Felix und Roman Zulauf "Erholungsfantasien sind eine Fata Morgana"

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Eine verlorene Generation

Was die Franzosen mit Deutschland verbinden
Was die Franzosen mit Deutschland verbindenDie Deutsche Botschaft in Paris hat im vergangenen Jahr das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage vorgestellt. Die Frage lautete: Welches Bild haben die Franzosen von den Deutschen und umgekehrt? Fest steht: Es ist eine lange Geschichte der Anerkennung, aber auch der Anfeindung. Ein kurzer Überblick, über die Begriffe, mit denen die Franzosen uns Deutsche identifizieren. Quelle: dpa
Abgeschlagen auf den hinteren Plätzen landeten Begriffe wie „Hitler“, „Nazis“ und „Krieg“. Die Autoren der Studie schlussfolgern daraus: Germanophobie gibt es in Frankreich kaum noch. Gerade die jüngeren Franzosen denken mit Blick auf die vergangenen Jahrzehnte eher an den Fall der Mauer, als an Deutschlands Rolle unmittelbar vor und während des Zweiten Weltkrieges. Quelle: AP
Die Franzosen reden bei Deutschland von "Respekt" (33 Prozent); die Deutschen eher von "Sympathie" (65 Prozent). Die Frage, ob Deutschland ein Verbündeter oder gar ein Freund ist, haben die Franzosen in der Vergangenheit auch mal giftig beantwortet. Der französische Schriftsteller Francois Mauriac sagte einst: "Ich liebe so sehr Deutschland, dass ich mich freue, dass es gleich zwei davon gibt". Er meinte die Bundesrepublik und die DDR. Nun wählen die Franzosen den Begriff "Partnerschaft", um ihre Beziehung zu Deutschland zu beschreiben. Daran soll sich auch künftig nichts ändern - laut der Umfrage der Deutschen Botschaft in Paris schätzen 45 Prozent der Befragten Deutschland als privilegierten Partner. Anders sehen das die Deutschen: 72 Prozent wollen Frankreich als ein Land wie jeden anderen Partnerstaat sehen. Quelle: dpa
Die Würstchen oder das Sauerkraut nannten zwölf Prozent der Befragten als was typisch Deutsches. Man muss davon ausgehen, dass die deftige Küche als Beispiel deutscher Kochkünste herhalten muss. Quelle: dpa
Das deutsche Auto genießt bei den Franzosen ein hohes Ansehen. 18 Prozent der Befragten gaben das an erster Stelle an - genauso viele, die "Strenge" nannten. Gerade in Wirtschaftsangelegenheiten dient Deutschland aus französischer Sicht als Vorbild: 63 Prozent der Befragten gaben an, dass sich Frankreich stärker am deutschen Modell ausrichten sollte. Entsprechend hoch ist auch der Wille, dass die künftige Kooperation mit deutschen Unternehmen verstärkt werden sollte - 38 Prozent der Franzosen vertraten diese Meinung. Quelle: dpa
Die deutschen Rheinnachbarn werden auch stark mit ihrem Bier assoziiert: 23 Prozent der Befragten nannte als erst das deutsche Getränk par excellence. Quelle: AP
Gefragt nach einem spontanen Gedanken zu Deutschland, wurde der Nachname der deutschen Bundeskanzlerin bei der Umfrage der Deutschen Botschaft am meisten genannt. 29 Prozent der Befragten gaben "Merkel " an. Nicht nur für die Franzosen verkörpert die Bundeskanzlerin die Werte Fleiß, Disziplin und Rechtschaffenheit. Dass Merkel in Paris einen hohen Stellenwert genießt, zeigte sich schon im Sommer 2011. Eine breite Mehrheit der Franzosen hatte in einer Umfrage der französischen Zeitung "Le Parisien" erklärt, sie trauen der Deutschen eher als dem damaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zu, die Schuldenkrise zu lösen. Mit dem sozialistischen Präsidenten Francoise Hollande dürfte die Zahl nicht kleiner geworden sein. Quelle: REUTERS

Wäre eine Rückabwicklung des Euro noch ein gangbarer Weg?

Felix Zulauf: Vernünftig wäre es, wenn Länder, die nicht wettbewerbsfähig sind, Reformen beschließen, aber gleichzeitig austreten, um dann über eine Währungsabwertung gesunden zu können. Ursprünglich hatte ich angenommen, dass die Bürger in der Peripherie nach einer gewissen Leidenszeit den Austritt ihres Landes aus dem Euro fordern werden. Das ist vielleicht immer noch eine Möglichkeit. Aber rein technisch ist eine Rückabwicklung wohl kaum noch möglich. So haben mir das zumindest Notenbank-Experten berichtet, mit denen ich gesprochen habe. Eine Rückabwicklung wäre nur dann machbar, wenn man in der gesamten Eurozone gleichzeitig Kapitalverkehrskontrollen einführte. Dann könnten einzelne Länder ihren Austritt beschließen. Wenn man das nicht macht, dann gäbe es sofort einen Run auf die Banken und das System würde zusammenbrechen. Man kann das eigentlich nur abwickeln unter einer Wirtschaftsordnung, die fast einer Kriegswirtschaft ähnelt. Vielleicht kommt die Politik zu einem späteren Zeitpunkt, wenn wir noch tiefer in der Krise stecken, zu diesem Schluss und sagt: Es geht einfach nicht mehr. Aber die Politik ist noch lange nicht so weit. Man wird weiter versuchen, die Probleme zuzukleistern, während die Probleme unter dem Kleister tatsächlich immer größer werden. Wir werden weiter Minuswachstum haben, hier und da wird vielleicht mal wieder ein kleines Konjunkturprogramm aufgelegt. Diese müssten dann schlussendlich via EZB finanziert werden. Aber weil die EZB keine freie nationale Notenbank ist, gibt es selbst da gewisse Beschränkungen.

Wären die Kosten einer Rückabwicklung des Euro nicht ebenso astronomisch?

Roman Zulauf: Es ist schon erstaunlich, dass immer über die hohen Kosten einer Rückabwicklung des Euro gesprochen wird, nicht aber über die Opportunitätskosten, die die Peripherie zu tragen hat, um im Euro zu bleiben.

Der Instrumentenkasten der EZB

Sprechen Sie darüber!

Roman Zulauf: Die verbesserten Leistungsbilanzen werden erkauft mit einem Einbruch der Binnennachfrage. Die Arbeitslosigkeit, vor allem unter Jugendlichen, steigt auf Rekordniveau. Immer mehr junge Menschen bleiben zu Hause bei ihren Familien wohnen, weil sie sich keine eigene Wohnung leisten können. Sie können selbst keine Familien gründen. Das hat strukturell verheerende Folgen, auch mit Blick auf die Demografie. Es ist eine verlorene Generation.

Gefährdet der Euro auch die gesamte Europäische Union?

Felix Zulauf: Diese Gefahr trägt der Euro in der Tat in sich. Man kann über die EU sagen, was man will. Sie ist sicher zu technokratisch und zu zentralistisch. Doch ihr Grundgedanke, die Schaffung eines freien europäischen Wirtschaftsraums ohne Hürden mit einer Bündelung der Kräfte gegenüber anderen Kontinenten, ist unbedingt bewahrenswert. Mit dem Euro aber werden EU-Mitgliedsländer in eine erste und in eine zweite Klasse eingeteilt, die gegeneinander hetzen. Mir erscheint es so, als treibt das Schiff Europa ohne Steuermann im Sturm herum. Das ist brandgefährlich.

Werden die Briten in fünf Jahren noch in der EU sein?

Felix Zulauf: Wenn einer austritt, dann die Briten. Aber Großbritannien muss natürlich auch aufpassen. Allein wäre das Land auch eine Randregion. Ein Austritt wäre nur denkbar, wenn ein Freihandelsabkommen mit der EU vereinbart werden könnte. Doch auch dann bliebe die Frage offen, ob London dann noch das europäische Finanzzentrum bleiben könnte.

Wie die Deutschen ihr Geld anlegen
Im Jahre 2012 hatten die deutschen Bürger ein Gesamtvermögen von rund 4,94 Billionen Euro. Bis auf die Jahre 2002 und 2008 stieg das Vermögen der Deutschen stetig. Wie stark es zugenommen hat, zeigt ein Vergleich mit dem Jahr 1991. Zu dieser Zeit kumulierten die privaten Haushalte ein Kapital von gerade einmal 1,9 Billionen Euro. Die Übersicht zeigt, wo sich das Geld der Deutschen befindet. Quelle: dpa
In festverzinsliche Wertpapiere wurden im vergangenen Jahr nur 238 Milliarden Euro investiert. Zwar gelten zum Beispiel Staatsanleihen aus Deutschland als besonders sicher, doch die Rendite bewegt sich oft sogar unter dem Inflationsniveau. Staatsbonds aus den Euro-Krisenländern Spanien und Italien werfen hingegen recht hohe Zinsen ab, doch das Verlustrisiko ist dementsprechend hoch. Quelle: dpa
Seit 2007 nimmt das angelegte Geld in festverzinsliche Finanzprodukte ab. 2011 lagen noch 247,1 Milliarden Euro in Staats-, Wandel, und Indexanleihen, um nur einige festverzinsliche Anlagemöglichkeiten zu nenne. Indexanleihen werden in Deutschland bisher allerdings nur selten vergeben. Emissionen solcher Anleihen erfolgen nur unter Genehmigung der Bundesbank. Quelle: dpa
Rund 259 Milliarden Euro liegen in Aktien. In Relation zum Gesamtvermögen sind das gerade einmal fünf Prozent. Anfang der 1960er-Jahre betrug der Aktienanteil noch 20 Prozent. Die Scheu, Geld in Aktien anzulegen, kann nicht mit den Renditen erklärt werden. Denn 1987 notierte der Dax noch bei 1.000 Punkten, mittlerweile hat sich der Kurs, trotz mehrfacher Rückschläge, mehr als verachtfacht. Keine andere Analagemöglichkeit bietet langfristig so hohe Renditen. Quelle: dpa
Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt aber, dass der Aktienanteil zyklischer Veränderung unterliegt. Je nach Börsengeschehen verändert sich der Anteil. Während 2007 knapp 371 Milliarden Euro in Aktien investiert waren, verringerte sich das Volumen im darauffolgenden Jahr auf 182 Milliarden Euro. Die Veränderung von 2011 auf 2012 hingegen war von 222 Milliarden auf 259 Milliarden Euro wieder eine positive. Quelle: dpa
Investmentfonds unterliegen den gleichen Schwankungen wie Aktien. Im vergangenen Jahr investierten die Deutschen rund 420 Milliarden Euro in solche Fonds und damit knapp 25 Milliarden mehr als noch 2011. Doch bereits 2007 lagerten die Bundesbürger über 467 Milliarden Euro in Investmentfonds. Quelle: dpa
Geldanlagen bei Versicherungen stehen bei den Deutschen hoch im Kurs. Rund 1,5 Milliarden Euro des Geldvermögens liegen bei den Versicherungen. Besonders beliebt sind Lebensversicherung, Pensionskassen und Versorgungswerke. Quelle: dpa

Hat das zentralistische Frankreich inzwischen verstanden, worum es geht?

Felix Zulauf: Nein, aber etwas anderes habe ich auch nicht erwartet. François Hollande war Anfang der Achtzigerjahre Wirtschaftsberater des damaligen Staatspräsidenten François Mitterrand. Er war damals der Kopf hinter der Idee, die Banken zu verstaatlichen. Mitterrand musste das nach einem Jahr dann wieder rückgängig machen. Hollande hat nichts gelernt und ich staune immer wieder, wie solche Verlierer an die Spitze von ganzen Völkern gewählt werden können.

Funktioniert die Achse Paris-Berlin noch?

Felix Zulauf: Nein, die Positionen sind viel zu weit voneinander entfernt. In Paris regiert hochsozialistisches Gedankengut, in Berlin halbsozialistisches. Wenn diese Allianz nicht mehr funktioniert, dann bedeutet das eine Schwächung Europas. Dann gibt es keine Führung mehr in Europa, weil Deutschland allein aus historischen Gründen nicht die Führung übernehmen kann, die es kraft seiner Volkswirtschaft eigentlich übernehmen müsste.

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