Wie lange wird die Kapitalflucht aus den Emerging Markets anhalten?
Roman Zulauf: Der Prozess dauert solange an, bis die Zahlungsbilanzdefizite zu Überschüssen werden. Die Binnennachfrage muss so schwach werden, dass die Exporte die Importe überschreiten. Erst dann stabilisiert sich auch die Währung wieder. Das aktuellste Beispiel für den Prozess, den wir gerade sehen, war die Währungskrise in Ungarn zwischen 2008 und 2011. Weitere Beispiele waren 1998 die Krisen in Asien und Russland. Das Drehbuch ist überall immer dasselbe.
Unter Druck stehen nicht nur Schwellenländer. Die Stadt Detroit zum Beispiel steht vor der Pleite. Ist das der Anfang einer Pleiteserie bei Hochzinsanleihen?
Felix Zulauf: Es ist natürlich so, dass die schwächsten Glieder im System, also die ganz außen an der Peripherie, zuerst getroffen werden. Dort wird es Bankrotte geben, das ist völlig normal. Die Ausfallquote bei Hochzinsanleihen wird steigen. Wenn die Zinsen so in die Höhe schießen wie jetzt beispielsweise in Brasilien oder der Türkei, dann werden bei dem einen oder anderen Unternehmen die Lichter ausgehen. Es waren ja primär die privaten Unternehmen, die dort in den letzten Jahren große Schulden angehäuft haben. Was jetzt passiert, wird die Weltkonjunktur scharf einbremsen.
Die Volatilität, die Schwankungsintensität an den Märkten, ist stark gestiegen. Fürchten Sie, dass da auch der eine oder andere größere Hedgefonds unter die Räder kommt?
Roman Zulauf: Obwohl man es nicht ausschließen kann, wäre ich überrascht, wenn es bei diesen Turbulenzen einen großen Hedgefonds zerreiben würde. Seit 2008 hat die Hedgefonds-Branche ihr Risikomanagement stark professionalisiert. Mit einem allzu großen Kredithebel wird heute nicht mehr gearbeitet. So schnell wie früher wird nicht mehr aus der Hüfte geschossen. Es sind heute eher private und institutionelle Anleger, die ein größeres Risiko fahren. Oder denken sie an den berühmten internationalen Investmentfonds aus den USA, der zehn bis 15 Prozent des irischen Bondmarktes hält.
Sie meinen Franklin Templeton.
Roman Zulauf: Das ist kein Hedgefonds, das ist ein Anlagefonds. Diese Fonds haben andere Schwierigkeiten zu bewältigen als Hedgefonds, die mit konsequentem Risikomanagement versuchen, solchen Klumpenrisiken aus dem Weg zu gehen. Mit Blick auf die Volatilität sind wir ja noch auf vergleichsweise bescheidenem Niveau. Die tiefe Volatilität, die wir noch vor einigen Wochen hatten, war ja eigentlich das beunruhigende Zeichen. Je tiefer die Volatilität ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich irgendetwas passiert. Kurz vor Ausbruch der Finanzkrise 2008 hatten wir auch eine extrem niedrige Volatilität.
Liegen die größeren Risiken also nicht im Schattenbankensystem, sondern bei den Banken?
Felix Zulauf: So sehe ich das. Das Risikomanagement der Hedgefonds ist wesentlich besser als das der Banken. Allein im europäischen Bankensystem schätze ich den Abschreibungsbedarf auf über eine Billion Euro. Die haben ihre Hausaufgaben immer noch nicht gemacht. All die Rettungsschirme, die da sind, sind dafür viel zu klein. Da kommt möglicherweise bald eine neue Krise auf uns zu.
Und in Japan?
Roman Zulauf: Die Banken dort halten 900 Prozent ihres haftenden Eigenkapitals in heimischen Staatsanleihen. Da muss man die Risikosysteme geradezu manipulieren, um sich mit solchen Beständen überhaupt noch wohlfühlen zu können.