Felix Zulauf "Dann gibt es Löcher im Markt"

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"Macron will an den deutschen Honigtopf"

Die US-Notenbank Fed will zurück zur Normalität, baut ihre Bilanzpositionen ab und hebt die Zinsen an.
Die Fed schon. Was die Europäische Zentralbank aber betreibt, ist eigentlich kriminell. Das ist unglaublich angesichts der Konjunkturlage und hat überhaupt nichts mehr mit vernünftiger, auf Stabilität ausgerichteter Geldpolitik zu tun. Die EZB wird früher oder später den Weg der Fed einschlagen. Je länger sie damit wartet und je höher die Inflationsraten steigen, umso größer wird der Druck. In den nächsten ein, zwei Jahren werden alle großen Notenbanken versuchen, ihre Politik zu normalisieren.

Das bedeutet Entzug von Liquidität und höhere Zinsen.
Und das fürchten die Aktienmärkte. Je tiefer die Zinsen, desto höher die Bewertung von Aktien – und umgekehrt. Steigende Zinsen sind dann irgendwann Gift. Normalerweise gehen in einem Konjunkturanstieg Aktien und Zinsen parallel nach oben – bis zu einem Punkt, wo es anfängt, weh zu tun. Der ist erreicht, wenn sich die Liquidität negativ verändert. Die Frage ist, ob wir schon dort sind oder nicht. Ich glaube, dass wir diesen Punkt im Lauf der nächsten zwölf Monate erreichen. Aktuell gehe ich von einer mittelfristigen Korrektur aus, deren erster Tiefpunkt gesetzt ist. Bis in den März hinein wird es Erholungsversuche geben, die aber wohl scheitern werden. Im zweiten Quartal könnte es dann zu einer zweiten Verkaufswelle kommen, die etwas tiefer geht als am vorvergangenen Freitag. Dann dürfte die Korrektur vorbei sein. Für den Rest des Jahres werden die Börsen dann wieder versuchen, nach oben zu krabbeln. Aber das werden nicht mehr alle Märkte schaffen.

Welche schaffen es, welche nicht?
In den USA könnte es neue Höchstkurse geben, in einigen Schwellenländern auch, aber nicht in Europa. Europa ist die schwächste Region von allen. Der Stoxx Europe 600 notiert zehn Prozent unter dem Stand von vor drei Jahren. Europa ist die einzige Region, die in der Breite kein neues Hoch gemacht hat.

Warum?
Das hat wahrscheinlich mit der politischen Entwicklung zu tun, weil die Weichen fast überall falsch gestellt werden. Die Politik in Europa versucht etwas, was für den gesamten Kontinent katastrophal ist.

Was wird versucht?
Der Bau eines zentralistischen Imperiums. Das ist Sozialismus pur, den wir hier bekommen. Die Europäer machen einen Riesenfehler, weil sie die Entscheidungsgewalt in die Hände einer völlig verblendeten politischen Elite legen, die glaubt, sie müsse die Vereinigten Staaten von Europa bauen. Der Brexit ist ein Produkt dieser Entwicklung. Jetzt gehen die Briten raus, eine Volkswirtschaft, die so groß ist wie die 20 kleinsten EU-Mitglieder zusammen. Wir verlieren das Land, das am meisten für Marktwirtschaft und Freiheit plädiert hat und zugleich den zweitgrößten Nettobeitragszahler der EU. Ich bin sehr für eine europäische Idee, für Zusammenarbeit und Kooperation, aber unter souveränen Nationalstaaten. Die Schweiz macht das ja eigentlich vor. Es geht mit verschiedenen Minderheiten und Kulturen, wenn man genügend Föderalismus zulässt.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gilt als großer Hoffnungsträger für Europa.
Er hat in kurzer Zeit einiges erreicht und ein paar wichtige Reformen gemacht, die gut sind für Frankreich. Er ist ein gewiefter Bursche und sieht, dass er die deutschen Politiker über den Tisch ziehen kann. Macron interessiert sich für Frankreich. Er hat gezeigt, dass er – wie alle französischen Politiker schon immer – ein Nationalist ist und kein großer Europäer. Er hat sein Veto eingelegt gegen die Übernahme der Schiffswerft STX durch die italienische Fincantieri. Er hat kein Interesse, Souveränität an eine europäische Institution abzugeben, sondern will an den deutschen Honigtopf, an die deutschen Gelder. Die sollen ihm helfen, Frankreich zu reformieren und umzubauen. Die deutsche Politik unter Angela Merkel ist dagegen eine Katastrophe. Sie hat die CDU von einer liberal-konservativen Partei zu einer sozialdemokratischen Partei gemacht. Sie hat überall nachgegeben, als Verträge über Europa gebrochen worden sind. Frau Merkel hat Tür und Tor geöffnet für eine Fehlentwicklung auf unserem Kontinent, die für die nachfolgende Generation eine Katastrophe sein wird. Der Aktienmarkt zeigt das an.

Was Anlegern 2018 die Partylaune verderben könnte
Aggressive Zinserhöhungen der US-NotenbankenWegen des kräftigen US-Wachstums könnte die US-Notenbank die Zinsen schneller anheben als gedacht. Analysten rechnen bislang meist damit, dass die Fed den Schlüsselsatz 2018 wie von ihr signalisiert drei Mal anhebt. Eine aggressivere Straffung der Geldpolitik würde die Renditen der Staatsanleihen nach oben treiben, sagt Portfolio-Manager Paul Nolte vom Vermögensverwalter Kingsview. Dadurch würden Bonds zu einer ernstzunehmenden Anlage-Alternative zu Aktien. Quelle: REUTERS
Anstieg der InflationAls möglichen Auslöser für eine raschere Straffung der Geldpolitik sehen Experten einen kräftigen Anstieg der Inflation. "Dies könnte für die Aktien- und Anleihemärkte zu einem Wendepunkt werden", betonen die Analysten der Bank of America Merrill Lynch. In Europa könnte die anziehende Teuerung die Diskussion um einen raschen Ausstieg der Europäischen Zentralbank (EZB) aus ihrem Anleihe-Ankaufprogramm befeuern. Quelle: dapd
WahlenDie für März erwartete Parlamentswahl in Italien ist für Raphael Chemla, Leiter Finanz- und Hochzinsanleihen beim Vermögensverwalter Edmond de Rothschild, das größte politische Risiko in Europa. Ein Sieg der europakritischen Fünf-Sterne-Bewegung würde Anleger nervös machen. In den USA werden im Herbst Teile des Kongresses neu gewählt. "Sollten die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus, im Senat oder in beiden Kammern verlieren, wäre das ein großer Belastungsfaktor für die Märkte", warnt John Praveen, Chef-Anleger des Vermögensberaters Prudential. Denn damit werde es für US-Präsident Donald Trump schwerer, seine Wahlversprechen umzusetzen. Quelle: dpa
Politische SpannungenWiederaufflammende Spannungen zwischen den USA und Nordkorea sowie im Nahen Osten sind nach Ansicht von Keith Leiner, Chef-Analyst des Vermögensverwalters SunTrust, ebenfalls große politische Risikofaktoren für die Aktienmärkte. "Außerdem schwingt das Pendel weltweit in Richtung Populismus und Nationalismus." Quelle: dpa
Überzogene BewertungenViele Firmen erhoffen sich zwar durch die jüngst beschlossenen US-Steuersenkungen zusätzliche Gewinne im kommenden Jahr. Einige Experten bezweifeln jedoch, dass der Anstieg ausreicht, um die bereits hohen Aktienbewertungen zu rechtfertigen. Im US-Index S&P 500 liegt das durchschnittliche Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) bei 18,5. Das bedeutet, dass der Aktienkurs den Gewinn je Aktie um das 18,5-fache übertrifft. Das ist der höchste Wert seit 2002. Im Dax liegt das KGV mit 16,2 ebenfalls über dem langjährigen Mittel von rund 15. Das Risikobarometer der Citigroup signalisiere eine 60-prozentige Wahrscheinlichkeit eines Rückgangs der Aktienkurse 2018, sagt Tobias Levkovich, Chef-Anlagestratege für die USA bei der Großbank. Quelle: AP
Turbulenzen bei Bitcoin & Co.Die große Unbekannte für die Aktienmärkte ist die Entwicklung des Bitcoin. Der Kurs der Cyber-Devise stieg bis Mitte Dezember 2017 auf fast 20.000 Dollar. Diese Aufwärtsdynamik verpuffte jedoch im neuen Jahr, der Bitcoin fiel wieder auf rund 7000 Dollar. Mitte Februar notierte die Kryptowährung wieder um die 10.000 Dollar. Die Schwankungen spiegeln wider, dass große Unsicherheit unter den Anlegern herrscht und immer mehr professionelle Anleger auf dem engen Markt mitmischen, die ihr Portfolio jenseits des Aktienmarktes breiter aufstellen wollen. Quelle: REUTERS

Werden die Märkte irgendwann an der Rolle Deutschlands als Stabilitätsanker Europas zweifeln? Dann müssten die Renditen hier stärker nach oben gehen als anderswo.
Deutschland hat einen großen Leistungsbilanzüberschuss. In der Regel drückt das die Zinsen für ein Land nach unten. Deutschland ist volkswirtschaftlich nach wie vor stark. Es wird zwar geschwächt, weil man über viele Jahre mit einer zu schwachen Währung operiert hat. Dadurch ist man aktuell noch in einer großartigen Wettbewerbsposition, läuft aber Gefahr, dass man zu träge wird und nicht mehr genug an der Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit arbeitet. Das zeigen jetzt auch die Tarifabschlüsse. Da war man zu großzügig.

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