Wie erklären Sie sich die starke Korrelation von Value Aktien im Hinblick auf steigende Renditen bei Anleihen und was bedeutet eine steigende Inflation für das Value-Investing?
Wenn die Renditen steigen, weil die Wirtschaft wächst, profitieren davon vor allem Value-Aktien. Warum? Durch die Konjunkturbelebung steigt die Gewinndynamik in denjenigen Sektoren an, in denen die Erwartungen gering waren. Und die Erwartungen waren häufig deshalb gering, weil Preisdruck bestand. Ein Aufwärtstrend bei den Anleiherenditen deutet häufig darauf hin, dass die Inflationserwartungen und damit auch die Gewinnmargen steigen. Außerdem neigen Value-Aktien dazu, stärker von einem operativen Leverage zu profitieren, so dass die Auswirkungen auf die Gewinne bei einer Konjunkturbelebung vergleichsweise größer ausfallen.
Zur Person
Nicolas Simar ist Leiter der Equity Value Boutique bei NN Investment Partners. Von 1999 bis heute ist Nicolas Simar Leiter von Equity Value und Senior Portfolio Manager von Euro High Dividend bei NN Investment Partners (früher bekannt als ING Investment Management). In dieser Eigenschaft ist er verantwortlich für sämtliche Value Strategien.
Von 1996 bis 1999 war er Portfolio Manager von Fixed Income der Banque Bruxelles Lambert Asset Management (heute ebenfalls NN Investment Partners).
Simar weist einen Grad in Civil Engineering der Université Catholique de Louvain 1994 sowie einen Grad in Business Administration des Institut Français du Pétrole, Paris, aus dem Jahr 1995.
Was bedeutet das umgekehrt für Wachstumstitel?
Am anderen Ende des Spektrums stehen Growth-Aktien, die mit hohen Erwartungen befrachtet sind, unter Erfolgsdruck. Und dem können sie nicht immer gerecht werden. Bei solchen Aktien wird in der Regel mit beträchtlichen künftigen Einnahmen gerechnet. Wenn nun die Renditen steigen, fällt der Abschlag für die künftigen Unternehmensgewinne höher aus, was die aktuelle Bewertung drückt.
Würden Sie uns einen Einblick in Ihren Analyseprozess gewähren? Wie groß ist die Nähe zur klassischen Fundamentalanalyse? Wie modifizieren Sie diese?
Unsere Analysten haben ein hauseigenes Finanzmodell für die von ihnen beobachteten Unternehmen entwickelt. Wir ermitteln den fairen Wert mit Hilfe von Methoden, die auf den jeweiligen Sektor abgestimmt werden. Dazu gehören beispielsweise Discounted-Cash-Flow-Modelle (DCF), Sum-of-Parts-Analysen (auch als Breakup-Analysen bezeichnet), Dividend-Discount-Modelle (DDM) oder relative Unternehmensbewertungen. Zudem berücksichtigt unser Bewertungsmodell auch Umwelt-, soziale und Governance-Kriterien (ESG-Faktoren).
Welche Kennzahlen verwenden Sie zur Ermittlung von Unterbewertung?
Neben der oben beschriebenen Bewertungsmethode untersuchen wir Bewertungskennzahlen wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV), die freie Cashflow-Rendite, die Dividendenrendite oder Kennzahlen zum Unternehmenswert. Da viele unserer Fonds einen Fokus auf Dividenden haben, betrachten wir auch Kennzahlen zur Nachhaltigkeit der Dividenden wie beispielsweise Verschuldung und Dividendendeckung.
Einerseits wird von einer steigenden Binnennachfrage ausgegangen, andererseits gewichten Sie bestimmte Konsumgüter unter. Wie ist das zu verstehen?
Die Value-Idee steht im Mittelpunkt, es geht also um die Bewertungen. Bei Konsumgütern sind die Bewertungen unseres Erachtens sehr hoch, vor allem bei Lebensmittel- und Getränkeproduzenten sowie bei Herstellern von Hygiene- und Luxusprodukten. Diese Segmente gehören zu den Kategorien defensives Wachstum beziehungsweise geringe Volatilität, die von den quantitativen Lockerungen der Zentralbanken profitiert haben. Auch wenn das Verbraucherklima günstig ist, preisen zahlreiche Konsumgüterunternehmen Wachstumserwartungen ein, die sich wohl nur schwer realisieren lassen.