Finanzberater Transparenz oder Provisionsverbot?

Die EU will Vermittler von Anlageprodukten strenger regulieren. Ein Provisionsverbot ist zwar vom Tisch. Doch in Europas Staaten sind weiter uneins, ob mehr Transparenz Verbraucher vor Falschberatung schützt.

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Ein Beratungsgespräch Quelle: Fotolia

Seit den herben Verlusten, die viele Privatanleger durch die Pleite der einst schillernden Großbank Lehman Brothers erlitten, stehen Vermittler von Geldanlageprodukten unter Generalverdacht: Sie sollen Produkte nur wegen ihrer hohen Provisionen empfehlen. Fallbeispiele, in denen Produkte angepriesen wurden, die weder zum Bedarf noch zur Risikoneigung des Kunden passen, gab es zuhauf. Der Ruf nach strengeren Regeln für Finanzberater und verbessertem Verbraucherschutz sorgte sowohl in den nationalen Parlamenten, auf Ebene der Europäischen Union und sogar auf den G20-Gipfeln für langwierige und kontrovers geführte Debatten.

Aber bislang wurde nur wenig beschlossen und noch weniger umgesetzt. Das soll sich in diesem Jahr ändern. Viele neue Regeln und Vorschriften sind in Vorbereitung. Für besondere Unruhe hat der Plan der EU-Kommission gesorgt, ein generelles Provisionsverbot einzuführen.

Der Entwurf vom Oktober 2011 für die Reform der Vermittlerrichtlinie Markets in Financial Instruments Directive (Mifid) sah vor, dass eine Anlageberatung nur dann als unabhängig von den Produktanbietern gilt, wenn der Berater ausschließlich vom Kunden bezahlt wird. Das wäre eine Steilvorlage für den noch kleinen, aber wachsenden Markt der Honorarberatungen, die nur einen Stundensatz, aber keinerlei Provisionen oder Rückvergütungen von den Produktanbietern erhalten.

Alles soll anders kommen

In Deutschland ist jedoch die unabhängige Anlageberatung auf Provisionsbasis noch immer vorherrschend. Nach der etwas ungenauen Definition der EU-Kommission wären somit die Berater, die für die Vermittlung eine Provision kassieren, als abhängig zu bezeichnen – auch wenn sie viele Produkte von unterschiedlichen Banken, Versicherungen oder Fondsgesellschaften vermitteln. In der Branche werden derlei Vermittler als Mehrfachagenten bezeichnet.

Besonders betroffen hätte die Vorschrift die schätzungsweise 300.000 Anlageberater der Banken sowie einige der großen Finanzvertriebe wie DVAG oder AWD. Das Etikett der Unabhängigkeit hätten sich dann nur noch Honorarberater anheften können. Aber jetzt soll doch alles anders kommen.

Verbraucherschützer und Honorarberater jubelten bereits, die Verbandsspitzen der Banken, Versicherungen und Finanzdienstleister waren schockiert. Jetzt kippt die Stimmung in den beiden Lagern. Dem zuständigen Berichterstatter im EU-Parlament Markus Ferber zufolge ist das generelle Provisionsverbot aus dem Entwurf für Mifid II verschwunden. Ferber ist als CSU-Europaparlamentarier der zuständige Verhandlungsführer zu dem Plan der Kommission.

Markttransparenz ist wichtig

Eine Hand mit Geld Quelle: Fotolia

Abweichend vom alten Plan der Kommission  soll es für die Verbraucher nur mehr Transparenz geben: Berater sollen vor Vertragsabschluss deutlich machen müssen, in wessen Auftrag sie den Kunden beraten und wie hoch die Provision für das jeweilige Produkt ausfällt. Um die Qualität der Anlageberatung zu verbessern, so Ferber, sei es zweitrangig, "ob ich zu einem Bankberater gehe, den ich indirekt über Provisionen bezahle, oder zu einem Honorarberater." Für eine fundierte Anlageentscheidung durch den Kunden sei vielmehr die Markttransparenz entscheidend. Damit übernimmt Ferber auch die Position der Banken. Auf Anfrage von WirtschaftsWoche Online teilte der Bundesverband der Banken mit: "Der Bankenverband bevorzugt die in Deutschland bereits gesetzlich geregelte Lösung. Danach muss die Bank bei der Beratung offenlegen, dass sie derartige Zahlungen erhält und auch die Höhe angeben. Der Kunde soll vor Abschluss eines Wertpapiergeschäfts wissen, dass die Bank auch ein eigenes Interesse hat. Der Interessenkonflikt wird hier durch Transparenz und nicht durch ein Verbot gelöst."

Zur Transparenz gehöre auch die vollständige Offenlegung der Kosten von Anlageprodukten, so Ferber. Nur dann gebe es auch keinen wesentlichen Unterschied mehr zwischen Honorar- und Bankberatung, argumentierte auch Gerhard Hofmann vom Bundesverband der deutschen Volksbanken- und Raiffeisenbanken (BVR). Dem neuen Entwurf zufolge soll es genügen, wenn die Vermittler ihre Kunden über die Provisionen und die Beschränkung der Produktvielfalt hinweisen. Allerdings scheint es höchst fraglich, ob die Berater bereits im Beratungsgespräch - etwa bei der Vorauswahl empfohlener Anlageprodukte - sämtliche Provisionszahlungen offenlegt oder letztlich nur für das Produkt, das der Kunde schließlich haben will.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen gibt sich hingegen enttäuscht. "Für uns sind Provisionen mit einer unabhängigen Finanzberatung nicht zu vereinbaren", zitiert das Handelsblatt Verbraucherschützerin Dorothea Mohn. Bei den Kritikern des neuen Entwurfs herrscht die Überzeugung, dass Provisionszahlungen eine Anlageberatung im Sinne des Kunden verhindern und Produktempfehlungen und -verkäufe immer wieder auf das finanzielle Eigeninteresse der Berater zurückgehen.

Unaufhaltsamer Trend

Dass das von EU-Kommissar Michel Barnier im vergangenen Oktober groß angekündigte generelle Provisionsverbot nun doch nicht kommen soll, ist nicht nur für die Verbraucherschützer überraschend. Denn in anderen Ländern sind Politiker längst von den Vorteilen eines Provisionsverbotes überzeugt. Großbritannien und die Niederlande haben die Einführung eines Provisionsverbotes mit Gültigkeit ab 2013 bereits beschlossen.

Der Verband der Versicherungskonzerne in den Niederlanden war es sogar selbst, der das Provisionsverbot für Versicherungsvermittler vorschlug, weil das Provisionsmodell immer auch Interessenkonflikte mit sich brächte. Niederländer zahlen ihren Finanzberatern somit ab dem Jahreswechsel ein Honorar – so wie einem Anwalt oder Heilpraktiker.

Die Deutsche Verrechnungsstelle für Versicherungs- und Finanzdienstleistungen wies zudem bereits Ende April darauf hin, dass in Finnland, Norwegen, Schweden, Dänemark, Litauen und der Schweiz ebenso wie in Großbritannien und den Niederlanden ein Provisionsverbot existiert oder in Vorbereitung ist. Daher sei kaum damit zu rechnen, dass sich dieser Trend in Europa aufhalten lässt. In Finnland etwa habe das Provisionsverbot dazu geführt, dass die unabhängigen Vermittler ihre Marktstellung gegenüber den an Versicherungen gebundenen Vermittlern deutlich stärken konnten.

Zur Offenlegung zwingen

So fühlt man dem Finanzberater auf den Zahn
Nachbarn unterhalten sich Quelle: dpa
Fangfrage 2: "Wenn etwas schief läuft, dann ersetzen Sie mir doch den Schaden?" Solch eine Versicherung gegen Verluste wünscht sich jeder Anleger, doch keine Bank mag das versprechen. Wenn ein Berater sich darauf einlässt, überschreitet er seine Kompetenzen – und will unbedingt etwas verkaufen. Dafür ist ihm jedes Mittel recht, auch eine Fehlinformation an den Kunden. Quelle: dpa
Fangfrage 3: "Welche Produkte brauche ich denn nun?"Gute Berater entwickeln eine Strategie , und sie schauen sich die Vermögens- und Finanzsituation eines Kunden an. Dann reden sie mit ihm über seine Ziele und seine Risikobereitschaft. Einzelne Produkte kommen – wenn überhaupt – immer ganz zuletzt. Berater, die sich sofort darauf einlassen, denken vor allem an ihre Provision. Diese ist häufig davon abhängig, wie viel Produkte in einem bestimmten Zeitraum von ihm verkauft werden. Quelle: dpa
Uhr Zifferblatt Quelle: dpa
Fangfrage 5: "Ich bin risikoscheu und möchte mindestens fünf Prozent Rendite. Das ist doch für Sie kein Problem?" Es sollte ein Problem für Berater sein. Wer diese Frage sofort bejaht, hat sich als unsolide geoutet. Denn fünf Prozent Rendite sind aktuell meist nur mit einem recht hohen Risiko oder anderen Nachteilen zu erzielen. Wer als Anleger gar kein Risiko möchte, muss sich aktuell eher mit einem bis zwei Prozent begnügen – den Konflikt zwischen Risiko und Rendite sollte ein Berater darstellen und nicht schamhaft überspielen. Quelle: dpa
zerrissener Euro-Schein Quelle: dpa
Fangfrage 7: "Ich vertraue Ihnen, das Kleingedruckt ist sicher in Ordnung. Wo soll ich unterschreiben?" Geldanlagen sollten gut überlegt sein. Berater, die ihren Kunden wenig Zeit lassen, wollen ein Gespräch schnell abhaken. Häufig verbergen sie diese Absicht. Durch diese Fangfrage können Anleger dem Berater auf die Schliche kommen. Jeder Berater sollte das Kleingedruckte erklären, und hinterher sollte es der Anleger noch mal lesen. Einfach zu unterschreiben, ist keinesfalls in Ordnung. Quelle: dpa

Soll die Honorarberatung also das Vermittlungsmodell der Zukunft werden – wie es auch viele Politiker in Deutschland fordern – ist ein Provisionsverbot womöglich der einzige Weg dorthin. Denn sonst droht, dass viele Anbieter von Versicherungs- und Anlageprodukten Schlupflöcher in den EU-Bestimmungen nutzen, um ihren vermeintlichen Wettbewerbsnachteil wett zu machen und um die Honorarberater zurückzudrängen.

Der jetzige Vorschlag, der Vermittler zur Offenlegung ihrer Provisionen zwingen soll, wird es in der Praxis ohnehin schwer haben. Denn auch die längst gültigen Vorschriften sind in der Praxis noch nicht wirklich angekommen. Weder hält sich jeder Berater an die Pflicht zur Erstellung eines Beratungsprotokolls, noch ist sind  Unabhängigkeit und Provisionseinnahmen immer  nachvollziehbar. Das Versicherungsmagazin zitiert eine aktuelle Umfrage, der zufolge noch immer ein Drittel der Makler ihre Beratung nicht dokumentiert.

Mehr Kontrolle durch Aufsichtsämter

Ebenfalls ein Drittel der 300 befragten Makler hat noch immer ein Problem mit der Ausweisung der Abschluss- und Nebenkosten in der Vermittlung von Lebens- und Krankenversicherungen. Und weniger als ein Drittel der Makler erfasst überhaupt die Beratungs- und Bearbeitungszeit bei der Vermittlung von Finanzprodukten. Das aber wäre zur Begründung von Provisionen ebenso wie zur Rechtfertigung von Beratungshonoraren eine notwendige Bedingung.

Letztlich liegt eine effektive Regulierung der Vermittlertätigkeiten wohl weiter in der Verantwortung der Einzelstaaten. Und in der gelebten Praxis werden Kontrollen durch Aufsichtsämter und Verbraucherschützer wohl mehr denn je dafür sorgen müssen, dass die Vorschriften in der Branche auch eingehalten werden.

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