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Gbureks Geld-Geklimper

Die Anleiheblase wird platzen

Manfred Gburek Freier Finanzjournalist

Nicht nur Politiker sorgen für eine massive Umverteilung des Geldes, auch Zentralbanken mischen kräftig mit. Die Geheimnistuerei der EZB macht alles noch schlimmer.

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Mit welchen Maßnahmen Regierungen und Notenbanken Sparer attackieren können
Instrument: NiedrigzinsAusgestaltung: Notenbank kauft (über Banken, die günstig Geld bekommen) Staatsanleihen; Notenbank hält Leitzinsen unten negativ betroffen wären/sind: Konten, Anleihen, Lebensversicherung, Betriebsrenten, Versorgungswerke Eintrittswahrscheinlichkeit: läuft bereits; ••••• wie gefährlich für das Vermögen?: Inflation frisst Zinsen; Sparen lohnt sich kaum; ••••∘ Vorteil für Staaten: niedrige Zinslast auf eigene Schulden historische Vorbilder: USA • = unwahrscheinlich/ sehr niedrige Einbußen; ••••• = so gut wie sicher/ sehr hohe Einbußen Quelle: dpa
Instrument: Inflation zulassenAusgestaltung: Notenbanken schöpfen weiter Geld; Bürger verlieren Vertrauen; Umlaufgeschwindigkeit des Geldes steigt negativ betroffen wären/sind: Bargeld, Konten, Anleihen, Lebensversicherung Eintrittswahrscheinlichkeit: aktuell gering; langfristig wahrscheinlich; •••∘∘ wie gefährlich für das Vermögen?: Hohe Inflation kann sämtliche Geldvermögen entwerten; ••••• Vorteil für Staaten: Schulden werden nicht auf dem Papier, aber real drastisch verringert historische Vorbilder: Deutschland 1923; Frankreich 18. Jahrhundert; Zimbabwe 2009 Quelle: dpa
Instrument: NegativzinsAusgestaltung: Notenbank setzt negativen Leitzins fest; Banken legen negative Zinsen auf die Guthaben von Sparern um oder verteuern Gebühren/Kredite negativ betroffen wären/sind: Konten Eintrittswahrscheinlichkeit: ist bereits in der Diskussion; •••∘∘ wie gefährlich für das Vermögen?: Erspartes leidet nominal durch Negativzinsen und real durch Inflation ••••∘ Vorteil für Staaten: höheres Wachstum durch ausgeweitete Kreditvergabe erhofft historische Vorbilder: Schweiz 1964, 1970er; Schweden; Dänemark Quelle: dpa
Instrument: VermögensabgabeAusgestaltung: Staat schneidet sich von allen Vermögenswerten einmalig ein Stück ab negativ betroffen wären/sind: Konten, Aktien, Anleihen, Immobilien Eintrittswahrscheinlichkeit: wird diskutiert, aber starker Widerstand zu erwarten; ••∘∘∘ wie gefährlich für das Vermögen?: je reicher desto härter; ••••∘ Vorteil für Staaten: kann Schulden sofort drastisch senken historische Vorbilder: Deutschland 1918/19, 1952 Quelle: dpa
Instrument: ZwangsanleiheAusgestaltung: Staat zwingt Bürger, einen Teil ihres Vermögens in Staatsanleihen zu packen; wird (teilweise) zurückgezahlt negativ betroffen wären/sind: Konten, Aktien, Anleihen, Immobilien Eintrittswahrscheinlichkeit: wird diskutiert, aber starker Widerstand zu erwarten; ••∘∘∘ wie gefährlich für das Vermögen?: hängt von Rückzahlungen ab; •••∘∘ Vorteil für Staaten: verschafft Spielraum bis zum Rückzahlungsdatum historische Vorbilder: Deutschland 1914, 1922/23 Quelle: dpa
Instrument: Neue SteuernAusgestaltung: Vermögensteuer, zum Beispiel ein Prozent auf steuerpflichtiges Vermögen (nach Abzug von Freibeträgen) negativ betroffen wären/sind: Vermögen generell Eintrittswahrscheinlichkeit: politische Forderung; ••••∘ wie gefährlich für das Vermögen?: für Vermögende; •••∘∘ Vorteil für Staaten: weitere Einnahmen historische Vorbilder: Deutschland, wurde 1997 abgeschafft Quelle: dpa
Instrument: Neue SteuernAusgestaltung: Transaktionsteuer von 0,1 Prozent auf Aktien und Anleihen und 0,01 Prozent auf Derivate; fällig für jedes Geschäft negativ betroffen wären/sind: Aktien, Anleihen, Derivate; indirekt auch Fonds und Lebensversicherungen Eintrittswahrscheinlichkeit: politisch herrscht Konsens; ••••• wie gefährlich für das Vermögen?: drückt auch Rendite von Fonds und Versicherungen; •••∘∘ Vorteil für Staaten: weitere Einnahmen historische Vorbilder: Deutschland 1881–1991; Schweden 1985–1992 Quelle: dpa

Robert Halver von der Baader Bank hat in der jüngsten Ausgabe des Informationsdienstes „Elitebrief“ diese gewagte These aufgestellt: „Durch die EZB wurde am Rentenmarkt die Marktwirtschaft abgeschafft und die Planwirtschaft eingeführt.“ Leider hat er recht. Damit werde „die ohnehin schon größte Anlageblase aller Zeiten, die Anleiheblase“, noch größer. Die Konsequenz: „Absurderweise muss die Anleiheblase weiter aufgeblasen werden, weil sie ansonsten platzt.“ Zum Platzen wird es dennoch kommen, allerdings weiß niemand, ob schon bald, in wenigen Monaten oder erst in Jahren.

Wir haben es mit einer Geld-Apokalypse zu tun. Aber mit einer, die nicht zulasten aller geht, denn mit den Schuldnern unter den Staaten hat sie prominente Profiteure. Dagegen sind die Besitzer von Anleihen, Kapitallebens- und Rentenversicherungen, Spar- und Festgeldkonten die Dummen. Wie übrigens auch Unternehmen, sofern sie hohe Pensionslasten stemmen müssen. Denn die Barwerte ihrer Pensionsverbindlichkeiten steigen wegen der gefallenen Zinsen. Dadurch sinkt das Eigenkapital, was an der Börse über kurz oder lang zu sinkenden Kursen der Aktien von pensionslastigen Unternehmen führt. Niedrige Zinsen sorgen also für allerhand Umverteilung.

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Verlässliche Zahlen sind Mangelware

Das gilt auch auf einer anderen Ebene, in der Eurozone. Angenommen, Anleger entscheiden sich für den Kauf griechischer oder italienischer Staatsanleihen, weil diese etwas höhere Renditen abwerfen als deutsche Bundesanleihen, die unter dem Strich zu null Prozent rentieren – und weil die Anleihen der Mittelmeer-Anrainer im Zuge der ultralockeren EZB-Geldpolitik ebenso begünstigt sind wie Bundesanleihen. Dann kommt es zur Umverteilung unter den Anlegern beider Anleihegruppen: Wer es mit den Ländern am Mittelmeer hält, gewinnt zunächst, wer dagegen auf Deutschland setzt, verliert zwar nicht, muss sich aber vorerst mit weniger zufrieden geben.

Das Perfide: Es gibt kaum verlässliche Zahlen, die diesen Effekt auch nur einigermaßen quantifizierbar machen könnten. Die Befürworter der auf Umverteilung zielenden Geldpolitik wenden stattdessen einen Trick an, indem sie anstelle von Zahlen populistische Schlagworte sprechen lassen: Der Euro sorge für hohe deutsche Exporte und damit für Arbeitsplätze, er solle doch bitteschön für alle 19 mit ihm verbandelten Länder erhalten bleiben, den Beitrittskandidaten schmackhaft gemacht werden und – das fadenscheinigste Argument - er sorge für Frieden in Europa.

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Schon immer sorgen Kriege für Umverteilung, hin und wieder auch Revolutionen, wie die französische von 1789 oder die deutsche von 1848. Die Umverteilung durch Gesetze ist ebenfalls nicht gerade neu, man denke nur an Bismarcks umfangreiche Sozialpolitik im 19. Jahrhundert. Aber dass Zentralbanken massiv umverteilen können, erleben wir erst seit Gründung der amerikanischen Fed im Jahr 1913. Ihr Gebaren, einst geheimnisvoll ohne Einschaltung der Öffentlichkeit, ist mittlerweile auf maximale Transparenz ausgerichtet. Wir bekommen von ihr nicht allein vermittelt, wie sie Konjunktur und Zinsen einschätzt, sondern zusätzlich auch einen Lehrgang in Geldpsychologie aufgebrummt.

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