Geldanlage Global
Quelle: imago images

Schuldengrenze in den USA: Wie heiß wird der Sommer?

Die Debatte um die Erhöhung der US-Schuldengrenze verspricht einen heißen Sommer, auch wenn die Anreize für beide Seiten, einen Hitzschlag zu vermeiden, groß sind. Das tiefergehende Problem liegt aber darin, dass die Verschuldung zu hoch ist und nach dem Wegfall des Notenbank-Puts auch der zweite lieb gewonnene Pfeiler der Kapitalmarktunterstützung wackelt. Eine Kolumne.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Die Haushaltshoheit ist die Premiumkompetenz eines Parlaments einer jeden Demokratie. In den USA, die ja auf Basis des Gedankens einer demokratischen Kontrolle der Obrigkeit gegründet wurden, ist sie besonders tief verwurzelt. Sie hat hier zwei Bestandteile. Zum einen ist ein jährlicher Haushalt zu genehmigen, wie wir das auch in Deutschland kennen, der die Planung für die künftigen Ausgaben und das Haushaltsdefizit festlegt.

Daneben gibt es in den USA aber auch die sogenannte Schuldenobergrenze („Debt Limit“ oder auch „Debt Ceiling“), die es der Exekutive verwehrt, Schulden jenseits einer von dem Parlament festgelegten Summe zu akkumulieren (Die Grundzüge gehen auf den Second Liberty Bond Act von 1917 zurück). Für den Kapitalmarkt ist die Bedeutung der letzteren wichtiger als die Bedeutung des jährlichen Haushaltes. Warum? Ein Parteienstreit, der die Verabschiedung des Haushaltes verzögert, führt im Extremfall zu einem Shutdown des Governments, also einer Leistungseinschränkung der Exekutive.

Das ist in der Historie immer wieder vorgekommen, der geplagte USA-Reisende mag sich in diesem Zusammenhang an die Schließung von Monumenten oder Nationalparks erinnern. Denn es werden lediglich die „nicht-essentiellen“ Funktionen des Staates eingestellt. Seit 1976 gab es mehr als 20 solcher „Shutdowns“. Da die Bezüge für freigestellte Angestellte üblicherweise im Nachgang erstattet werden, ist der wirtschaftliche Schaden überschaubar. Dagegen kann ein Scheitern bei den Verhandlungen über eine Erhöhung des Debt Limits im Extremfall einen Default einzelner Anleihen des Staates USA oder sogar den Gesamtdefault auslösen.

Vertreter des Kongresses und US-Präsident Joe Biden sind zu keiner Einigung gekommen. Biden forderte eine Anhebung der Schuldenobergrenze, republikanische Abgeordnete Ausgabenkürzungen.

In den vergangenen Jahren liefen die Anhebungen der US Schuldenobergrenze relativ geräuschlos ab. Der im letzten November neu gewählte Kongress mit unterschiedlichen Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus verbunden mit der historischen Frontstellung zwischen den beiden führenden Parteien spricht dafür, dass sich dies im laufenden Jahr ändern könnte. Das Risiko für eine Eskalation, also eine nicht rechtzeitige Anhebung, scheint mindestens so hoch wie 2011, als in der ersten Amtszeit Barack Obamas (mit seinem damaligen Vizepräsidenten Biden) erst eine Einigung in letzter Minute möglich wurde und dieser Nervenkrieg eine Herabstufung durch die Ratingagentur S&P, den ersten Verlust des AAA-Ratings in der Geschichte der USA, auslöste.

Am 19. Januar dieses Jahres hatten die Staatsschulden der USA wieder einmal die Schuldenobergrenze erreicht, bei einem astronomischen Wert von aufgerundet 31,4 Billionen US-Dollar, oder in Worten Einunddreißigtausendvierhundert Milliarden Dollar.

Amerikanische Schuldtitel liegen bei einer Vielzahl von Unternehmen, Banken, Notenbanken und Konten von Privathaushalten als Anlagen. Die erste Reaktion bei Erreichen der Schuldenobergrenze im Januar war Business as Usual: Einleitung der sogenannten „Extraordinary Measures“, dazu gehören beispielsweise die temporäre Aussetzung der Investitionen von bestimmten Pensionsfonds für Staatsangestellte, dazu der Abbau der vorhandenen Barmittel. Damit lässt sich etwas Zeit gewinnen.

Viel wichtiger für die Abschätzung des sogenannten „x-date“ sind allerdings die tatsächlichen Steuereinnahmen, und daher waren alle Augen auf den großen Steuertermin im April gerichtet. Als „x-date“ bezeichnet man den Zeitpunkt, bei dem die außergewöhnlichen Maßnahmen und vorhandenen Barmittel erschöpft sind und die USA gezwungen wären, jede zu tätigende Ausgabe durch eine vorherige Einnahme zu decken. Sollte also das „x-date“ erreicht werden, müsste der Haushalt sofort und zu jeder Zeit ausgeglichen werden. Bei einem bislang erwarteten laufenden Staatsdefizit von mehr als fünf Prozent des Sozialprodukts in diesem und nächstem Fiskaljahr also ein aggregierter Ausfall von einer beachtlichen Summe von staatlicher Nachfrage und ein bemerkenswerter fiskalischer Schock. Aber das noch größere Risiko für Kapitalmärkte liegt woanders. Die Schuldverschreibungen des Staates sind, wie erwähnt, eine wichtige Anlageform für alle Gruppen von Kapitalanlegern und der US Treasury-Markt mit seinen kurz laufenden T-Bills und länger laufenden T-Bonds wahrscheinlich der bedeutendste globale Anlagemarkt schlechthin. Damit steigt das Unfallrisiko für die Kapitalmärkte bei einer Nicht-Einigung vor Erreichen des „x-date“ deutlich.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%