Geldanlage in Krisenzeiten „Putin vernichtet den Zinseszins“

Wer sein Geld aus Angst vor Kriegen und anderen Katastrophen auf dem Girokonto lässt, muss zusehen, wie es dahinschmilzt. Quelle: dpa

Sparer verharren nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine im gefühlten Dauerkrisenmodus und trauen sich nicht an die Kapitalmärkte. Für die langfristigen Renditeaussichten ist dieses Zaudern ein Desaster.

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Russlands Angriff auf die Ukraine hat die Aussichten für die Weltwirtschaft verdüstert. Ökonomen warnen vor einer Stagflation, einem Szenario mit stagnierender Konjunktur und hoher Inflation. Die Kurse vieler Aktien dürften in einem solchen Umfeld nachgeben. Kaum verwunderlich also, dass viele Menschen ihr Geld momentan nicht in Aktien investieren wollen. „Es wird jetzt sehr schwierig, die Leute zum Einstieg zu bewegen“, sagt die selbstständige Finanzberaterin Mechthild Upgang.

Zahlreiche Deutsche warten bereits seit Jahren auf den idealen Zeitpunkt, um mit der Geldanlage zu beginnen. Der Krieg in der Ukraine dürfte viele von ihnen nun erst recht von einer Anlage am Kapitalmarkt abschrecken – mit bösen Folgen für den Vermögensaufbau und die Altersvorsorge.

Der Einstiegszeitpunkt für ein Aktieninvestment schien zuletzt nie perfekt. Erst drohte die Coronapandemie die globale Wirtschaft in die Knie zu zwingen. Nach dem Crash im März 2020 stiegen viele Börsenbarometer dann überraschend auf neue Höchststände – und zu teuer will man auch nicht einkaufen. Ob drohende Zinswende, Inflationspanik oder jetzt der Krieg: Immer gab und gibt es vermeintlich gute Argumente dafür, mit dem Investieren noch zu warten.

Inflation frisst Vermögen

Seit Beginn der Pandemie haben sich zwar viele Bundesbürger neu an den Aktienmarkt gewagt. Insgesamt ist der Anlagestau in Deutschland aber nach wie vor enorm. Bankeinlagen und Versicherungen hatten Ende 2021 noch immer einen Anteil von mehr als zwei Dritteln am Geldvermögen der deutschen Privathaushalte, zeigen Zahlen der DZ Bank. „Die Deutschen lassen viel Geld praktisch unverzinst auf dem Girokonto liegen. Zusammen mit der hohen Inflation sind das reale Wertverluste“, sagt Michael Stappel, Analyst der genossenschaftlichen Zentralbank.

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Das Zaudern hat Folgen für die Renditeaussichten. Denn bei langfristigen Investments spielen die Einstandskurse keine sonderlich große Rolle – der Zinseszinseffekt aber schon. Werden zwischenzeitliche Zinszahlungen, Ausschüttungen oder Kursgewinne reinvestiert, wirkt das über die Jahre hinweg wie ein Turbo fürs Portfolio. Dieser Turbo verliert mit jedem Jahr, das Sparer verstreichen lassen, an Schwung. „Putin vernichtet den Zinseszins“, sagt Finanzberaterin Upgang. Sie hat eine klare Meinung dazu, wann man mit der Aktienanlage beginnen sollte: „Der beste Zeitpunkt ist immer jetzt.“

Ein Weg, die Psyche auszutricksen und die Angst zu vor Verlusten zu überwinden, ist, in Raten zu investieren statt das gesamte Kapital auf einen Schlag. Börsenneulinge können etwa ihr Anlagekapital in mehrere Tranchen aufteilen und diese im Abstand von jeweils sechs Monaten investieren. So verschafft man sich selbst die Gewissheit, nicht die gesamte Summe dann anzulegen, wenn die Kurse kurz vor einem Absturz stehen.

Ruhig bleiben, wenn es kracht

Auch ein Sparplan hilft, die Angst vor einem Crash oder einem Bärenmarkt zu lindern. Wer jeden Monat einen kleinen Betrag in einen Aktienfonds oder einen ETF investiert, kauft automatisch mal zu hohen und mal zu tiefen Kursen. Er kauft auch dann, wenn alle anderen panisch aus dem Markt flüchten, wie es passieren könnte, wenn der Krieg in Osteuropa weiter eskaliert. Sparplananleger würden dann in kleinem Stil zu Kriegsgewinnlern – ohne moralisch fragwürdige Kaufentscheidungen getroffen zu haben. Einfach qua automatischer Kauforder.

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Wer bereits in Aktien investiert ist, steht jetzt vor einer anderen Herausforderung: trotz täglich neuer Hiobsbotschaften die Nerven zu behalten. Viele Anleger sind erst seit dem Corona-Crash 2020 dabei, haben etwa auf eigene Faust via ETF investiert. Eine Phase mit längerfristig schwächelnden Kursen haben sie noch nicht erlebt. „Das wird jetzt der Stresstest für die ganzen neuen ETF-Anleger“, sagt Upgang. Sie prophezeit: „Die, die jetzt hektisch aussteigen, werden in den nächsten Jahren nicht wiederkommen.“

Letztlich gilt fürs Dabeibleiben dasselbe wie fürs Neueinsteigen: durchhalten, nicht jeden Tag auf die Kurse schauen – und nicht von Untergangspropheten nervös machen lassen.

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