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Die Rivalität der USA und Chinas lastet auf den Märkten

Das Jahr 2022 wird Nachwirkungen hinterlassen. Eine Vor-Corona-Welt ist unwahrscheinlich. Es ist davon auszugehen, dass wir auch 2023 weiter einen spürbaren geopolitischen Einfluss auf die Kapitalmärkte erleben werden.

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Das Jahr 2022 hat erhebliche Spuren an den Kapitalmärkten hinterlassen. Da ist zum einen die negative Performance in einer großen Breite von Assetklassen zu nennen, da ist zum anderen aber der Bruch mit seit Beginn des Jahrtausends gültigen Reaktionsmustern an den Märkten. Die Inflation ist nicht besiegt, sondern Haupttreiber der Märkte. Und die Notenbanken sind nicht „Masters of the Universe“. Die Korrelationen zwischen Aktien, Staats- und Unternehmensanleihen können sich offenkundig auch wieder so verändern, dass selbst über verschiedene Assetklassen gut gemischte Portfolien deutliche Verluste aufweisen. Hier konzentriere ich mich auf die Veränderung der (geo-)politischen Landschaft und die Wechselwirkungen mit der globalen Energieversorgung.

Rückblick: Die Weltwirtschaftsordnung der Nachkriegszeit wurde de facto 1944 in Bretton Woods gezimmert. Der Kalte Krieg ist in erster Linie unter militärischen und ideologischen Gesichtspunkten zu sehen, wirtschaftlich war die Bedeutung der Sowjetunion (und bis 1990 auch die Chinas) für die Welt untergeordnet. Mit dem Fall der Berliner Mauer, der Auflösung der Sowjetunion und der immer stärkeren Integration Chinas und der Nachfolgestaaten der Sowjetunion in die Weltwirtschaft schien der Weg zu einer immer stärker verflochtenen „einheitlichen“ Welt nicht mehr aufzuhalten.

Diese Entwicklung ist nun offenkundig beendet. Was jetzt kommen wird, ist ein Weg hin zu einem „New Normal“, der neuen Normalität, die auch den Rahmen für Kapitalmärkte setzt und sich erst noch bilden muss. Die Besetzung der Krim, die Entscheidung für den Brexit, die neue, eher alte Politik der chinesischen Führung unter XI Jinping, die kontinuierliche Nutzung auch extraterritorialer Wirtschaftssanktionen, all dies machte den Weg frei für eine Entwicklung, die wir nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine gesehen haben. „Handel durch Wandel“, das Erfolgsrezept der Entspannungspolitik, hat ausgedient. Die Welt befindet sich auf der Suche nach einem neuen „New Normal“. Ökonomisch und für die Kapitalmärkte steht Russland nicht im Vordergrund, sondern die Frage, wie Energieversorgungssicherheit global zu erreichen ist, und wie sich die Beziehung der USA zu China entwickeln wird.

Beginnen wir mit Energie. Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, dass die Position Russlands auf den Weltenergiemärkten vergleichbar mit der Saudi-Arabiens und der USA ist, wobei die USA im Wesentlichen für sich selbst produzieren. Sie hat auch gezeigt, dass der im Westen vorangetriebene Weg zur grünen Energie eher ein Marathon, denn ein Sprint ist, und Lieferausfälle von fossilen Energieträgern kurzfristig nicht zu kompensieren sind. Nachdem Energiesanktionen nun ein immer häufigeres Machtmittel der Politik zu werden scheinen, muss man sich klar machen, dass von den größeren Energieexporteuren viele nicht als „lupenreine Demokratien“ anzusehen sind, weder Saudi-Arabien noch Katar, die Emirate, Aserbeidschan etc. Energiesanktionen treffen in erster Linie die Europäer (die Asiaten haben sich einige Ausnahmeregelungen zusichern lassen und die Nordamerikaner sind selbst großer Produzent fossiler Brennstoffe). Zu erwarten ist daher, dass einer der globalen Trends, die zur Desinflation der Zeit nach dem Fall der Berliner Mauer beigetragen haben, nämlich preisgünstige Energie, vorbei ist, und dass in einer längeren Übergangszeit die europäische Industrie, aber auch der europäische Verbraucher mit höheren Preisen konfrontiert sein wird, was stagflationäre Impulse auslöst und kein Positivum für die Kapitalmärkte ist.

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Der Elefant im Raum ist das Verhältnis der USA zu China. China als Konkurrent der USA hat etwas, was die Sowjetunion nie erreicht hat, nämlich eine wirtschaftliche Bedeutung, die es in dasselbe Bracket wie die USA und die EU stellt. Es zeigt sich nun, dass Trumps China-Politik kein Ausrutscher war, sondern dass trotz ihrer unversöhnlichen Beziehung Demokarten und Republikaner sich in der China-Frage einig sind: die Zäune werden hoch gefahren. Nicht zu Unrecht warnte die Direktorin des IWF, Kristalina Georgieva, jüngst vor einem zweiten Kalten Krieg: „The confrontation between the US and China leads to a split of the world economy into opposing blocs, which could lead to a new cold war“.

Schneller schlau: Diese Bilanzbegriffe sollten Sie kennen

Ein Wort, das hier an Bedeutung gewinnt, ist „Friend Shoring“. Janet Yellen, die US Finanzministerin, und Chrystia Freeland, die kanadische Außenministerin benutzten es wiederholt. Der Begriff Friend-Shoring impliziert, die Segnungen des Fortschrittes und der Arbeitsteilung der westlichen Welt nur auf befreundete, wertähnliche Länder zu konzentrieren. Allerdings ist der Begriff Friend-Shoring ein Euphemismus. In gewisser Weise erhebt er den Anspruch der Politik, das Ausmaß und Richtung der Diversifikation und des Handels bestimmen zu können. Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass von der weltweiten Arbeitsteilung in der Vergangenheit nicht alle beteiligten Länder profitiert hätten. Es gab keinen Gnadenakt des Westens gegenüber China, sondern der Westen profitierte ebenfalls stark davon, günstige Güter rechtzeitig geliefert zu bekommen und mit China einen gigantischen Absatzmarkt zu erschließen.

Aber in der Rivalität der USA und Chinas ist Friend-Shoring nur ein Thema. Das zweite sind die immer umfangreicheren Technologiesanktionen der USA gegenüber China. Die Sanktionen vom Anfang Oktober diesen Jahres stellten eine neue Qualität dar und zeigten, dass die Biden-Administration entschlossen ist, sogenannte „Cutting Edge“ Chips von China fernzuhalten, um damit die Entwicklungsmöglichkeiten der chinesischen Industrie zu beschränken, und auch andere Länder mit der Androhung von „Secondary Sanctions“ zu zwingen, in diese Richtung zu gehen.

Der negative Flashpoint für die Märkte wäre sicherlich, wenn es zu einem Konflikt um Taiwan käme. Vor wenigen Wochen berichtete die Financial Times, die USA hätten ihre europäischen Verbündeten gewarnt, dass ein Konflikt über Taiwan einen großen ökonomischen Schock auslösen würde und es wurde ein möglicher globaler wirtschaftlicher Schaden von bis zu 2,5 Billionen US-Dollar in den Raum gestellt. Aus meiner Sicht ist das eine sehr konservative Zahl, je nach Entwicklung eines solchen Szenarios könnten die Effekte auch deutlich größer sein. Ohne Frage wäre ein Konflikt zwischen den USA und China über Taiwan ein potentieller Super-GAU für die Kapitalmärkte und würde die breit gestreuten Assetpreisverluste des Jahres 2022 nur noch potenzieren. Allerdings, da darf sich meines Erachtens keiner einer Illusion hingeben, würde ein Taiwan-Konflikt sowohl die USA als beteiligte Partei als auch die Europäer kollateral massiv schädigen.

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Die Welt hat nach dem Fall der Berliner Mauer sehr vom Abbau der politischen Blöcke profitiert, allen voran die Kapitalmärkte. Das „New Normal“ dürfte sich zu einem Szenario entwickeln, in dem die politischen Risikoprämien steigen und die Investoren auch bei der Diversifikation der Assets immer die Frage beantworten müssen, ob die Verfügbarkeit der Assets über den gesamten Anlagehorizont mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden darf. Die höheren geopolitischen Unsicherheiten werden nach meiner Überzeugung die langfristigen Returns der Assets geringer ausfallen lassen.

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