Die US-Notenbank Fed will zurück zur Normalität, baut ihre Bilanzpositionen ab und hebt die Zinsen an.
Die Fed schon. Was die Europäische Zentralbank aber betreibt, ist eigentlich kriminell. Das ist unglaublich angesichts der Konjunkturlage und hat überhaupt nichts mehr mit vernünftiger, auf Stabilität ausgerichteter Geldpolitik zu tun. Die EZB wird früher oder später den Weg der Fed einschlagen. Je länger sie damit wartet und je höher die Inflationsraten steigen, umso größer wird der Druck. In den nächsten ein, zwei Jahren werden alle großen Notenbanken versuchen, ihre Politik zu normalisieren.
Das bedeutet Entzug von Liquidität und höhere Zinsen.
Und das fürchten die Aktienmärkte. Je tiefer die Zinsen, desto höher die Bewertung von Aktien – und umgekehrt. Steigende Zinsen sind dann irgendwann Gift. Normalerweise gehen in einem Konjunkturanstieg Aktien und Zinsen parallel nach oben – bis zu einem Punkt, wo es anfängt, weh zu tun. Der ist erreicht, wenn sich die Liquidität negativ verändert. Die Frage ist, ob wir schon dort sind oder nicht. Ich glaube, dass wir diesen Punkt im Lauf der nächsten zwölf Monate erreichen. Aktuell gehe ich von einer mittelfristigen Korrektur aus, deren erster Tiefpunkt gesetzt ist. Bis in den März hinein wird es Erholungsversuche geben, die aber wohl scheitern werden. Im zweiten Quartal könnte es dann zu einer zweiten Verkaufswelle kommen, die etwas tiefer geht als am vorvergangenen Freitag. Dann dürfte die Korrektur vorbei sein. Für den Rest des Jahres werden die Börsen dann wieder versuchen, nach oben zu krabbeln. Aber das werden nicht mehr alle Märkte schaffen.
Welche schaffen es, welche nicht?
In den USA könnte es neue Höchstkurse geben, in einigen Schwellenländern auch, aber nicht in Europa. Europa ist die schwächste Region von allen. Der Stoxx Europe 600 notiert zehn Prozent unter dem Stand von vor drei Jahren. Europa ist die einzige Region, die in der Breite kein neues Hoch gemacht hat.
Warum?
Das hat wahrscheinlich mit der politischen Entwicklung zu tun, weil die Weichen fast überall falsch gestellt werden. Die Politik in Europa versucht etwas, was für den gesamten Kontinent katastrophal ist.
Was wird versucht?
Der Bau eines zentralistischen Imperiums. Das ist Sozialismus pur, den wir hier bekommen. Die Europäer machen einen Riesenfehler, weil sie die Entscheidungsgewalt in die Hände einer völlig verblendeten politischen Elite legen, die glaubt, sie müsse die Vereinigten Staaten von Europa bauen. Der Brexit ist ein Produkt dieser Entwicklung. Jetzt gehen die Briten raus, eine Volkswirtschaft, die so groß ist wie die 20 kleinsten EU-Mitglieder zusammen. Wir verlieren das Land, das am meisten für Marktwirtschaft und Freiheit plädiert hat und zugleich den zweitgrößten Nettobeitragszahler der EU. Ich bin sehr für eine europäische Idee, für Zusammenarbeit und Kooperation, aber unter souveränen Nationalstaaten. Die Schweiz macht das ja eigentlich vor. Es geht mit verschiedenen Minderheiten und Kulturen, wenn man genügend Föderalismus zulässt.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gilt als großer Hoffnungsträger für Europa.
Er hat in kurzer Zeit einiges erreicht und ein paar wichtige Reformen gemacht, die gut sind für Frankreich. Er ist ein gewiefter Bursche und sieht, dass er die deutschen Politiker über den Tisch ziehen kann. Macron interessiert sich für Frankreich. Er hat gezeigt, dass er – wie alle französischen Politiker schon immer – ein Nationalist ist und kein großer Europäer. Er hat sein Veto eingelegt gegen die Übernahme der Schiffswerft STX durch die italienische Fincantieri. Er hat kein Interesse, Souveränität an eine europäische Institution abzugeben, sondern will an den deutschen Honigtopf, an die deutschen Gelder. Die sollen ihm helfen, Frankreich zu reformieren und umzubauen. Die deutsche Politik unter Angela Merkel ist dagegen eine Katastrophe. Sie hat die CDU von einer liberal-konservativen Partei zu einer sozialdemokratischen Partei gemacht. Sie hat überall nachgegeben, als Verträge über Europa gebrochen worden sind. Frau Merkel hat Tür und Tor geöffnet für eine Fehlentwicklung auf unserem Kontinent, die für die nachfolgende Generation eine Katastrophe sein wird. Der Aktienmarkt zeigt das an.
Werden die Märkte irgendwann an der Rolle Deutschlands als Stabilitätsanker Europas zweifeln? Dann müssten die Renditen hier stärker nach oben gehen als anderswo.
Deutschland hat einen großen Leistungsbilanzüberschuss. In der Regel drückt das die Zinsen für ein Land nach unten. Deutschland ist volkswirtschaftlich nach wie vor stark. Es wird zwar geschwächt, weil man über viele Jahre mit einer zu schwachen Währung operiert hat. Dadurch ist man aktuell noch in einer großartigen Wettbewerbsposition, läuft aber Gefahr, dass man zu träge wird und nicht mehr genug an der Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit arbeitet. Das zeigen jetzt auch die Tarifabschlüsse. Da war man zu großzügig.