




Wenn ein international vernetzter Professor wie Helmut Siekmann von der Frankfurter Goethe-Universität, Spezialist für Geld-, Währungs- und Notenbankrecht, von „globaler Hyperliquidität“ spricht und sie als „potenziell inflationstreibend“ bezeichnet, lohnt es sich gerade in diesen Tagen, seinen Gedanken zu folgen. Hier also zunächst einige von seinen Warnungen: „Das Kernproblem der Liquidität ist nicht gelöst.“ Die enorme Geldschöpfung stamme zu mindestens 90 Prozent von Geschäftsbanken, nicht von Zentralbanken. Ein Problem sei ihre Abkopplung von der Realwirtschaft, ein weiteres bestehe darin, dass die mit ihr verbundenen Transaktionen nicht hinreichend erfasst werden können.
Als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, gibt Siekmann zusätzlich zu bedenken: „Das Geldschöpfungspotenzial ist sehr groß.“ Den Geschäftsbanken sei es möglich, immer mehr Geld „durch einen Federstrich zu schaffen“. Sogar die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, das Zentralinstitut der Notenbanken, verfüge nicht über genaue Daten dazu, was unter anderem am massiven Einsatz von Derivaten liege. Und neben der Komplexität der Finanzprodukte habe man es auch mit der Komplexität der Vorschriften zu tun.
Dreifaches Versagen
Leiden wir folglich, besonders in Europa, unter einem Geldsystem, das den Regierungen ebenso wie den Notenbanken entglitten ist? Es sieht ganz danach aus. „Wir haben keine verlässliche Institution, das Vertrauen in die Stabilität von Regeln hat stark gelitten“, resümiert Siekmann. Damit zielt er einerseits auf den Bruch des Vertrags zum Europäischen System der Zentralbanken ab; dieser Vertrag lasse keinen Spielraum für dreijährige Kredite, wie sie die Europäische Zentralbank gewährt habe. Andererseits hat er das Bundesfinanzministerium im Visier, denn um die Verlässlichkeit des deutschen Steuerrechts sei es „in den vergangenen fünf Jahren ganz schlimm geworden“.
Wie steht es um die Konsequenzen? Vor der Prognose ist eine kurze Analyse hilfreich: Die 2007 ausgebrochene internationale Finanzkrise wurde durch Kurieren an den Symptomen statt durch Packen an der Wurzel des Übels bekämpft. Zum Versagen der Märkte – sie bestehen laut Siekmann nur aus wenigen Personen – gesellte sich das Versagen der Staaten und das Versagen der Wissenschaft, die Bankpleiten aus ihrem Forschungsgebiet einfach ausgeblendet habe. Das Staatsversagen münde darin, dass die mit ihrem Sachverstand überforderten Ministerialbeamten der Bankenlobby aufsitzen, die dann fleißig Gesetzestexte mitformuliert.
Die nächste Finanzkrise kommt bestimmt
Aus all dem eine Prognose abzuleiten, fällt wahrlich nicht schwer: Die nächste Finanzkrise kommt bestimmt. Sie wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ganz anders ablaufen als die sogenannte Subprime-Krise von 2007/08 und als die Griechenland-Krise 2010/11 ff. Nur wie, das wird uns bis auf Weiteres verborgen bleiben. Eines steht allerdings fest: Mit dem Kurieren an den Symptomen wird es dann nicht mehr getan sein, also weder mit EFSF und ESM noch mit Milliardentransfers. Womit sonst, bleibt einstweilen ebenso offen wie die Art und das Ausmaß der nächsten Krise.