Geldanlage "Das Endspiel hat begonnen"

Die Niedrigzinspolitik der Notenbanken wird sich über Jahre fortsetzen, damit sich die Staaten entschulden können. Sparern droht die Enteignung durch finanzielle Repression. Im Interview mit der WirtschaftsWoche erklären fünf profilierte Finanzmarkt-Kenner, wie Anleger gegenhalten können.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Von links: Andrew Bosomworth, Alfred Roelli, Bert Flossbach, Thomas Mayer, Jens Ehrhardt Quelle: Bert Bostelmann für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Meine Herren, die Zinsen, die Anleger bekommen, sind ganz unten, sichere Rentenpapiere sind nach Steuern und Inflation ein Minusgeschäft. Lohnt sich Anlegen überhaupt noch?

Bert Flossbach: Wer heute Geld für bis zu drei Jahre sicher anlegt, spendet an den Staat. Das einzig Sichere an sicheren Anlagen ist der reale Wertverlust.

Andrew Bosomworth: Wenn wir Glück haben, werden wir in den kommenden Jahren ein bis zwei Prozent auf hochqualitative Staatsanleihen bekommen. Der Satz könnte auch darunter liegen. Besser sind Unternehmensanleihen und solche aus Schwellenländern. Da bekommt man bei guter Qualität bis zu zwei Prozentpunkte mehr.

Zu den Personen

Jens Ehrhardt: Für die kauft man sich in Schwellenländern aber ein Währungsrisiko ein. Natürlich könnte man sagen, der Euro wird immer schwächer – dann macht der Anleger mit Fremdwährungen Gewinn, weil die fremde Währung zum Euro aufwertet. Doch wer sagt: "Hauptsache, mein Geld ist aus dem Euro raus", der muss am Ende nicht recht behalten. Denn es kann auch in die andere Richtung gehen.

Alfred Roelli: Bei Unternehmensanleihen lohnt es sich, dabei zu bleiben. Die gewaltigen Ergebnisse, die man mit ihnen in den vergangenen Jahren erzielen konnte, sind zwar vorbei, aber man bekommt mit einiger Mühe noch drei bis vier Prozent Rendite. Es lohnt sich auch, hochverzinsliche Werte im US-Dollar-Raum anzuschauen.

Flossbach: Die Bondmarktrally seit Anfang der Achtzigerjahre ist jedenfalls abgeschlossen. Ob 30 schlechte Jahre kommen, wage ich nicht zu behaupten, aber mit Sicherheit zehn. Bei der Vermögensstreuung muss sich jeder im Klaren sein: Er muss den Bondanteil deutlich reduzieren!

Herr Bosomworth, Sie vertreten hier den größten Anleiheinvestor der Welt, das dürften Sie nicht so stehen lassen.

Bosomworth: Komplett aus Bonds würde ich nicht gehen, sondern einen Teil des Vermögens in kurz laufenden Unternehmensanleihen und Papieren aus Schwellenländern halten. Man darf nicht vergessen, dass viele Anlageklassen illiquide sind, also nicht sofort verkauft werden können. Irgendwann muss man sagen: Ich nehme mit einem Teil meines Portfolios diese niedrigen Renditen bewusst in Kauf, um liquide zu bleiben, für bessere Einstiegsmöglichkeiten etwa in anderen risikoreicheren Anlageklassen.

Liquidität kann ich auch in Bundesanleihen oder Tagesgeld parken. Was ist besser?

Flossbach: Das kommt darauf an, wie viel man hat. Bei Summen über 100.000 Euro ...

... also der Grenze der gesetzlichen Einlagensicherung je Bank ...

Flossbach: ... ist sicher irgendwann Schluss. Wenn es hart auf hart kommt, würde ich nicht davon ausgehen, dass Bargeld über 100.000 Euro sicher ist.

Ehrhardt: Das Extremszenario, dass Banken zusammenbrechen, wird dank der Europäischen Zentralbank auf absehbare Zeit vermieden. Die wird jedes Loch stopfen.

Thomas Mayer: Deshalb werden die Zinsen auch unten bleiben. Manch einer hat schon Angst vor japanischen Verhältnissen. Dort lagen die Renditen ja jahrelang bei nahezu null. Schön wär’s! In der Euro-Zone wird das alles viel schlimmer werden: Wir werden neben den negativen Realrenditen auch ein niedriges Wachstum bekommen.

Der Altersarmut entgehen

Jens Ehrhardt:

Rauschen wir direkt in die Altersarmut?

Ehrhardt: Mit Rentenpapieren garantiert!

Roelli: Das Schlimme ist, dass die Staaten Versicherer und Pensionskassen mit Regularien zwingen, Staatspapiere, die denen garantiert Verlust bringen, zu kaufen. Regulierer sagen einfach: Staatsanleihen sind sicher, dafür braucht ihr kein Eigenkapital. Selbst für griechische Bonds ist das bis heute nicht geplant. Alle anderen Anlagen gelten als weniger sicher. Versicherer werden immer zum falschen Zeitpunkt in Bonds gedrängt. Man lässt sie gar nicht mehr in Aktien investieren, weil die angeblich zu riskant seien – obwohl es genau umgekehrt ist. So ist zu viel Kapital in die Bondmärkte hineingeflossen. Da hat sich eine Blase gebildet. Wer so fürs Alter spart, wird langfristig klammheimlich enteignet.

Wie kommen Sparer aus dem Dilemma?

Mayer: Politiker werden! Nach 27 Jahren Bundestag gibt es 4.800 Euro monatliche Pension. Das entspricht bei null Zins und drei Prozent Inflation einem Vermögen von rund 1,5 Millionen Euro. Mit 1,5 Millionen Euro Vermögen aber würden Sie von der Politik als vermeintlicher Superreicher einen Kopf kürzer gemacht.

Nun gibt es leider nur 600 Bundestagsmandate. Im Ernst: Wie können Anleger der Repression entgehen?

Ehrhardt: Mit Aktien.

So würde Jens Ehrhardt ein Depot aufteilen (zum Vergrößern bitte Bild anklicken)

Mayer: Der Privatanleger aber meidet Aktien, denn er sieht jeden Tag die Schwankungen, und die machen ihm Angst. Und deswegen geht er dann in Dinge rein, die vermeintlich stabil sind, wo aber der Verlust garantiert ist.

Ehrhardt: Schiffsfonds!

Mayer: Oder Immobilien. Da sieht er die Preisschwankungen nicht. Sähe er sie, würden ihm die Haare ausfallen.

Bosomworth: Und wenn die Zeit kommt, in der auch der deutsche Staat dringend Geld braucht, greift er hier zu.

EZB-Chef Mario Draghi dürfte künftig unbegrenzt Staatsanleihen kaufen. Wie passen niedrige Zinsen zur massiven Geldschöpfung und der damit verbundenen Inflationsgefahr? Kommt die Inflation, müssten die Zinsen doch stark anziehen.

Der Rettungsplan

Flossbach: Wenn die Inflation steigt, werden die Zinsen nicht nachziehen. Die Notenbanken halten sie niedrig. Wir bekommen negative Realzinsen, die Zeche zahlt der Sparer. Nur so wird die Entschuldung der Staaten funktionieren.

Mayer: Das Spiel heißt finanzielle Repression. Die Zentralbanken halten die Zinsen im Zusammenspiel mit den Regulierungsbehörden auf einem niedrigen Niveau. Wo sie können, intervenieren sie. Die Europäische Zentralbank kauft Staatsanleihen, die US-Notenbank Fed verkauft kurzfristige Schatzwechsel und kauft langfristige Staatsanleihen, um die langfristigen Zinsen zu senken. Kurz: Die Zentralbanken legen den Zins einfach flach, wie ein Surfbrett im Wasser. Wir haben heute eine Zentralbank-Geldwirtschaft. Die Märkte sind nicht mehr frei, die Zentralbanken werden dafür sorgen, dass der Realzins negativ bleibt, sodass sich überschuldete Staaten und Banken über die Zeit sanieren können. Das läuft in der Euro-Zone wie global.

Roelli: Die finanzielle Repression, bei der Regierungen ihre Finanzierungskosten auf Kosten der Sparer gering halten, ist Teil der Lösung. Man kann die Verschuldung anders nicht mehr korrigieren. Jetzt muss enteignet werden. Sparer und Gläubiger müssen zur Kasse gebeten werden.

Ehrhardt: Politiker und Notenbanker schauen nur noch darauf, dass das Schiff nicht untergeht. Wenn die nicht weiter Geld in den Kreislauf pumpen, klappt alles zusammen. Daher sind die Börsen heute von Politik und Notenbanken gesteuert. Wenn EZB-Chef Draghi sagt, dass er mit aller Gewalt den Euro überleben lassen will, laufen die Börsen wieder. Es kommt heute nicht mehr auf Unternehmensgewinne oder Konjunktur an, sondern darauf, was die Zentralbanker tun.

Inflation als Ausweg aus der Krise

Thomas Mayer:

Kommt eine höhere Inflation?

Mayer: Die muss es geben, ohne die klappt’s nicht.

Ehrhardt: Kommt sie wirklich? Globalisierung führt zu mehr Wettbewerb und drückt deshalb auf die Preise. Es gibt Faktoren, die deflationär wirken, also auf sinkende statt steigende Preise hindeuten. Im Moment fallen etwa die Preise für Kohle, Gas oder Erz. In China kam die Teuerungsrate runter, von 6,5 auf 1,8 Prozent. China hat seine Konjunktur bislang immer auf Vordermann gebracht und massiv staatlich investiert. Da wurden neue Flughäfen gebaut und so weiter. Hören die jetzt auf, könnte es auch mal in Richtung Deflation gehen.

Mayer: Die Preise von Vermögenswerten wie Gold oder Immobilien steigen. Solche Preissteigerungen sind die Vorläufer der Konsumentenpreis-Inflation.

Flossbach: Die Entschuldung der Staaten geht nur über Inflation, alles andere ist logisch ausgeschlossen. Die Frage ist nur noch, wann sie kommt. Tatsächlich sehen wir sie seit geraumer Zeit in Immobilien, allerdings ist das ein gespaltener Markt, der sich aufteilt in schlechte und gute Lagen. In München, Hamburg oder Frankfurt haben sich die Grundpreise locker verdoppelt. Allerdings fließt dort eher Fluchtgeld rein. Es investieren Leute, die sagen: Das Geld soll weg vom Konto.

Empfohlene Aktien- und Anleihepositionen

Bosomworth: Der leichteste Weg aus der Schuldenmisere ist Inflation.

Mayer: Wir erleben eine gigantische Ausweitung der Geldmenge, bei der kein Ende abzusehen ist. Es gibt keine Anzeichen, dass die Zentralbanken Geldverknappung zulassen. Höhere Inflation wird kommen.

Flossbach: Die letzte Phase der Vermögenspreis-Inflation kommt, wenn der deutsche Anleger Aktien nicht mehr kauft, um Gewinne zu erzielen, sondern zum Werterhalt, weil er sagt, Coca-Cola und Nestlé haben über alle Krisen hinweg mein Geld gesichert, da schieb ich es rein.

Ehrhardt: Wer nicht an Gelddrucken glaubt, darf keine Aktien haben. Man muss daran glauben, dass die Notenbanken Gas geben. Die haben kapiert, dass kein Weg an der Liquiditätsschwemme vorbeiführt. Damit ist eher die inflationäre statt die deflationäre Richtung eingeschlagen, stimmt.

Also muss ich deutsche Aktien kaufen?

Ehrhardt: Wie deutsche Aktien laufen, hängt davon ab, wie sich die Euro-Krise entwickelt. 40 Prozent ihrer Güter exportieren deutsche Unternehmen in Euro-Länder, 70 Prozent nach Europa. Die Gewinne hängen also davon ab, ob sich die Krise durch die EZB meistern lässt. Zerbricht der Euro, bin ich mit ausländischen Exporttiteln besser bedient als mit deutschen, jedenfalls dann, wenn in dem Land eine schwache Währung zu erwarten wäre.

Die schwache Währung würde die Produkte auf dem Weltmarkt billiger machen, wäre also ein Wettbewerbsvorteil.

Flossbach: Ja, wenn etwa Spanien aus dem Euro raus müsste, würden die Aktien spanischer Exportwerte anziehen, die des Textilkonzerns Inditex etwa würde, in Peseten gerechnet, durch die Decke gehen.

Abschaffung des Schweizer Franken

Alfred Roelli:

Können wir der Euro-Entwertung entgehen, indem wir Franken kaufen?

Roelli: Man kann das durchaus tun. Noch hat die Schweizer Nationalbank SNB den Wechselkurs zum Euro bei 1,20 fixiert. Sie kauft über Euro-Staatsanleihen täglich Euro an und schwächt damit den Franken, damit unsere Exportunternehmen nicht zu sehr unter dem starken Franken leiden. Wir haben unglaubliche 300 Milliarden Euro angehäuft, jeden Monat kommen rund 40 Milliarden dazu. Nun ist in der Schweiz die Diskussion entbrannt, wie lange wir das noch tun können. Da wir in der Schweiz effektiv leicht fallende Preise haben, nähert sich der angemessene Gleichgewichtskurs den 1,20 an. Früher oder später wird nichts anderes übrig bleiben, als den Franken aufwerten zu lassen, vielleicht auf den Kurs von 1,15 Franken pro Euro.

Dann winken Aufwertungsgewinne.

Flossbach: Die Schweizer sind dabei, ihren Franken abzuschaffen!

Wie meinen Sie das?

Flossbach: Die kaufen aktuell 40 bis 50 Milliarden Euro pro Monat auf! Das Volumen müssen sie in Franken drucken, um damit Euro zu kaufen. Ginge es in dem Tempo weiter, wären Ende nächsten Jahres 1.000 Milliarden Euro in der SNB-Bilanz. Das wäre so, als wenn Deutschland für 8.000 Milliarden Euro Währungen aufkauft. Völlig absurd! Käme das so, wäre der Franken nicht mehr existent, er wäre weginflationiert. Hält der Druck an, muss in den nächsten Wochen oder Monaten eine Entscheidung fallen. Immer mehr Anleger sehen, dass sie im Zweifel lieber in Franken gehen, weil der Aufwertungsknall doch bald kommt.

Roelli: Die Schweiz könnte statt Euro-Anleihen Realwerte kaufen. Es gibt Überlegungen, ein Viertel der Währungsreserven in einen Staatsfonds zu investieren. Das könnte ein wichtiges Signal für Aktien sein.

So würde Alfred Roelli ein Depot aufteilen (zum Vergrößern bitte Bild anklicken)

Flossbach: Wir haben das durchgerechnet. Damit der Euro nicht wieder schwächer wird, müssen die Schweizer das Geld in andere Euro-Anlagen umschichten. Würden sie Gold kaufen, würde das in Dollar abgerechnet, sie müssten Euro gegen Dollar tauschen, der Euro würde schwächer. Das geht also nicht. Was bleibt, wäre wohl allein der Aktienindex Euro Stoxx 50. Der hat in etwa einen Börsenwert von 2.500 Milliarden Euro. Investieren die Schweizer 100 Milliarden, kaufen sie vier Prozent aller Aktien! Schwenkt dann auch Pimco auf Aktien um, kann man nur noch versuchen, die letzten freien Stücke zu bekommen.

Diese Anlagestrategien empfehlen die Finanzmarkt-Kenner

Herr Bosomworth, wann kommt der Schwenk? Pimco ist Anleihespezialist, aber Aktienfonds haben Sie ja schon aufgelegt ...

Bosomworth: Angesichts der langfristigen Perspektive der Renditen auf dem Rentenmarkt war dies ein bewusster Schritt. Wir erleben eine Krise der Währungssysteme und damit eine Renaissance echter Werte.

Flossbach: Die Norweger machen es richtig. Deren Staatsfonds hat eine Aktienquote von 60 Prozent. Da stecken 360 Milliarden Dollar in Aktien. Die haben sich den Sachwerten verschrieben. Aktien sind im Vergleich zu Bonds so attraktiv wie nie zuvor. Und da der Zins unten bleibt, ist das auch kein temporäres Phänomen. Da lachen einen Dividendenpapiere wie Nestlé oder Coca-Cola mit drei Prozent oder mehr Dividendenrendite geradezu an. Wir haben mal für 30 Unternehmen, unter Einrechnung realistischer Dividendensteigerungen, eine Berechnung angestellt.

Ergebnis?

Flossbach: Selbst wenn diese Aktien im Schnitt über die nächsten Jahre 30 Prozent im Kurs verlieren, sorgen ihre Dividenden trotzdem dafür, dass der Anleger keinen Verlust macht. Das ist der Puffer, den Top-Unternehmen bieten. Ganz einfach: Sachwerte kaufen, liquide Dividendenaktien.

Roelli: Länder, die Überschüsse haben, hauptsächlich die Schwellenländer, investieren diese mehr und mehr in Realwerte.

Mayer: Außer Deutschland! Wir haben zwar keinen Staatsfonds, aber die Bundesbank hat die Rolle indirekt übernommen. Deutschland hatte seit Beginn der Währungsunion 1,2 Billionen Euro kumulierten Leistungsbilanzüberschuss. Inzwischen sind 730 Milliarden über die Bundesbank in südeuropäischen Banken angelegt. Das sind diese berühmten Target2-Salden ...

Der Abwertungswettlauf wird kommen

Bert Flossbach:

... Forderungen der Bundesbank an die Südländer innerhalb des Euro-Systems.

Mayer: Der Ertrag für Deutschland ist der Gewinnanteil der Bundesbank am EZB-Gewinn, im besten Fall eine Verzinsung von einem halben Prozent – wenn alles glattgeht. Stellen Sie da mal die Risiken dagegen, die diese Investments haben.

Totalausfall bei einer Staatspleite.

Mayer: Da stellen sich einem die Haare zu Berge, wenn man das als nationales Portfolio, als deutschen Staatsfonds, betrachtet.

Die Bundesbank ist gezwungen, Geld im Süden anzulegen, sonst bricht die Euro-Zone auseinander, sagen die Retter...

Mayer: Nein, die Alternative wäre, die Überschüsse global zu streuen. Verkauft Deutschland Euro gegen andere Währungen, sinkt der Euro-Wechselkurs. Nur so, wenn deren Exporte billiger werden, haben schwache Länder eine Chance, sich zu erholen. Und der deutsche Steuerzahler hat sein Geld breiter diversifiziert.

Flossbach: Andere Industrieländer haben ähnliche Probleme. Alle drucken Geld. Es ist unwahrscheinlich, dass allein der Euro schwächelt. Japaner, Amerikaner oder Engländer bekommen dann Angst um ihre Exporte. Es wird zwangsläufig zum Abwertungswettlauf kommen.

So würde Bert Flossbach ein Depot aufteilen (zum Vergrößern bitte Bild anklicken)

Mayer: Der Euro wird ihn gewinnen. Ohne einen schwachen Euro wird die Krise im Süden nicht zu lösen sein.

Ehrhardt: Aber die Amerikaner wollen nicht, dass der Euro schwach ist. Die haben selber massive Probleme und brauchen einen schwachen Dollar.

Mayer: Wir müssen die Euro-Land-Leistungsbilanz aufbrechen. Deutschland hat strukturell etwa sechs Prozent Überschuss. Zusammengenommen kommt der Rest auf drei Prozent Defizit, unter dem Strich ist die Bilanz der Euro-Zone ausgeglichen.

Bosomworth: Die Botschaft der Euro-Retter an die Südländer aber ist, dass diese alle einen Handelsbilanzüberschuss erwirtschaften sollen, so wie wir in Deutschland. Aber wie soll das gehen? Sollen in Europa alle einen Überschuss erwirtschaften, müssen die 40 Prozent, die Deutschland in Euro-Länder exportiert, plötzlich woanders hingehen. Viele Unternehmen müssten komplett andere Absatzmärkte finden.

Mayer: Eigentlich müssten wir jetzt den Swing machen. Deutschland müsste ins Minus kommen. Doch das ist nicht darstellbar. Zumindest nicht in dem Zeitraum, der uns bleibt, den Euro zu retten.

Wie viel Zeit bleibt denn?

Mayer: In sechs bis zwölf Monaten müssen die Weichen gestellt sein. Im Norden gibt es Rettungsmüdigkeit, im Süden grassiert angesichts gefühlt harter Sparschnitte die Anpassungsmüdigkeit. Wer weiß, was nach Mario Monti in Italien kommt. Wir laufen auf das Entscheidungsspiel zu.

Ehrhardt: Theoretisch kann die EZB den Euro zusammenhalten, solange sie will.

Flossbach: Die Energiewende hat gezeigt, wie schnell Politiker umschwenken, wenn sie ihre Macht gefährdet sehen. 2013 ist Bundestagswahl. Spätestens dann entscheidet sich das Endspiel um den Euro.

Mayer: Nein, entschieden wird die Zukunft des Euro in Italien und Spanien, den Ländern, die Anpassungsprogramme machen. Scheitern sie, wird die EZB in Richtung Lira und Banca d‘Italia gezogen.

Ehrhardt: Ich glaube, dass der Internationale Währungsfonds irgendwann aussteigt. Sagt der IWF, wir machen nicht mehr mit, haben die Deutschen auch einen Grund, weiteres Geld zu verweigern.

Europas Achillesferse

Andrew Bosomworth:

Scheidet Griechenland bald aus?

Bosomworth: Viele Beobachter unterschätzen die Möglichkeiten der Politik. Es würde mich nicht überraschen, wenn wir in 24 Monaten immer noch über Griechenland diskutieren. Kein Staat kann den Griechen sagen, was zu tun ist. Allerdings werden die Euro-Retter so harte Bedingungen stellen, dass die Regierung in Griechenland selbst zu dieser Entscheidung kommen könnte.

Ehrhardt: Die Achillesferse Europas ist von den Märkten noch gar nicht entdeckt worden. Das größte Problem ist Frankreich.

Warum Frankreich?

Ehrhardt: Spanien und Italien haben inzwischen Handelsbilanzüberschüsse nach Frankreich wie noch nie. Frankreich tut nichts, um die Staatsfinanzen zu verbessern, im Gegenteil: Rentenerhöhungen und sonstige Geschenke! Kommt in Frankreich das Defizit nicht runter, werden die Renditen für die französische Staatsfinanzierung wesentlich anziehen. Bislang haben die Schweizer das durch ihre Interventionen verdeckt. Ich glaube nicht, dass die Zentralbank italienische oder spanische Anleihen gekauft hat, wohl eher französische und deutsche. Hört die SNB wie skizziert damit auf, könnte der Zins für Frankreich bald ziemlich nach oben schießen.

Flossbach: Es gibt keinen Grund für die vier Prozentpunkte Zinsunterschied zwischen Italien und Frankreich. Macht Italien einen Schuldenschnitt von 25 Prozent, ist jede französische Bank platt. Verließe Italien gar den Euro, hätte Frankreich einen massiven Wettbewerbsnachteil gegenüber dem Nachbarn. Dann sähen Renault oder Peugeot ziemlich alt aus.

Bosomworth: Was auch keiner sieht, sind die Accounts Payable. Das sind die kurzfristigen Forderungen, die der französische Staat noch nicht bezahlt hat. Sie liegen absolut und relativ zur Wirtschaftsleistung höher als in Spanien.

Welche anderen versteckten Risiken gibt es in Euro-Land?

Bosomworth: Wie viele Länder gibt es im Euro?

17.

Bosomworth: Das ist so ungefähr die Zahl der Risiken.

So würde Andrew Bosomworth ein Depot aufteilen (zum Vergrößern bitte Bild anklicken)

Ehrhardt: Slowenien ist ein Risiko. Bald sind mehr Länder unter den Rettungsschirmen als nicht. In Spanien haben die Banken 3.700 Milliarden Euro an Krediten ausstehen. Gehen nur zehn Prozent kaputt – und das ist eine optimistische Rechnung –, kommt noch einiges auf Europa zu. Spanien hat sein Immobilienproblem lange geschickt versteckt. Die Banken haben Forderungen ausgegliedert in Zweckgesellschaften. In den Büchern hatte man also nur eine Forderung gegen die Zweckgesellschaft. Keiner hat gesehen, dass es in Wirklichkeit Immobilien sind. Spanien sehe ich als erhebliches Risiko. Das sind am Schluss 400 bis 500 Milliarden Euro an Problemen.

Dann hilft Anlegern nur noch Gold.

Flossbach: Skeptiker, die das anders sehen, waren bei der Goldpreisrally der letzten Jahre alle nicht dabei. Das ideale Umfeld für Gold ist Inflation ohne Zinsen.

Roelli: Wir kaufen seit 2003 physisches Gold für Kunden. Als Absicherung gehört Gold zu einem vernünftig strukturierten Portfolio. Wir behandeln es bei der Vermögensstreuung im Vorgriff auf zukünftige Entwicklungen als separate Währung.

Bosomworth: In unseren globalen Multi-Asset-Strategien investieren wir in Gold und Öl.

Physisch oder als börsengehandelte Indexfonds, also ETFs?

Bosomworth: Mit Gold gedeckte Indexfonds.

Bleibt Gold empfehlenswert?

Die Länder mit den größten Goldreserven
Platz 10: Indien Quelle: REUTERS
Platz 9: Die Niederlande Quelle: REUTERS
Platz 8: Japan Quelle: REUTERS
Platz 6: Schweiz Quelle: AP
Platz 7: Russland Quelle: dpa-tmn
Platz 5: China Quelle: dapd
Platz 4: Frankreich Quelle: dapd

Wer von Ihnen hat privat kein Gold?

Bosomworth: Ich habe zuletzt verkauft.

Warum?

Bosomworth: Weil ich Gold gegen Bauland getauscht habe.

Flossbach: Das ist ja Betongold. Wo denn?

Bosomworth: Ein Kartoffelacker im Süden Bayerns mit Blick auf den See.

Ehrhardt: Das ist solide, das habe ich auch, ein kleiner Grund am Starnberger See!

Wie halten Sie es sonst privat mit der Geldanlage?

Flossbach: Sachwerte, also Aktien, über eigene Fonds und physisches Gold.

Ehrhardt: Bei mir ist es genauso, Gold und hauptsächlich eigene Fonds. Einzelwerte zu kaufen geht nicht, da drohen aufsichtsrechtliche Probleme.

Bosomworth: Ich habe auch ein paar nachrangige Finanztitel. Ansonsten Sachwerte.

Mayer: Ich bin in Fonds von Herren, die hier anwesend sind, investiert.

Roelli: Ich halte im Moment privat sehr viel Cash, denn vielleicht kommt das dicke Ende bald. Drehen die Aktienmärkte dann wieder nach unten, kaufe ich gezielt zu. Ich wohne in Genf und wenn wir in der Schweiz eine Immobilienblase haben, dann dort. Ich habe 2004 eine Immobilie gekauft. Der Preis hat sich wahrscheinlich verdoppelt. Aber ich verkaufe nicht. Die Schweiz hat Zuwanderung und eine starke Wirtschaft, das Angebot wird eher knapper.

Wie steht der Volkswirt zu Gold?

Mayer: Positiv. Weil wir in Europa und den USA enorme Unsicherheit haben, gewinnt Gold wieder den Charakter als Währung. Zentralbanken aus den Schwellenländern kaufen Gold, jene der Industrieländer verkaufen. Ich kann mir vorstellen, dass wir das Papiergeld-Währungssystem Ende dieses Jahrzehnts umbauen werden.

Flossbach: Die Leute beginnen auch in Deutschland zu verstehen, dass wir im Endspiel angekommen sind, wo es darum geht, sein Geld so zu investieren, dass am Ende überhaupt noch was übrig bleibt.

Bosomworth: Wir erleben keine Euro-Krise, sondern eine Krise der internationalen Währungssysteme und ihrer Wirtschaftstheorien. Die neoklassische Theorie geht davon aus, dass das Wachstum unbegrenzt ist und Rohstoffe unendlich sind. Plötzlich aber entdecken wir, dass es Grenzen gibt. Die Umwelt zeigt uns das schon. Das ist die eigentliche Krise – die Staaten wollen sich über Wachstum entschulden, aber die Grenze des Wachstums ist erreicht.

Mayer: Unser Währungssystem ist ja noch gar nicht so alt. Es entstand 1971, als US-Präsident Richard Nixon die Goldbindung des Dollar kappte. Doch es ist überhaupt nicht gesagt, dass unser Geldsystem diese Krise überlebt. Die Chancen sind größer als 50 Prozent, dass wir zu einer Art materiell gedecktem System kommen.

Einem neuen Goldstandard?

Mayer: Das muss nicht sein, es könnte auch eine Anbindung an Rohstoffkörbe sein. Ein Anleger, der sich ein Stück unabhängiger vom Euro machen will, sollte Gold als Währung sehen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%