Für renditeorientierte und gleichzeitig auf Sicherheit bedachte Anlegerinnen und Anleger gestaltet sich das gegenwärtige Marktumfeld äußerst schwierig. Trotz des hohen Wirtschaftswachstums und anziehender Inflationsraten dürften die Zinsen in Europa über die kommenden Monate und Quartale auf sehr tiefem Niveau verharren. Selbst in den USA, wo die Erholung schon relativ weit vorangeschritten ist, erwarte ich, dass die Geldmarktzinsen bis 2023 im Bereich von 0 bis 0,25 Prozent bleiben. Die Zinssätze in der Eurozone und der Schweiz sind negativ und da die Europäische Zentralbank und in deren Schlepptau die Schweizerische Nationalbank sich in aller Regel erst nach der Federal Reserve bewegen, dürfte es hierzulande noch länger dauern, bis sich die Geldmarktzinsen auch nur der Nulllinie nähern.
Für Anleger, die stetige Portfolioerträge anstreben, ist dieses Umfeld herausfordernd. Selbst wenn kleinere Volkswirtschaften wie Norwegen, Kanada oder Neuseeland die Zinsen früher anheben, reichen die Renditen in den meisten Hauptwährungen nicht einmal aus, um die Inflation zu kompensieren. Bei steigenden Teuerungsraten wird die Realverzinsung noch weiter ins Negative gedrückt. Oder anders betrachtet: Die Kaufkraft der in Barmitteln oder kaum verzinsten Anleihen angelegten Vermögenswerte erodiert kontinuierlich.
In diesem Umfeld bleiben Aktien die einzige liquide Anlageklasse, die nicht nur vor Inflation schützt, sondern auch einen realen Vermögenszuwachs ermöglicht. Beides ist mit Tagesgeld und Anleihen hoher Bonität nicht mehr erreichbar. Für Anleger, die stetige Erträge suchen, ist in diesem Zusammenhang hilfreich, dass sich der Fokus an den Aktienmärkten seit einiger Zeit eher über die sogenannten Wachstumswerte hinaus bewegt. Insbesondere bei den großkapitalisierten US-Technologietiteln sehe ich in naher Zukunft weniger Spielraum für außergewöhnliche Kursgewinne. In anderen Teilen des Marktes ist jedoch kurzfristig eine Erholung der Dividendenzahlungen zu erwarten. Im Jahr 2020 schnitten Wachstumsunternehmen, die zumeist niedrige oder gar keine Dividenden zahlen, sehr gut ab, während konjunkturabhängige Sektoren wie Finanzwerte, die in der Regel höhere Dividendenrenditen aufweisen, hinter dem breiten Markt zurückblieben. In diesem Jahr hat sich die Situation zumindest in der ersten Jahreshälfte gedreht und vor allem zyklischere Titel mit höheren Renditen haben sich wieder besser entwickelt.
Auch wenn seit Mitte Juni Wachstumswerte erneut überdurchschnittlich zugelegt haben, glaube ich, dass sich aufgrund verringerter Wachstumssorgen sowie höherer Anleiherenditen in den nächsten Monaten das Blatt erneut wenden wird. Vor allem Finanzwerte spielen hier eine tragende Rolle. In Europa schütten Banken in der Regel die Hälfte aller Dividenden aus. Aufgrund ihrer starken Kapitalausstattung sind sie in einer guten Ausgangslage, um die normalen Ausschüttungen wieder aufzunehmen oder in einigen Fällen sogar verpasste Dividendenausschüttungen nachzuholen, nachdem die im Zuge der Pandemie eingeführten regulatorischen Beschränkungen aufgehoben werden. Während die Bewertung von Wachstumstiteln aufgrund steigender Anleiherenditen, wie ich sie über die nächsten Monate erwarte, unter Druck geraten können, sollte der Ausblick auf ein besseres Zinsgeschäft Banktiteln zusätzlichen Rückenwind verleihen.
Ohnehin sind Banken immer noch zu günstig bewertet. Andere konjunkturabhängige Branchen wie der Energie- oder Rohstoffsektor könnten Anlegern ebenfalls über die nächsten Quartale höhere Ausschüttungen und attraktive Gesamtrenditen bieten. Auf breiter Marktebene ist nicht nur die Differenz von Dividendenrenditen zu Anleiherenditen (die selbst bei einem leichten Anstieg der Anleiherenditen immer noch über dem langfristigen Durchschnitt liegen würde) unterstützend. Auch die Ausschüttungsquote liegt vor allem in Europa unter dem langfristigen Durchschnitt, was für ein erhöhtes Potenzial für Dividendenerhöhungen im Zuge der derzeitigen Gewinnerholung spricht.
Über taktische Überlegungen hinaus sind Dividenden weiterhin ein wesentlicher und defensiver Bestandteil der Aktienmarktperformance in vielen Regionen. Beispielsweise entfielen in den letzten 20 Jahren zwei Drittel der Gesamtrendite des Schweizer Swiss Performance Index (SPI) auf Dividenden und der Rest auf Aktienkursgewinne. Statt einfach Aktien mit hoher Dividendenrendite zu kaufen, sollten Anleger Unternehmen mit hochwertigen Dividenden auswählen. Solche Unternehmen weisen in der Regel drei Merkmale auf. Erstens sind die Dividendenrenditen historisch gesehen und im Vergleich zu den Renditen von Unternehmens- und Staatsanleihen in der Handelswährung interessant. Zweitens sind die Ausschüttungen nachhaltig und die Dividenden weisen defensive Merkmale auf. Drittens weisen die Unternehmen ein überdurchschnittliches und nachhaltiges Dividendenwachstum auf. Angesichts der wirtschaftlichen Erholung steht dieser Faktor bis nächstes Jahr besonders im Vordergrund.
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