Finanzaufsicht BaFin Anlegerschutz ohne Samthandschuhe

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Schulterschluss mit Verbraucherschützern

Zwar hat die BaFin hier bislang noch keine pauschalen Produktverbote verhängt, aber andere Instrumente des Kleinanlegerschutzgesetzes genutzt: Die Aufseher haben den Vertrieb einzelner Investments gestoppt, die Öffentlichkeit vor dubiosen Offerten gewarnt und Finanzdienstleister ermahnt, weniger aggressiv zu werben.

Im März bekam die Lignum Sachwert Edelholz AG, ein Anbieter von Waldinvestments aus Berlin, die härtere Gangart zu spüren. Die Aufseher stoppten den Vertrieb von Investments in bulgarische Edelholzplantagen. Lignum meldete wenige Wochen später Insolvenz an und warf der BaFin vor, sie habe die Firma „zerstört“ und „Kollateralschäden“ für rund 5000 Anleger in Kauf genommen.

Lignum sei infolge des Kleinanlegerschutzgesetzes verpflichtet gewesen, für ihre Angebote Prospekte zur Prüfung vorzulegen, teilte die BaFin auf Anfrage der WirtschaftsWoche mit. Diese hätten die gesetzlichen Bestimmungen jedoch nicht erfüllt. Man habe aber keinesfalls ein generelles Vertriebsverbot verhängt. „Mit einem gebilligten Verkaufsprospekt hätte Lignum den Vertrieb jederzeit wieder aufnehmen können.“ Dazu war Lignum aber offenbar nicht in der Lage.

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Die BaFin darf nicht nur einschreiten, wenn sie Prospekte geprüft hat – sie darf auch vor dubiosen Offerten warnen, damit sich ein Fall à la Infinus nicht wiederholt. So teilte die Behörde im April zum Beispiel mit, dass die „Nerver2hot – Bio-Farm-Investment Co. Ltd., Thailand“ offenbar „öffentlich Vermögensanlagen ohne Verkaufsprospekt“ anbiete. Nerver2hot versprach „bis zu 9 % Zinsen“ mit Zitronen und anderen biologisch angebauten Produkten.

Die Finanzaufsicht stoße bei der „Marktüberwachung“ immer wieder auf Vermögensanlagen, für die kein Prospekt eingereicht wurde, sagt BaFin-Sprecherin Anja Schuchhardt. „Bevor wir ein Angebot untersagen können, sind aber mehrere Verfahrensschritte erforderlich.“ Zum Verfahren gehöre „mindestens eine Anhörung mit entsprechender Frist. Kontaktaufnahme und Korrespondenz mit Unternehmen, die ihren Sitz im (außereuropäischen) Ausland haben, sind dabei naturgemäß schwieriger.“

Um früh von dubiosen Offerten zu erfahren, arbeitet die Behörde eng mit Verbraucherschützern zusammen. Die „Marktwächter“, ein Zusammenschluss der Verbraucherzentralen, haben seit dem Startschuss im März 2015 rund 6800 „auffällige Meldungen von Verbrauchern“ ausgewertet, teilten sie vergangene Woche mit – unter anderem zu „Graumarktprodukten“ und Lebensversicherungen. Bei besonders verdächtigen Offerten schalten sie die BaFin ein.

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Der Grünen-Finanzpolitikerin Nicole Maisch reicht das nicht – sie will BaFin und Marktwächter auch formal verzahnen, damit Warnungen nicht „ungehört verhallen“. Dies scheint allerdings bislang nicht der Fall zu sein. Christian Ahlers, zuständiger Projektleiter bei den Verbraucherzentralen, lobte im Mai den „offenen und vertrauensvollen Umgang“ mit der BaFin.

Dass die Koalition funktioniert, zeigte sich zuletzt vor zwei Wochen: Nach einem Hinweis der Marktwächter ordnete die BaFin Mitte August die Abwicklung der SPS Bank an. Das Geldhaus hatte Sofortkredite angeboten, ohne dafür eine Lizenz zu besitzen. Kunden sollten Vorabgebühren von 450 Euro auf ein niederländisches Konto überweisen.

Darüber hinaus informieren die Marktwächter die BaFin, wenn Anbieter aggressiv für Geldanlagen werben. Dies ist laut einer aktuellen Studie der Verbraucherzentrale Hessen (VZH) besonders auf dem grauen Kapitalmarkt weit verbreitet: 77 von 91 überprüften Print- und Onlineanzeigen hätten die Chancen der jeweiligen Geldanlagen „einseitig hervorgehoben“, sagt Wolf Brandes von der VZH. „Risiken werden häufig zwar erwähnt, aber nicht angemessen dargestellt.“

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Auch in solchen Fällen kann die BaFin neuerdings eingreifen. Denn mit dem Kleinanlegerschutzgesetz haben die schwarz-roten Koalitionäre zugleich strengere Vorgaben für die Werbung im Finanzbereich erlassen – und den Aufsehern erlaubt, allzu plakative Slogans zu verbieten.

Das war bislang noch nicht nötig. Es habe stets gereicht, „die betroffenen Anbieter auf den Verstoß aufmerksam zu machen“, so BaFin-Sprecherin Schuchhardt. Sie hätten die bemängelte Werbung dann freiwillig geändert.

Wenn es gut läuft, muss die BaFin ihre Waffen also gar nicht zücken, damit die Anbieter Mindestkriterien in Sachen Anlegerschutz einhalten. Es reicht, dass ihr ein entsprechendes Arsenal zur Verfügung steht.

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