




Zuerst waren es über 170 Professoren, die in einer Art Brief per Internet vor der „Sozialisierung von Schulden“ warnten, gemeinhin unter dem Begriff ESM bekannt, dann stieg ihre Zahl schnell über 200. Hurtig folgte die Reaktion anderer Professoren, deren Zahl von anfangs 15 fast über Nacht auf mehr als 100 stieg. Damit war ein Schaukampf losgebrochen, in dessen heißer Phase sich nun auch Professoren aus dem Ausland wortgewaltig melden: „Dieser Brief ist arm an sachlichen Details“, rügt Barry Eichengreen. „Eine Schande“, haut Charles Wyplosz drauf.
Das alles geht wiederum den Brief-Initiatoren zu weit. Deshalb warnte ihre Speerspitze, bestehend aus Hans-Werner Sinn und Walter Krämer, in der FAZ vom Dienstag: „Die strukturelle Mehrheit der Schuldenländer in den Eurogremien wird sich sämtlicher Töpfe des ESM bedienen, die aufgestellt werden, und bei einer drohenden Leerung so lange drängeln, bis sie wiederaufgefüllt werden.“ Den Rest kann man sich denken: Während Professoren und Medien über die große Aufmerksamkeit, die ihrer Sommerloch-Debatte zuteil wird, geradezu entzückt sein müssen, fragen sich die von der Speerspitze adressierten „lieben Mitbürger“ zu Recht, was das alles soll.





Die Märkte spielen weiter verrückt
Die Antwort darauf muss jetzt erst einmal das Bundesverfassungsgericht geben. Es wird sich allerdings Zeit lassen; das war das einzige wirklich konkrete Ergebnis seiner offiziellen Mitteilung vom vergangenen Dienstag. In dieser Zeit, deren Ende noch nicht absehbar ist, wird weiter diskutiert, aber nicht gehandelt. Daraus folgt: Im Jahr sechs der Finanzkrise und Jahr drei der Eurokrise geht es weiter wie bisher. Das bedeutet für Anleger: Sie nehmen entweder das verrückte Auf und Ab der Märkte, den zurzeit schwachen Euro und den durch die Politik der niedrigen Zinsen verursachten Wertverlust einiger Anlagen einfach in Kauf, oder sie wehren sich dagegen.
Aber wie? Lassen wir zunächst die Entscheidungen der Europäischen Zentralbank vom vergangenen Donnerstag Revue passieren, dann fällt auf, dass die eigentliche Sensation nicht so sehr in der Leitzinssenkung auf 0,75 Prozent an sich bestand, sondern in deren Verbindung mit dem auf Null herabsetzten Zinssatz für Einlagen. Das heißt, deutsche Banken und solche aus anderen mehr oder weniger stabilen Euroländern wurden eines Vorteils beraubt, den sie bisher dank der Verzinsung ihres überschüssigen Geldes durch die EZB hatten; folglich müssen sie jetzt andere Renditequellen erschließen. Dagegen profitieren die angeschlagenen südeuropäischen Euroländer ungleich stärker als die anderen von der Leitzinssenkung.