Felix und Roman Zulauf "Erholungsfantasien sind eine Fata Morgana"

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US-Staatsanleihen

Anleihemärkte unter Druck

Inflationsgeschützte US-Staatsanleihen, kurz TIPS, sind noch stärker eingebrochen als normale Anleihen. Ist das nicht eher ein Indiz für steigende Deflationsgefahr und weniger für wirtschaftliche Erholung?

Felix Zulauf: So deute ich das auch. Aber das spielt im Moment nicht die Hauptrolle an den Bondmärkten. Dort gilt derzeit nur das Motto: Rette sich, wer kann. Es geht um Verlustbegrenzung. Die jüngsten Verluste waren ja kein Pappenstiel. In den vergangenen fünf bis sechs Wochen ist die Rendite einer zehnjährigen US-Staatsanleihe – und das ist noch einer der Bonds, der am wenigsten gelitten hat – um 100 Basispunkte angestiegen. Anleger haben binnen weniger als zwei Monaten mehr als drei Jahreskupons verloren. Das ist brutal. Immer, wenn es kracht, wenn die Märkte gegen sie laufen, dann müssen Anleger ihre Risiken reduzieren und Positionen runterfahren. In den Bondmärkten stecken gewaltige Summen und es gibt kaum noch Gegenparteien, die kaufen wollen oder können. Das können die Notenbanken zusammen gar nicht alles aufnehmen. Also drückt das die Rendite nach oben.

Wann endet der Renditeanstieg?

Felix Zulauf: Wenn die Konjunktur wirklich so gut laufen sollte in den USA, wie es die Finanzmärkte glauben, wenn die Lage in Europa sich stabilisiert und wenn es auch in Japan fantastisch aufwärts ginge, dann müsste der Zins solange steigen, bis er die Konjunktur wieder abwürgt. Vermutlich wird die Weltkonjunktur aber nicht annähernd so gut sein wie erwartet. Eher das Gegenteil wird eintreten. Der Renditeanstieg wird sich irgendwann erschöpfen, wahrscheinlich im Lauf des Sommers.

Auf welchem Renditeniveau?

Felix Zulauf: Genau weiß ich das nicht. Ich kann mir vorstellen, dass das bei zehnjährigen US-Treasuries so bei etwa drei Prozent sein wird. Viel schlimmer trifft es jetzt jene Länder, deren Finanzierung stark vom Ausland abhängig ist, also vor allem Schwellenländer mit hohen strukturellen Leistungsbilanzdefiziten.

Warum?

Felix Zulauf: Wenn die Gelder, die ins Land geflossen sind, um das Defizit zu finanzieren, wieder rausfließen, dann wird die Währung schwächer. In einer ersten Phase wollen die Länder ihre Währung stützen, weil sie alle noch Inflation haben. Denn wenn die Währung noch schwächer wird, werden Importe teurer, die Inflation geht noch weiter nach oben und hat man noch größere soziale Konflikte. Also stützen sie...

...indem sie die Zinsen anheben.

Felix Zulauf: Dann bekommen sie aber eine schwächere Konjunktur. Mit der Zeit können sie die Zinsen nicht mehr oben halten und die Währung fällt weiter. Solche Länder kommen in eine furchtbare Situation. Diese Volkswirtschaften gehen alle in die Rezession.

Welche Schwellenländer sind besonders gefährdet?

Roman Zulauf: Besonders gefährdet sind Länder wie die Türkei, Brasilien oder Polen. Die haben in den vergangenen Jahren viel Kapital aus dem Ausland angezogen. Ihre Währungen haben aufgewertet. Die Notenbanken mussten dort dagegenhalten. Sie haben versucht, die Zinsen zu drücken, um die Anlage in ihren Ländern und die Währungen weniger attraktiv zu machen. Damit hat sich ein binnenwirtschaftlicher, aber fremdfinanzierter Boom entwickelt. Dieser Boom geht nun zu Ende, weil der Film jetzt plötzlich rückwärts läuft. Die Gelder fließen ab, entsprechend gehen die Zinsen hoch. Im Ergebnis platzt der Kreditboom, und das drückt die Konjunktur.

Wurde der Boom nicht maßgeblich befeuert durch die Geldpolitik in den USA?

Roman Zulauf: Ja, sie war der Ausgangspunkt der Entwicklung. Weil die klassischen festverzinslichen Anlagen in Ländern mit Leitungsbilanzüberschüssen wie Deutschland fast keine Rendite mehr gebracht haben, ging weltweit eine Jagd nach immer attraktiveren Renditen los. Die Anleger wurden dabei immer mutiger und risikofreudiger.

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