




Seit einer Woche ist zwischen West und Ost ein Wirtschaftskrieg voll in Gang. Da beschloss die US-Regierung Sanktionen gegen russische Energie-, Rüstungs- und Finanzkonzerne, denen nun der Zugang zum internationalen Kapital immer weiter erschwert wird. Die EU beteiligte sich daran zunächst nur mit Nadelstichen, indem sie Konten russischer und ostukrainischer Privatleute sperren ließ. Durch den Abschuss einer malaysischen Passagiermaschine mit dem bekannten tragischen Ende, begleitet von ungeheuren gegenseitigen Vorwürfen, gewannen die Sanktionen noch erheblich an Schärfe. Währenddessen eskalierte der Krieg im Gazastreifen nahezu stündlich. Wer jetzt immer noch glaubt, das Ganze bleibe ohne Folgen für die eigene Geldanlage, wird schon bald eines anderen belehrt.
Russland - und die Ängste seiner Nachbarn
25 Prozent der Bevölkerung sind ethnische Russen. 2007 erlebte das High-Tech-Land einen schlimmen Hackerangriff wohl aus Russland – da wird die Krim-Krise zum Albtraum.
Ohne russisches Gas gehen rund um Riga die Lichter aus. Das wissen die zwei Millionen Letten, von denen mehr als ein Drittel Russisch als Muttersprache angibt.
Hier begann vor 25 Jahren der Zerfall der Sowjetunion, hier verschifft Russland heute viel Erdöl. Zum russischen Erdgas gibt es auch in Litauen bislang keine Alternative.
Russland fernhalten – das ist hier parteiübergreifende Staatsraison. Seit Jahren sehen sich die Polen als Fürsprecher der Ukraine in der Europäischen Union.
Die Annexion der Krim erinnert die Tschechen fatal an den sowjetischen Einmarsch in Prag vor 46 Jahren. Russland ist weit weg – das Gefühl der Bedrohung nicht.
Das Land musste 2009 tagelang ohne Gas auskommen – Kollateralschaden russischer Sanktionen gegen die Ukraine. Eine Neuauflage dieses Szenarios wäre bedrohlich.
Ohne eigene Energiequellen sind die Ungarn vom russischen Öl und Gas abhängig. Trotzdem subventioniert die Regierung großzügig den Stromverbrauch im Lande.
Was geschieht mit dem Land, wenn die 1,4 Millionen Ungarn in Siebenbürgen nach dem Muster der Krim-Russen die heutige Staatsgrenze infrage stellen?
Ohne Öl und Gas aus Russland würde das arme Land völlig zusammenbrechen – darum fürchtet die Regierung in Sofia nichts mehr als eine Verschärfung der Konfrontation.
Die Halbinsel ist ein Armenhaus. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl entsprach ihre Wirtschaftsleistung bisher kaum 40 Prozent des ukrainischen Durchschnitts. Wie Putin seinen neuen Untertanen den Aufschwung bescheren will, ist unklar.
Im Sommer 2014 hat das Land ein Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet. Doch in der abtrünnigen Region Transnistrien stehen schon lange russische Truppen.
Ökonomisch orientiert sich das Land an Europa. Wegen des Konflikts um Südossetien hat Russland ein Embargo verhängt. Das wurde aber gerade gelockert.
Das arme Land hängt am Tropf Russlands. Moskau liefert billiges Gas, baut ein Atomkraftwerk – und unterstützt die Armenier im Grenzkonflikt mit Aserbaidschan.
Die ölreiche Staat drängt sich den Europäern als alternativer Lieferant auf, der Europa bei der Diversifizierung der Energieversorgung helfen kann. Das passt den Russen gar nicht.
Die neue Regierung drängt in Richtung EU, der Osten des Landes ist mit Russland verbandelt. Aber der Handel mit Russland nimmt ab, die Oligarchen sind auf West-Kurs.
Das unterentwickelte Land hat seine Pipelines an Russland verkauft und Raffinerien an Moskauer Banken verpfändet. Minsk ist abhängig von Moskau wie keine andere Regierung.
Peking will seinen wichtigen Partner Russland nicht verprellen. Doch Grenzverschiebungen wie auf der Krim machen China mit Blick auf Tibet und die Uiguren extrem nervös.
Im Norden des Landes gibt es viele Städte, in denen Russen die Mehrheit stellen. Kasachstan ist mit seinen Rohstoffen außerdem für Russland wirtschaftlich sehr attraktiv.
Lassen wir dazu einige Fakten sprechen. Beim regelmäßigen Verfolgen der Kapitalmärkte konnte man bereits vor geraumer Zeit registrieren, dass die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen doch recht erheblich über der von zehnjährigen Bundesanleihen lag. Derzeit sind es rund 2,5 Prozent, verglichen mit nur etwas über 1 Prozent für zehnjährige deutsche Bundesanleihen. Das Tief der Amerikaner befand sich vor zwei Jahren bei 1,5 Prozent. Und noch eine Beobachtung: Aktuell rentieren zehnjährige spanische Staatsanleihen mit etwas unter 3 Prozent gerade mal geringfügig über den amerikanischen, zehnjährige französische mit 1,7 Prozent sogar erheblich darunter.
Wehe, wenn die Russen reagieren!
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Das ist lächerlich und bedarf der Korrektur. Aber wie? Die Märkte werden es richten: Falls die Renditen deutscher und amerikanischer Staatsanleihen, die sich seit über 20 Jahren im Gleichschritt nach oben - und zwischenzeitlich auch nach unten - entwickelt haben, immer weiter auseinanderklaffen, wird der Euro die Abwärtskorrektur gegenüber dem Dollar fortsetzen. Das wird über kurz oder lang zwangsläufig inflationäre Effekte auslösen. Normalerweise könnte man behaupten, so seien dann zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: erstens die von der EZB angepeilte Inflation in Höhe von 2 Prozent minus x, zweitens die Begünstigung europäischer, speziell deutscher Exporte.





Doch derart einfach funktioniert das in der Praxis leider nicht. Denn zum einen lässt sich ein wirtschaftlicher bzw. finanzieller Vorgang wie die Inflation nicht beliebig steuern, dann bis auf eine bestimmte Höhe hieven und schließlich stoppen; dafür entwickelt er viel zu viel Eigendynamik. Zum anderen sind gerade die deutschen Exporte durch die Sanktionen gegen Russland besonders gefährdet: Russische Reaktionen dürften den Nerv so manchen deutschen Konzerns treffen, wie Siemens, BASF oder Metro. Immerhin betragen die Direktinvestitionen deutscher Unternehmen in Russland an die 23 Milliarden Euro. Und nicht zu unterschätzen: Im vergangenen Jahr entfielen fast 40 Prozent der deutschen Erdgasimporte auf Russland.