Finanzprofessor Josef Zechner „ETFs verkaufen eine Liquiditätsillusion“

„Der gravierende Unterschied zu den aktiv gemanagten Fonds ist, dass drei Anbieter Blackrock, Vanguard und State Street den Markt dominieren. Sollte einer der großen Drei in Schieflage geraten, könnte das den gesamten ETF-Markt in eine Krise bringen“, meint Josef Zechner. Quelle: AP

Finanzprofessor Josef Zechner aus Wien sieht belegt, dass börsengehandelte Indexfonds die Finanzmärkte unsicherer machen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Herr Professor Zechner, Indexfonds sind kostengünstig, jederzeit handelbar und immer so gut wie der Markt. Ihr Vermögen wächst rasant.
Genau darin liegt die Gefahr. Im Vergleich zum gesamten US-Aktienmarkt ist das Vermögen zwar noch überschaubar. Aber an hektischen Börsentagen tragen sie fast 40 Prozent des Handels.

Woran liegt das?
Bei börsengehandelten Indexfonds, ETFs, ist der Anteil spekulativer Anleger deutlich höher als bei anderen Investmentfonds. Pro Quartal werden im Schnitt 45 Prozent aller ETFs in Wertpapierdepots umgeschlagen. Bei einzelnen Aktien sind es nur 14 Prozent. ETFs werden vor allem von Profis stark gehandelt, auch im Sekundentakt. Obwohl Profis nur 40 Prozent der ETFs halten, machen sie 80 Prozent vom Handelsumsatz.

Mit welchen Folgen für den Markt?
Aktien, die in einen der großen Indizes, aufsteigen, schwanken danach stärker als vorher. Je höher das Gewicht im Index ist, desto größer ist der Effekt. Indexfonds können also das Risiko für Anleger erhöhen. Gleichzeitig sind diese Aktien untereinander stärker korreliert. So wird die Leistung einzelner Unternehmen verwässert. Quartalsergebnisse schlagen nicht mehr voll auf den Börsenkurs durch.

Josef Zechner ist Finanzprofessor an der Wirtschaftsuniversität in Wien. Er sitzt im Beratergremium European Advisory Risk Board, das das EU-Finanzsystem beaufsichtigen soll. Zudem ist er Mitglied in der Wissenschaftlichen Leitung der Fondsgesellschaft Spängler IQAM Invest. Quelle: Presse

Die Theorie ist nicht neu. Lässt sich das auch wissenschaftlich belegen?
Ja, so haben die Wissenschaftler Zhi Da und Sophie Shive 2018 belegt, dass Aktien, die in einem Index notieren, der von ETFs kopiert wird, stärker schwanken als der Markt insgesamt. John Shim wies kürzlich nach, dass Investoren, die Gewinne aus Preisdifferenzen zwischen ETFs und deren zugrunde liegenden Aktien ziehen, die Korrelation zwischen den einzelnen Indextiteln erhöhen.

Kritik an ETFs kommt von großen Banken, die an aktiv gemanagten Fonds verdienen. Zufall?
Der gravierende Unterschied zu den aktiv gemanagten Fonds ist, dass drei Anbieter Blackrock, Vanguard und State Street den Markt dominieren. Sollte einer der großen Drei in Schieflage geraten, könnte das den gesamten ETF-Markt in eine Krise bringen.

Wenn Anleger wegen der ETFs mit höherer Volatilität bei Standardwerten rechnen müssen, können sie auf Indexfonds mit Nebenwerten ausweichen.
Im Prinzip schon. Allerdings steigen aus den großen Indizes auch Unternehmen ab. Sie finden sich dann in den Nebenwerteindizes wieder. Weil es sich meist um kriselnde Unternehmen handelt, drückt das die Performance von ETFs auf Nebenwerte.

ETFs müssen sich anpassen, wenn sich die Zusammensetzung des Index ändert.
Auch das macht sie anfällig für Spekulanten. In der Regel ist bereits Monate vorher klar, welche Unternehmen demnächst im Index auf- oder absteigen werden. Hedgefonds positionieren sich frühzeitig mit Wetten auf fallende oder steigende Kurse. Dafür nutzen sie ETFs.

Indexfonds gelten als besonders liquide.
Pauschal stimmt das nicht. In ohnehin liquiden Märkten lassen sich Einzelwerten ebenso schnell verkaufen. In marktengen Segmenten verkaufen ETFs dagegen eine Liquiditätsillusion.

Können Sie das genauer erklären?
Nehmen sie beispielsweise Hochzinsanleihen aus Schwellenländern. Als Privatanleger kämen sie wahrscheinlich nie auf die Idee, eine einzelne dieser Anleihen zu kaufen. Zu riskant. Ein ETF verschafft ihnen einen bequemen Zugang und bietet einen ganzen Korb solcher Papiere. Gerät solch ein Markt unter Druck, werden sich viele Anleger gleichzeitig von ETFs trennen wollen. Den Indexfonds fehlt dann aber die Liquidität, um schnell aus den Anleihen rauszugehen. Zusätzliche Verluste sind daher wahrscheinlich.

Indexfonds-Anbieter bringen smarte ETFs auf den Markt. Sie sollen Indexwerte nach Kriterien wie Nachhaltigkeit oder Bewertungsniveau filtern. Was halten Sie davon?
Ziel solcher smarten ETFs sind alternative Ertragstreiber wie etwa die Dividendenrendite. Im Prinzip können solche Produkte für Investoren sinnvoll sein, allerdings gibt es auch Risiken. Die smarten ETFs filtern oft auch Aktien mit negativen Eigenschaften heraus. Dividendenstarke Unternehmen wachsen beispielsweise oft langsamer. Mit alternativen Ertragstreiber kaufen sich Anleger häufig auch Eigenschaften ein, die die Aktie schlechter macht als der Markt insgesamt. Zudem besteht die Gefahr, dass Anleger öfter von einem smarten ETF-Stil zum nächsten wechseln und dabei Geld verlieren.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%