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Gbureks Geld-Geklimper

Der Fluch der niedrigen Zinsen

Manfred Gburek Freier Finanzjournalist

Die konventionelle Altersvorsorge wird durch die Zinsentwicklung und durch neue Vorschriften total umgekrempelt, die Konsequenzen für Anleger und Unternehmen zeichnen sich bereits ab. Gegensteuern ist angesagt.

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Große Lebensversicherer lassen Kunden hungern
Der Speck ist wegWer eine Lebensversicherung kauft, geht zum Vertreter. Rund zwei Drittel des Neugeschäfts entfällt daher auf die 20 größten Lebensversicherer. Die Branchenriesen werden nun jedoch immer vorsichtiger. Im Schnitt liegt ihre Überschussbeteiligung bei 3,49 Prozent - das ist mager und dürfte weniger als der ohnehin schon niedrige Branchenschnitt von rund 3,6 Prozent sein. Der Grund: Fast alle sind mit ihren Gutschriften runter gegangen, manche Riesen haben sogar schon drei Prozent erreicht. Senkungen der Zinsgutschriften von 0,5 Prozentpunkt oder mehr ließen oft aufhorchen. Hier scheint nur noch wenig Speck zu sein für die Kunden. Stand: Januar 2013 Quelle: rtr
Platz 20 - R+V: Wartet abDer drittgrößte Lebensversicherer in Deutschland will erst Ende Februar mitteilen, wie hoch seine Überschussbeteiligung im laufenden Jahr ist. Das ist ungewöhnlich spät. Zur Begründung hieß es in Wiesbaden, man wolle die Entwicklung des Marktes abwarten. Damit ist die R+V die große Ausnahme in der Branche. Für 2012 hatte die R+V die Angaben noch - wie in der Branche üblich - Anfang Dezember 2011 geliefert. Damals hieß es, trotz des schwierigen gesamtwirtschaftlichen Umfelds könne die R+V Lebensversicherung AG für ihre Kunden auch 2012 eine Gesamtverzinsung von 4,40 Prozent bieten. Darin enthalten sei eine laufende Verzinsung von 3,85 Prozent. Quelle: Presse
Platz 19 - Zurich: 3,0 ProzentEiner der größten Anbieter von Lebensversicherungen, die Zurich, ist mit ihrer Überschussbeteiligung deutlich heruntergegangen. Sie liege für 2013 auf nun bei drei Prozent, heißt es auf der Internetseite von Assekurata. Für 2012 waren es noch 3,35 Prozent und für 2011 schrieb der Versicherer 3,7 Prozent gut. Die durchschnittliche Gesamtverzinsung (laufende Verzinsung sowie Schlussüberschuss inkl. deklarierter Beteiligung an den Bewertungsreserven) betrage nun etwa 3,8 Prozent - nach 4,2 Prozent für 2012. Die vertragsindividuelle Gesamtverzinsung hänge dabei von Daten wie Produkt, Laufzeit und Alter der versicherten Person ab. Zurich setze auf nachhaltige finanzielle Stärke der Lebensversicherung statt auf kurzfristige Renditeversprechen, erklärte der Versicherer auf Anfrage von Handelsblatt Online. Wegen der anhaltend niedrigen Zinsen an den Kapitalmärkten habe die Unternehmensführung daher entschieden, eine Senkung der Überschussbeteiligung für den Neuzugang und den Bestand vorzunehmen. "Unsere Kapitalanlagepolitik ist auf höchste Sicherheit ausgelegt. Wir können unseren Kunden keine höhere Verzinsung auszahlen, als wir mit unserer Kapitalanlage erwirtschaften", erklärte eine Sprecherin der Zurich. Quelle: Presse
Platz 18 - Ergo: 3,0 bis 3,2 ProzentErgo ist einer der größten Anbieter auf dem Markt. Für Ergo Leben sinkt die Überschussbeteiligung auf 3,2 von 3,8 Prozent, für Victoria Leben auf 3,0 von 3,5 Prozent. Die Gruppe verwaltet mehr als sieben Millionen Verträge. Mit den Deklarationen hat der Versicherer ein Zeichen gesetzt. Damit erreicht einer der Marktgrößen die Marke von drei Prozent bei den laufenden Überschüssen. Quelle: dapd
Platz 17 - SV Sparkassenversicherung: 3,05 ProzentDie Überschussbeteiligung der SV Sparkassenversicherung ist von 3,75 Prozent für 2011 auf 3,55 Prozent in diesem Jahr auf nun 3,05 Prozent in diesem Jahr gefallen. Dies ergibt aus Angaben, die Assekurata veröffentlicht hat. Der Rückschritt ist damit stärker als im Schnitt der Branche. Der Sparkassenversicherer war in den vergangenen Jahren besonders stark durch Einmalgeschäft gewachsen.
Platz 16 - Versicherungskammer Bayern (VKB): 3,1 ProzentDer größte Sparkassenversicherer, die Versicherungskammer Bayern, setzt auf hohe Reserven. Die Bayern-Versicherung Lebensversicherung AG, größter Lebensversicherer der VKB, zähle zu den Gesellschaften mit den höchsten Bewertungsreserven in der Branche. Allerdings liegt damit ein weiterer großer Lebensversicherer aus dem Sparkassensektor unter den Großen relativ weit hinten. Dennoch senkt das Unternehmen seine Überschussbeteiligung 2013 auf einen der niedrigsten Werte in der Branche: 3,1 Prozent. Bisher waren es 3,5 Prozent. Die Bayern-Versicherung bietet darüber hinaus auch im Jahr 2013 eine attraktive Gesamtverzinsung auf den Sparanteil. Für Neuverträge gegen laufenden Beitrag betrage diese 3,7 Prozent. Darin enthalten seien 0,6 Prozent für den Schlussüberschuss inklusive der Mindestbeteiligung an den Bewertungsreserven. Die Sparte Lebensversicherung des Sparkassenversicherers verzeichnete 2012 ein starkes Beitragswachstum. Die Prämien stiegen den Angaben zufolge um 5,9 Prozent auf 2,62 Milliarden Euro.
Platz 15 - Württembergische: 3,25 ProzentDie Lebensversicherung im Versicherungs- und Bausparkonzern Württembergische und Wüstenrot geht um 0,25 Prozentpunkt mit der Überschussbeteiligung runter: Sie sinkt von 3,5 Prozent in den beiden Vorjahren auf nun 3,25 Prozent. Norbert Heinen, Vorstandsvorsitzender der Württembergischen Lebensversicherung AG: „Mit unserer vergleichsweise konservativen Positionierung beim Zinsüberschuss berücksichtigen wir die Entwicklungen am Kapitalmarkt und stabilisieren unseren Bestand auch gegen Belastungen aus der anhaltenden Niedrigzinsphase, der EU-Verschuldungskrise und Ausfallrisiken.“ Zusammen mit dem Schlussüberschuss und der Mindestbeteiligung an den Bewertungsreserven ergebe sich ab 2013 eine gesamte Verzinsung der Sparanteile von 3,9 Prozent (Vorjahr: knapp 4,2 Prozent). Quelle: Presse

Es gibt unbequeme Themen, mit denen sich die meisten Menschen nur ab und zu beschäftigen. Die Altersvorsorge ist eines. Doch bevor Sie sich gleich mit Grausen von dieser Kolumne abwenden, sollten Sie lieber weiter lesen. Denn hier geht es nicht um die neusten Erkenntnisse von Sozialpolitikern und Finanzmathematikern, sondern um das, was Sie im Rahmen Ihrer persönlichen Anlagestrategie bei Zinsen und Anleihen, Aktien, Lebensversicherungen, Immobilien und sonstigen Anlagen unbedingt beachten sollten.

Beginnen wir mit den Zinsen. Sie sind im historischen Vergleich niedrig. Das wird, wie sich schon jetzt vorhersagen lässt, die Renditen aus der Altersvorsorge mit Versicherungen und Pensionen erheblich schmälern, schlimmstenfalls sogar real ins Minus rutschen lassen. Ein wichtiger Nebenaspekt: Da niedrige Zinsen in der Regel mit geringem Wirtschaftswachstum zusammenfallen, ist zu erwarten, dass auch die Gesamtrenditen (Dividenden und Kursgewinne) der vom Wachstum abhängigen Aktien zunächst nicht gerade üppig zu sein versprechen.

Lebensversicherer mit leeren Versprechen

So weit die grundsätzliche Überlegung. Ihr schließen sich indes noch einige weitere an, und die sollten Anleger besonders stutzig machen. Zum Beispiel ist es kein Geheimnis, dass niedrige Zinsen auch in den Bilanzen der Unternehmen ihren Niederschlag finden: Kommende Verbindlichkeiten müssen in den aktuellen Bilanzen zu entsprechenden Zinssätzen auf die Gegenwart abdiskontiert werden. Und weil das Zinsniveau derzeit besonders niedrig ist, bedeutet das: Abdiskontierung zu 2 statt 3 oder zu 4 statt 6 Prozent. Ergebnis: Verbindlichkeiten steigen, Analysten senken den Daumen, Aktienkurse erhalten einen Dämpfer.

Versetzt man sich nun in die Lage eines Lebensversicherers, der seinen Anlegern vor einigen Jahren einen dem damals höheren Zinsniveau angemessenen Garantiezins versprach. Oder in die Lage eines Industriekonzerns, der seinen Arbeitnehmern den Ruhestand mit hohen Pensionen angenehmer gestalten wollte. In beiden Fällen nagen die steigenden Verbindlichkeiten bereits jetzt am Vermögen, das heißt, der Lebensversicherer kann sein Versprechen nicht einhalten, der Industriekonzern muss sich irgendeine Lösung einfallen lassen, und sei es zu Lasten seiner Aktionäre.

So kommen Lebensversicherungs-Anleger durch das Zinstal

Bilanzen mit Brandbeschleuniger

Wer weiter denkt, lässt es nicht bei diesen Überlegungen bewenden, sondern bezieht gleich noch die internationalen Bilanzierungsvorschriften ein. Die schreiben nämlich nach IAS (International Accounting Standards) Nummer 19 etwas vor, was Karlheinz Küting, der wohl profilierteste deutsche Professor für Rechnungswesen, als "Brandbeschleuniger" bezeichnet: Der Zins zur Berechnung von Pensionsverpflichtungen soll dem Kapitalmarkt angepasst werden, in diesem Fall entsprechend den Renditen guter Unternehmensanleihen. Doch ausgerechnet diese Anleihen waren in den vergangenen Jahren unter Großanlegern derart begehrt, dass ihre Renditen immer weiter fielen. Eine der Folgen: Die Pensionsverpflichtungen stiegen und stiegen.

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