Die finanzielle Repression, also die schleichende Enteignung der Sparer über negative Realzinsen wie nach dem Zweiten Weltkrieg, soll nach Meinung von vielen Experten alles wieder ins Lot bringen. Was meinen Sie?
Felix Zulauf: Das wird nicht funktionieren. Damals war die Staatsverschuldung zwar auch hoch. Aber heute ist die Ausgangslage eine völlig andere als damals.
Was ist anders heute?
Felix Zulauf: Erstens ist die demografische Situation anders, wir sind überaltert. Zweitens hatten die privaten Haushalte damals keine Schulden und drittens staute sich während des Kriegs eine große Nachfrage auf, die sich nach dem Ende des Krieges entfaltete. Die hat für ein langjähriges Wirtschaftswachstum gesorgt. Das werden wir heute nicht mehr haben. Die finanzielle Repression war bisher in Amerika am erfolgreichsten. Dort hat sich die Konjunktur tatsächlich etwas erholt. Die Probleme im Bankensystem haben sich etwas reduziert, aber die volkswirtschaftliche Gesamtverschuldung im Vergleich zur Wirtschaftsleistung hat sich nur stabilisiert. In Europa dagegen geht diese Verschuldung selbst in den starken Ländern nach oben, in den Peripherieländern passiert das gar im Eiltempo. Da wird es laufend schlimmer. In Japan sehe ich ebenfalls keinen Erfolg der finanziellen Repression. Dort wird die Konjunktur so lange relativ gut laufen, wie Konjunkturprogramme aufgelegt werden. Aber auch deren Halbwertzeit ist begrenzt.
Es bliebe Enteignung.
Felix Zulauf: Das wird irgendwann die Folge sein, wenn alles andere nichts nutzt. Man wird spezielle Steuern erheben, es wird eine Umverteilung vom privaten auf den öffentlichen Sektor geben. Das kommt alles, leider.
Die Geldpolitik war ein Katalysator für die zunehmende Spaltung der Gesellschaft. Ist es nicht gerecht, jene zur Kasse zu bitten, die nahezu leistungslos von der Geldpolitik der letzten Jahre profitiert haben?
Felix Zulauf: Diese Spaltung ist die Konsequenz einer fehlgeleiteten Wirtschaftspolitik, wie wir sie schon seit Jahrzehnten verfolgen können, vor allem im angelsächsischen Raum, aber immer mehr auch in Europa. Das Problem daran ist, dass das von Ihnen zitierte leistungslos erworbene Vermögen dann schon längst über alle Berge ist. Zur Kasse gebeten werden letztlich die Leistungsträger der Gesellschaft, also jene, die unternehmerisches Risiko eingegangen sind, Arbeitsplätze und Wohlstand geschaffen haben. Wollen Sie, dass niemand mehr diesen Weg einschlägt; dass jeder sich lieber als Staatsbeamter durchs Leben schlägt? Ist das die Lösung? Das ist nicht meine Meinung, aber es ist die populistische Antwort. Und da wir in populistischen Zeiten leben, fürchte ich, dass es genau diese Antwort geben wird.