Finanzapp im Selbstversuch Wie hilfreich ist der Finanzguru wirklich?

Quelle: Privat

Der US-Bezahlriese Paypal investiert eine zweistellige Millionensumme in das deutsche Fintech Finanzguru. Dessen App ist mehr als das bessere Haushaltsbuch: Sie könnte ein echter Partner in Finanzfragen werden, wie ein Selbstversuch zeigt.

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Deutschlands Fintech-Szene bekommt neuen Schwung: Paypal steigt bei Finanzguru ein. Über seine Wagniskapitaltochter Paypal Ventures investiert der US-Bezahlriese 13 Millionen Euro in das deutsche Unternehmen. Zuerst hatte das Start-up-Magazin „Gründerszene“ über den Deal berichtet. Finanzguru wurde im Jahr 2015 von den Zwillingen Alexander und Benjamin Michel gegründet. Die Idee dahinter: Eine Art digitales Haushaltsbuch, das mehrere Bankkonten bündelt. Nach dem Einstieg von PayPal wird das Unternehmen Berichten zufolge mit einer Summe von 70 bis 80 Millionen Euro bewertet. Aber welchen Mehrwert liefert der Finanzguru seinen Nutzern? WiWo-Redakteur Niklas Hoyer hat es getestet.

Wer hat sich noch nicht zu Monatsende gefragt, wo das ganze Geld gelandet ist? Gerade jetzt, bei der hohen Inflation. Die App Finanzguru will mich der Antwort deutlich näher bringen. Schafft Sie das wirklich? Ein Selbstversuch soll die Antwort liefern.

Nachdem ich der App Zugriff auf meine Konto- und Depotbuchungen gegeben habe, wertet sie diese aus. In der Plus-Version (sieben Tage kostenlos zur Probe, dann 2,99 Euro monatlich) blickt sie auch unbegrenzt in die Vergangenheit, soweit Daten verfügbar sind. Bei meiner Direktbank kann ich so immerhin Buchungen aus zwölf Monaten einsehen.

Hochsensible Daten: ausreichend geschützt?

Einer App Zugriff auf meine Zahlungsdaten zu geben, ist für mich eine gewisse Hürde. Viele Transaktionen gewähren schließlich recht genauen Einblick in mein Verhalten: Wo war ich? Was habe ich dort gemacht? Doch Finanzguru beruhigt mich: Der Datenschutz soll höchsten Standards genügen, nach den gleichen Vorgaben wie bei Kreditkartenanbietern und Banken. Meine Daten sollen ausschließlich in Deutschland gespeichert werden und kein Dritter soll Zugriff darauf haben, solange ich nicht aktiv einwillige.

von Philipp Frohn, Julia Groth, Niklas Hoyer, Saskia Littmann

Natürlich kann ich die Buchungen auch direkt bei meiner Bank online abfragen. Aber Finanzguru bringt Ordnung rein: Die App erkennt Vertragsbeziehungen mit regelmäßigen Ausgaben und nutzt diese sogar für eine Prognose künftiger Zahlungen. Das ist Teil des Geschäftsmodells, denn so soll ich auf günstigere Verträge hingewiesen werden. Beim Wechsel könnte Finanzguru per Provision mitverdienen.

Aus dem Essensbeitrag wird eine Spende

Bei Versicherungen fragt die App meine persönlichen Lebensumstände ab und zeigt mir dann an, ob ich alle für mich existenziellen Policen habe. Das Ganze ist gut gemacht. Gegen einen Maklerauftrag würde Finanzguru noch die Konditionen meiner Policen bei den Anbietern erfragen und mir dann Alternativen unterbreiten. Dies würde über den Maklerpool Jung DMS & Cie. laufen; bei Finanzguru selbst ist die Deutsche Bank als Investor und Partner an Bord - und nun eben auch PayPal. Vorerst reichen mir aber die Analysen für meine eigenen Zwecke.

Auch Einnahmen und Ausgaben ordnet die App meist wie von Zauberhand in Kategorien ein: Supermarkt, Bekleidung oder Fitnessstudio etwa. Ich erhalte eine Liste mit allen meinen Verträgen und deren laufenden Kosten, je nach Zahlungsintervall. Steigt der Beitrag eines Vertrags, weist die App darauf hin. Selbst Dividendenzahlungen von Aktiengesellschaften erkennt sie oder laufende Sparpläne. Ganz selten stelle ich Fehler fest. So wird der Mittagessensbeitrag für mein Kind im Grundschulalter von der Caritas eingezogen. Eine „Spende“ ist er trotzdem nicht. Ich kann das aber schnell korrigieren. 

Sechs Prozent für Urlaub und Reisen

Immer wieder bin ich positiv überrascht. So kann ich sogar mein Nutzerkonto beim Zahlungsdienstleister PayPal mit Finanzguru auslesen. Ganz ausgereift scheint das noch nicht zu sein, so wird hier ein „Beta“-Status angezeigt – offenbar feilt die App noch an der Datenverbindung. Doch im Selbstversuch klappte auch dies schon gut. Dabei erkennt Finanzguru auch, wenn zum Beispiel Einkäufe per Kreditkarte oder PayPal bezahlt worden sind und dann später vom Girokonto ausgeglichen werden. Solche Umbuchungen schließt die App bei den Analysen aus, zählt sie also nur einmal, nicht doppelt.

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Im Ergebnis kann ich so Monat für Monat verfolgen, wie viel ich in welchen Kategorien ausgebe: 37 Prozent im Schnitt für Miete und Haushalt, knapp sechs Prozent für Urlaub und Reisen. Ich fühle mich plötzlich sehr orientiert, ganz ohne ein lästiges Haushaltsbuch. Meine Konsumausgaben werden als Säulendiagramm angezeigt: ein stabiler Aufwärtstrend. Hm. Das muss diese Inflation sein. Selbst die Wertentwicklung meines Depots kann ich verfolgen; bei meiner Bank gibt es diesen Service nicht. Der Chart verläuft derzeit entgegengesetzt zu meinen Konsumausgaben. Aber das wundert mich im Moment eher wenig.

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Den kostenpflichtigen Plus-Service habe ich nach dem Probezeitraum gekündigt. Mir reichen die kostenfreien Analysen aus. Außerdem konnte ich während des Probezeitraums alle Auswertungen als Excel-Datei exportieren. Wer möchte, kann sich die Vergangenheitsdaten so abspeichern und hat dann auch später noch Zugriff darauf. Sollte ich doch wieder tiefer in die Analyse einsteigen wollen und mehr Zugriff brauchen, könnte ich die Plus-Option reaktivieren.

Hilfe bei der Steuererklärung?

Einige Ausbaustufen liegen bei Finanzguru auf der Hand. So ließe sich beispielsweise die Steuererklärung wie von Zauberhand mit den von Finanzguru ausgewerteten Daten füllen: Versicherungsbeiträge, berufliche Ausgaben, sonstige Einkünfte. In Kombination mit den automatisch abrufbaren Daten aus der Lohnsteuerbescheinigung wäre nicht mehr viel Nacharbeit nötig. Ähnlich läuft es beispielsweise bei der App Finanzblick aus dem Buhl-Verlag, die eine Anbindung an die Steuersoftware Wiso Steuer hat. Noch aber ist das Zukunftsmusik. Zwar haben Nutzer von Finanzguru im unternehmenseigenen Forum schon eine entsprechende Idee geäußert. Doch das Team hinter der App hält sie bislang für technisch schwer umsetzbar. 

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Womöglich ist das letzte Wort hier noch nicht gesprochen. Die Gründer von Finanzguru, darunter die Zwillinge Benjamin und Alexander Michel, haben durchaus Ambitionen. Für Bekanntheit sorgte auch ihr Auftritt in der TV-Show „Die Höhle der Löwen" im Jahr 2018. Carsten Maschmeyer investierte eine Million Euro. Heute zeigen mehr als 500.000 registrierte Nutzerinnen und Nutzer, dass Finanzguru offenbar eine Lücke füllt. Die Herausforderung wird nur sein, die Nutzer wirklich fest an die App zu binden. Dafür muss sie laufend einen Mehrwert bieten. Mein Fazit des Selbstversuchs: Die App bringt Ordnung in die Finanzen, vor allem bei laufenden Ausgaben. Nutzer gewinnen Überblick über ihre Verträge und deren Kosten. So können sie Einsparpotenziale erkennen. Für mich ist das eine echte Hilfe.

Transparenzhinweis: Dieser Artikel erschien erstmals im September 2022 . Er wurde im Zuge aktueller Entwicklungen am 4. April 2023 redaktionell aktualisiert.

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