Finanzberatung Provisionen bleiben. Schade, liebe Ampelkoalition!

Finanzberater in Deutschland sind meist Verkäufer. Dabei ginge es anders. Quelle: Getty Images

Die Finanzlobby hat kräftig gegen ein Verbot der Provisionsberatung gekämpft. Auch mit einer irreführenden Studie, schreibt Karl Matthäus Schmidt von der auf Honorarberatung spezialisierten Quirin Privatbank. Ein offener Brief an die Ampelkoalition von Honorarberater Matthäus Schmidt.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Liebe Ampel-Koalitionäre,

es klang so vielversprechend, was Ihr vorhattet: Ein Provisionsverbot in der Anlageberatung. Und dann seid Ihr – in letzter Sekunde – doch noch eingeknickt, wie alle vor Euch auch. Vermutlich hat die KPMG-Studie, die die Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken in seltener Eintracht beauftragt hatten, und die rechtzeitig vor dem Ende der Koalitionsgespräche veröffentlicht wurde, dabei eine nicht unwesentliche Rolle gespielt. 

Das ist aus Anlegersicht bitter, denn die Studie hatte natürlich von Anfang an das Ziel, zu belegen, wie unverzichtbar die für die Banken so lukrative Provisionsberatung ist. Um dieses Ziel zu erreichen, basiert die Studie auf der Annahme, dass Honorare stundenweise bezahlt würden. Diese Annahme wird immer und immer wieder ganz absichtlich herangezogen, denn ohne sie würde der Provisionslobby jedes Argument gegen eine unabhängige Honorarberatung fehlen.

Dabei entspricht diese Annahme keineswegs der Realität. So werden Verbraucher – und Politiker – absichtlich in die Irre geführt, indem Ihnen vorgemacht wird, eine unabhängige Beratung gegen Honorar sei unbezahlbar, da sie pro Stunde bezahlt werden müsse. Dabei ist das Quatsch, denn natürlich gibt es eine Alternative: Die Bezahlung auf prozentualer Basis. Überall auf der Welt gibt es unabhängige Beratung und so gut wie nie wird sie auf Stundenbasis abgerechnet, sondern meistens als prozentuales jährliches Honorar. Und genau diese Möglichkeit verschweigt die Studie bewusst.

Karl Matthäus Schmidt führt die auf Honorarfinanzberatung spezialisierte Quirin Privatbank. Quelle: PR

Immer wieder wird auch angeführt, dass es in England angeblich zu einer Beratungslücke gekommen sei. Auch das ist nicht zutreffend. Ja, es gibt seit dem selbst auferlegten Provisionsverbot weniger Produkte – weil der ganze teure Quatsch endlich vom Markt verschwunden ist. Nur die guten haben überlebt, sozusagen. Und das ist aus Sicht der Provisionslobby natürlich ein Albtraum. Denn die Produktvielfalt führt vor allem dazu, dass der Kunde ständig auf neue Investment-Alternativen angesprochen werde kann, an denen die Bank sehr gut verdient. Beratung gegen Honorar führt dazu, das mehr Ruhe einkehrt und die Qualität der Produkte steigt. 

Besonders paradox: Auch wenn in der Studie so getan wird, als müssten Honorare zwingend stundenweise gezahlt werden, hätte vermutlich niemand der Auftraggeber im „Ernstfall“ – also bei einem Provisionsverbot – auf dieses System umgestellt. Meine Prognose: Alle Geldinstitute würden bei einem Provisionsverbot auf eine prozentuale Vergütung umstellen. Sprich: Es ist doppelt widersinnig, jetzt so zu tun, als gäbe es Honorarberatung nur und ausschließlich auf Stundenbasis. Und auf dieser irreführenden Annahme eine ganze Studie fußen zu lassen, erweist allen Anlegerinnen und Anlegern in Deutschland einen Bärendienst.

von Saskia Littmann, Philipp Frohn, Niklas Hoyer, Heike Schwerdtfeger, Sascha Zastiral

Alle innovativen Geschäftsmodelle im Finanzbereich, also alle FinTechs, kommen mehr oder weniger komplett ohne Provisionen aus. Stattdessen setzen sie auf schlanke Prozesse und oft auch auf ein flexibles „Baukastenprinzip“. Schließlich ist der Beratungsbedarf in unterschiedlichen Lebenslagen unterschiedlich groß. So bucht und bezahlt der Kunde nur die Dinge, die er auch nutzt. (Versteckte) Provisionen sind Teil einer alten und immer noch sehr lukrativen Vertriebswelt, die nicht kundenorientiert ist.

Also liebe Ampelkoalitionäre: Glaubt mir, Honorarberatung für alle ist möglich. Wenn ihr Fragen habt, wie, meldet euch.

Ihr Karl Matthäus Schmidt

Zum Autor: Karl Matthäus Schmidt, 52, ist schon als Bankierssohn aufgewachsen. Mit 25 Jahren gründete er seine eigene Onlinebank, die er später erst an die Börse führte und dann an die französische Großbank BNP Paribas verkaufte. In der Folge konzentrierte Schmidt sich auf die unabhängige Honorarfinanzberatung. Schmidt - Vater von fünf Kindern - führt die heutige Quirin Privatbank als Vorstandsvorsitzender und ist Gründer der auf digitale Geldanlage (Roboadvisor) spezialisierten Tochter Quirion. Quirin betreut nach eigenen Angaben gegenwärtig rund 5,1 Milliarden Euro an Kundenvermögen.

Mehr zum Thema: Teuer und wenig hilfreich, so erlebt unser Leser die gängige Finanzberatung. Warum ist das so, fragt er sich. Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg antwortet.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%