




Am kommenden Dienstag wird der Dortmunder Professor Walter Krämer in München sein neues Buch „Kalte Enteignung“ vorstellen. Darin warnt er, der Euro bedrohe Deutschland dreifach: durch Inflation, den Wertverfall des deutschen Auslandsvermögens und Kreditausfälle in Südeuropa, für die deutsche Steuerzahler bürgen. Bereits am Dienstag dieser Woche antwortete der Frankfurter Professor Adalbert Winkler, angesprochen auf die Verluste deutscher Anleger durch negative Realzinsen: „Das ist Marktwirtschaft, das hat mit Enteignung nichts zu tun.“ Anlass genug, das komplexe Thema wieder einmal aufs Korn zu nehmen.
Den Ausgangspunkt bilden die niedrigen Zinsen. Wer heute bei seiner Bank oder Sparkasse mit Ach und Krach einen Tagesgeldsatz von 1 Prozent aushandelt, bleibt damit unter der offiziellen, wahrlich nicht gerade hohen Euroraum-Inflationsrate von 1,1 Prozent, verliert also real Geld. Ist das, bei allen Vorbehalten gegenüber Bankkonditionen und Inflationsstatistiken, nur Marktwirtschaft oder schon Enteignung? Womit sich gleich die nächste Frage stellt: Falls es Enteignung ist, wer hat etwas davon? Und noch eine Frage: Handelt es sich um ein vorübergehendes oder um ein langjähriges Phänomen?
Hoch verschuldete Staaten nutzen die Gunst der Stunde
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Wenn jemand einige Monate lang Tagesgeld bunkert, um es bei Gelegenheit in Aktien oder Immobilien zu investieren, kann man sicher nur von minimaler Teilenteignung sprechen. Etwas anderes ist es, wenn ein Anleger zehnjährige Bundesanleihen kauft, um von deren Zinsen bis zum Ende der Laufzeit zu leben, denn bis dahin dürfte die Inflationsrate die Anleihezinsen locker überspringen. Nennen wir das Enteignung. Von ihr profitiert in einem solchen Fall der Bund, weil er später die Anleihezinsen und am Ende die Anleihetilgung mit inflationiertem Geld zurückzahlt. Daraus ergibt sich die Antwort auf die Frage nach der Dauer der Enteignung: Diese kann ihre volle Wirksamkeit umso besser entfalten, je länger sie dauert.
Das nutzen hoch verschuldete Staaten, zumal dann, wenn sie mit ihrer Notenbank eng zusammenarbeiten. Wie die USA mit der Fed, zu deren Chefin ab Februar 2014 Präsident Barack Obama gerade Janet Yellen ernannt hat. Der sagt man nach, sie werde den Geldhahn bei Bedarf noch weiter aufdrehen als der derzeitige Fed-Chef Ben Bernanke. Oder wie der Euroraum mit der Europäischen Zentralbank EZB. Da der Euroraum weder Präsidenten noch eine Regierung hat, gibt es für die EZB einen anderen Kooperationspartner: den supranationalen ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus). Er arbeitet eng zusammen mit einem Gebilde namens OMT (Outright Monetary Transactions) und mit der im Aufbau befindlichen Bankenunion. OMT hat vor allem die Aufgabe, den unbegrenzten Kauf bestimmter, auf dem Sekundärmarkt gehandelter Staatsschuldtitel anzukündigen.