




Ben Bernanke hat am Mittwoch, kurz vor dem Abschied als Chef der US-Notenbank Fed Ende Januar, noch einmal seine Duftmarke hinterlassen: Kürzung der Anleihenkäufe von 85 auf 75 Milliarden Dollar. Wow. Mehr als dieses kleine Ausrufezeichen war offenbar nicht drin. Die Finanzwelt wird ihn nicht sonderlich vermissen, wenn seine Nachfolgerin Janet Yellen Anfang Februar das Amt antritt – eine undankbare Aufgabe, aber immer noch dankbarer als das, was EZB-Chef Mario Draghi zu erwarten hat.
Bernanke ist mit seiner Fed zum Opfer eines Phänomens geworden, das Volkswirte als abnehmenden Grenznutzen bezeichnen: Je länger er die ultralockere Geldpolitik betrieb, desto mehr verpuffte ihre Wirkung. Dazu braucht man sich nur noch einmal klar zu machen, dass er seit Beginn seiner Amtszeit im Februar 2006 den amerikanischen Leitzins von einst 5,25 praktisch auf null Prozent gesenkt hat. Jetzt ist er sauer, dass die erhoffte Inflation oder zumindest deren Erwartung ihm nicht den Gefallen tut und steigt, sondern im Trend bestenfalls stagniert. Folglich kann er sich nicht erlauben, fester auf die Bremse zu treten, als er es am Mittwoch getan hat.
Hüter der Stabilität treten von der Bühne ab
Aus der Fed-Entscheidung vom Mittwoch lässt sich unter anderem schließen – und das ist aus europäischer Sicht ihr besonders interessanter Aspekt –, dass die amerikanische Geldpolitik immer mehr zur Leitlinie für die EZB wird. Das heißt, auch die Geldpolitik im Euroraum bleibt ultralocker. Das muss sich EZB-Direktor Jörg Asmussen schon vorab gedacht haben, als er den Wechsel aus dem EZB-Direktorium ins deutsche Arbeitsministerium ankündigte – eher das Gegenteil eines Karrieresprungs, weil nur in zweiter Reihe als Staatssekretär unter Ministerin Andrea Nahles. Dazu passt, dass es in letzter Zeit, wie Insider berichten, immer mehr zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Asmussen und Draghi gekommen war.
Verfolgt man die verschiedenen Personalwechsel in Bezug auf die Geldpolitik im Euroraum, fällt auf, dass vor allem die Hüter der Stabilität vorzeitig abgedankt haben. Das gilt für den früheren Bundesbank-Präsidenten Axel Weber, der seinen Rücktritt im Februar 2011 bekannt gab, wie auch für den ehemaligen EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark, der die Ankündigung seines Rücktritts nur sieben Monate später folgen ließ. An Zufall glaubt da niemand mehr. Und nun Asmussen. Demnächst wird Draghi also noch mehr schalten und walten können, wie er will.
Italien, Spanien und Griechenland lassen nichts Gutes ahnen





Derweil bahnt sich im Gerangel um Euro-Staatsanleihen ein Konflikt an, dessen möglicher Ausgang nichts Gutes verheißt: Banken übernehmen das Kommando in den Euroländern rund ums Mittelmeer. Wie aus einer Erklärung der EU-Bankenaufsicht vom vergangenen Montag hervorgeht, hat sich besonders der Anteil der Anleihen von unter Stress stehenden Ländern in den Bankbilanzen zwischen Ende 2010 und Mitte 2013 kräftig erhöht. Nur drei Beispiele: In Italien ist der Anteil der auf italienische Banken entfallenden Anleihen des Landes von 68 auf 75 Prozent gestiegen, in Spanien von 83 auf 86 Prozent und in Griechenland sogar von 70 auf 99 Prozent.
Der Konflikt, der sich daraus ergeben dürfte, kann die anderen Euroländer, speziell Deutschland, nicht kalt lassen. Nehmen wir den Extremfall Griechenland: Von dort ist die sogenannte Troika, bestehend aus EU-Kommission, EZB und Internationalem Währungsfonds, vor Kurzem unverrichteter Dinge – der Staatshaushalt 2014 bleibt ein Trümmerfeld - wieder abgereist. Mitte Januar wird sie erneut anreisen. Dabei ist das griechische Spektakel sogar weniger dramatisch als das italienische und spanische. Der Grund: Das Volumen der Anleihen aus beiden Ländern übertrifft das der griechischen um ein Mehrfaches.
Sozialistisches Gedankengut
Amerikanische und europäische Geldpolitik, mysteriöse Rücktritte deutscher Stabilitätshüter und mit viel zu vielen Staatsanleihen aufgeblasene Bilanzen der Banken in den Euroländern am Mittelmeer ergeben bereits allein für sich genommen eine hochexplosive Mischung. Und nun reichern auch noch unsere französischen Nachbarn die Mischung an: Wettbewerbsfähigkeit immer geringer, Sozialismus-Experiment gescheitert, Deutschland hilf! Oder wie es der Schweizer Vermögensverwalter Felix Zulauf in einem Wirtschaftswoche-Interview auf den Punkt gebracht hat: „In Paris regiert hochsozialistisches Gedankengut, in Berlin halbsozialistisches.“
Geldanlage
Das alles wäre früher halb so schlimm gewesen. Da wurden Franc, Lira, Drachme und Peseta einfach abgewertet, und schwuppdiwupp war die Wettbewerbsfähigkeit wieder hergestellt – wenigstens für zwei bis drei Jahre, wenn alles gut ging. Doch was nun? Die Antwort ist gar nicht so schwer zu finden. Vergleichen wir dazu doch einfach mal Bernankes und Draghis Mission: Der eine hat es mit einem Dollarraum zu tun, der – bei allen Unterschieden zwischen der Ost- und der Westküste, zwischen den Großen Seen im Norden und dem Rio Grande im Süden – bezüglich der Währung Jahrhunderte lang zusammenwachsen konnte.
Die Geschichte der US-Währung geht zurück bis zum Jahr 1690; seitdem ist ihre Kaufkraft auf Null gesunken, seit dem Start der Fed 1914 nahezu auf Null – nur dass dies den Menschen von heute nicht bewusst ist, weil sie damals ja noch nicht gelebt haben. Dem Euro wird es früher oder später ähnlich ergehen wie dem Dollar. Draghi wird schon die Vorlage dafür liefern.