Geldanlage global
US-Militärfahrzeuge im niederländischen Vlissingen: Viele Länder werden nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ihre Verteidigungsausgaben erhöhen. Quelle: imago images

Sicherheit rückt in den Mittelpunkt

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Maximilian Kunkel Chief Investment Officer, UBS Wealth Management Germany & Global Family Office Zur Kolumnen-Übersicht: Geldanlage global

Ob Cybersicherheit, Nahrungsmittel oder Energieversorgung: Die russische Invasion in der Ukraine dürfte zu grundlegenden Veränderungen in vielen Bereichen führen. Diese fünf Bereiche trifft es am stärksten.

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Von der militärischen Landesverteidigung über die Cyberabwehr bis zur Versorgung mit Energie, Lebensmitteln und Halbleitern – zwar stehen Europa und die USA im Zentrum dieser Entwicklung. Es ist jedoch mit weitreichenderen Auswirkungen auf globaler Ebene zu rechnen.

Die russische Invasion in der Ukraine zerschlug die Sicherheitsordnung, die seit dem Kalten Krieg in Europa herrschte. Meiner Meinung nach wird dies signifikante Auswirkungen auf verschiedene Bereiche der Regierungspolitik haben. Der Westen und Russland treten offenbar in eine neue Ära ein, die von einer stärkeren Konfrontationsbereitschaft und Fokussierung auf die wirtschaftliche Entflechtung geprägt sein dürfte. Sicherheit – sowohl in konventioneller militärischer Hinsicht als auch in Bezug auf den Cyberspace, Energie oder Nahrungsmittel – dürfte bei den Entscheidungen von Regierungen und Unternehmen künftig eine größere Rolle spielen. Die westlichen Regierungen bewegen sich bereits rasch in diese Richtung.

Die wachsende Bedeutung von Sicherheitsüberlegungen könnte jedoch indirekt weltweite Auswirkungen haben. In folgenden Bereichen erwarte ich künftig die größten Veränderungen:

Verteidigungsausgaben

Viele Jahrzehnte lang wurde der westliche Lebensstandard durch eine massive „Friedensdividende“ angehoben. Die US-Verteidigungsausgaben sind von 11,1 Prozent des BIP im Jahr 1967 (während des Vietnamkriegs) auf 6,9 Prozent des BIP in 1989 (dem Jahr des Berliner Mauerfalls) und auf heute knapp über 3,5 Prozent des BIP gesunken. Die Verteidigungsausgaben in Europa waren lange Zeit weitaus geringer als in den USA, sind aber auch über die letzten gut 30 Jahre um ein bis zwei Prozent des BIP gesunken. Heute geben Großbritannien und Frankreich etwas mehr als zwei Prozent ihres Nationaleinkommens für die Verteidigung aus, Deutschland und Italien nur etwa 1,5 Prozent. Bei UBS Global Wealth Management erwarten wir, dass sich diese „Friedensdividende“ umkehrt und die Rüstungs- und Verteidigungsausgaben in den kommenden Jahren steigen werden.

Deutschland hat sich bereits verpflichtet, die Verteidigungsausgaben von 1,5 Prozent auf über zwei Prozent des BIP anzuheben und andere europäische Regierungen dürften nachziehen. Gemessen an den Standards des Kalten Kriegs sind zwei Prozent des BIP allerdings immer noch sehr wenig, weshalb der Anteil weiter steigen könnte. In den USA ist es im aktuellen Fiskaljahr zwar möglicherweise zu spät für höhere Verteidigungsausgaben. Doch in den kommenden Jahren könnten sie hochgefahren werden.

Cybersicherheit

Da die Welt konfrontativer wird, ist eine starke, robuste Cyberabwehr umso wichtiger. Sicherheitsverletzungen bei Unternehmen kosten im Durchschnitt über vier Millionen Dollar. Und aufgrund des erhöhten Datenaufkommens werden die Kosten in der Zukunft wahrscheinlich steigen. Das Forschungs- und Beratungsunternehmen Gartner erwartet, dass der Gesamtumfang der Sicherheitsausgaben im Privatsektor im Zeitraum von 2021 bis 2025 jährlich um zehn Prozent wachsen wird. Regierungen dürften ebenfalls entschlossener vorgehen, um eine robuste Cyberabwehr sicherzustellen. Ihre Ausgaben könnten diese Schätzungen leicht übersteigen.

Chip-Nationalismus

Militärische und wirtschaftliche Sicherheit stützt sich – ebenso wie das Wirtschaftswachstum – zunehmend auf Technologie. Die Informationstechnologie ist wiederum auf die globale Halbleiterbranche angewiesen, die auf ein Umsatzvolumen von 600 Milliarden Dollar im Jahr 2022 zusteuert. Die wachsenden Bedrohungen der Cybersicherheit und die zunehmende Abhängigkeit von digitalen Technologien unterstreichen die Notwendigkeit eigener Halbleiterkapazitäten nach jahrelangem Outsourcing. Dies führte zur Entstehung eines „Chip-Nationalismus“, der die strategische Bedeutung der Halbleiterproduktion im eigenen Land widerspiegelt.

Wandel in der Energieversorgung

Die russische Invasion in der Ukraine hat einen Gesinnungswandel der westlichen Länder im Hinblick auf die Energiebeschaffung ausgelöst. Die USA haben bereits ein Verbot russischer Importe verhängt, obwohl diese nur drei Prozent des gesamten Ölkonsums der USA ausmachen und die USA kein Gas aus Russland importieren. Für Europa wird die Abwendung von Russland schwieriger, da etwa 25 Prozent des Öl- und 40 Prozent des Gasverbrauchs in der Europäischen Union aus Russland stammen. Jetzt hat die EU Pläne angekündigt, um „Europa noch deutlich vor 2030 von russischen Energieträgern unabhängig zu machen“.

Nahrungsmittelsicherheit

Die meisten Grundnahrungsmittel werden relativ lokal produziert. Der internationale Handel spielt jedoch eine wichtige Rolle, um das lokale Angebot, saisonale Muster und wetterbedingte Produktionsschwankungen auszugleichen. Russland ist der größte Weizenexporteur der Welt. Die Region ist auch ein bedeutender Produzent von Düngemitteln. Rund 20 Prozent der weltweiten Kaliproduktion stammen aus Russland und weitere 15 Prozent von ihrem Verbündeten Belarus. Störungen der Handelsruten haben die Preise bereits in die Höhe getrieben, in einigen Fällen auf Rekordniveaus. Dies dürfte weitere Investitionen in die Diversifikation der Lieferketten, die Stärkung der lokalen Produktion und die Verbesserung der Agrarerträge anregen.

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Fazit: Obwohl die russische Invasion in der Ukraine dazu führte, dass Sicherheitsfragen – wie höhere Ausgaben für Rüstung oder Cybersicherheit – wieder in den Mittelpunkt gerückt sind, erwarten wir, dass sich der Blick im Laufe der Zeit auch auf andere Bereiche richtet, wie die Versorgung mit Energie, Nahrungsmitteln und lokalen Industrieerzeugnissen.

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