hiroshi Tomono, Präsident von Nippon Steel & Sumitomo Metal Corp.
Die fortgesetzte Yen-Abwertung gegenüber den großen Währungen der Welt hilft vor allem den japanischen Exporteuren. Deren Aktien profitieren daher regelmäßig besonders stark, wenn der Yen an Wert verliert.
Das Börsenbarometer Nikkei-Index marschiert im Januar von Rekord zu Rekord. Inzwischen liegen die Aktienkurse auf dem höchsten Niveau seit zwei Jahren.
Von welchem Wechselkursniveau an geht der Yen in den Sturzflug über?
Felix Zulauf: Ich hatte im Herbst 2012 den Yen zum Verkauf empfohlen, bei unter 80 Yen pro Dollar und mit der Erwartung, dass er binnen zwei Jahren zum Dollar bei 120 Yen steht. Wenn wir nächstes Jahr diese Marke erreichen und durchbrechen, dann ist das wohl der Punkt, an dem die Bank of Japan die Hoheit über ihre Währung und die Finanzmärkte verliert. Anschließend kann es schnell auf 200 Yen pro Dollar gehen. Fluchtartig werden Gelder das Land verlassen. Wenn das passiert, muss die Notenbank den Kapitalabfluss stoppen.
Wie?
Felix Zulauf: Das wird nur mit Kapitalverkehrskontrollen möglich sein. Dann beginnt eine neue Epoche. Wie die dann aussehen wird, wissen wir heute nicht.