Der Brexit-Freitag war so ein Tag, der die Angst vieler Anleger vor Aktien zementiert: 6,8 Prozent büßte der deutsche Aktienindex Dax innerhalb eines Tages ein. Zwischenzeitlich stand er am Freitag 10 Prozent im Minus. Zieht ein Dax-Anleger an solch einem Tag auf dem Tief in Panik die Reißleine und packt das Geld aufs Sparbuch zu 0,05 Prozent, bräuchte er schlappe 210 Jahre, um seinen Tagesverlust auszugleichen - vor Steuern gerechnet.
Aktien sind riskant? Ihre Schwankungen können normale Anleger nicht ertragen? Nichts da. Mit einer simplen Anlagestrategie haben sie seit dem Jahr 2000 wenigstens fünf Prozent Rendite pro Jahr eingefahren. Egal, in welchem Jahr sie begonnen haben. Und, das ist der besondere Clou, die Strategie schützt auch noch vor Verlusten.
Als die Börsen Anfang des Jahres weltweit in die Knie gingen - der Dax verlor 19 Prozent, der Weltaktien-Index MSCI World 15 Prozent - , begrenzte sie die Verluste auf tragbare zwei Prozent. Als das überraschende Ergebnis des Brexit-Referendums am Freitag die Börsen weltweit nach unten riss, brachte die Anlagestrategie innerhalb eines Tages 1,3 Prozent Gewinn. War da was?
Geeignete Indexfonds (ETFs) und Anlagen für das Mischdepot
Indexfonds auf: MSCI World
Fondsgesellschaft: Comstage
ISIN: LU0392494562
Depotanteil: 30 Prozent (Die Anteile im Depot sollten jährlich auf das Ausgangsniveau gebracht werden)
Quelle: Anbieter, eigene Recherche
Indexfonds auf: Euro-Unternehmensanleihen
Fondsgesellschaft: iShares
ISIN: IE0032523478
Depotanteil: 30 Prozent (Die Anteile im Depot sollten jährlich auf das Ausgangsniveau gebracht werden)
Indexfonds auf: Gold in Euro
Fondsgesellschaft: Physisch oder DB x-trackers
ISIN: DE000A1E0HR8
Depotanteil: 25 Prozent (Die Anteile im Depot sollten jährlich auf das Ausgangsniveau gebracht werden)
Quelle: Anbieter, eigene Recherche
Sparprodukt: Tagesgeld Consorsbank
Zins pro Jahr: 1,0 Prozent [Zins für Neukunden (maximal 20.000 Euro, 12 Monate), sonst aktuell 0,2 Prozent bis 250.000 Euro]
Depotanteil: 15 Prozent (Die Anteile im Depot sollten jährlich auf das Ausgangsniveau gebracht werden)
Es klingt wie eines dieser "Wir machen Sie reich"-Angebote. Dabei steckt hinter der Strategie in Wirklichkeit nur eine Mischung aus je 30 Prozent Aktien und Anleihen, 25 Prozent Gold und 15 Prozent Tagesgeld. Extrem einfach - extrem erfolgreich.
Die WirtschaftsWoche hat die Strategie mehrfach vorgestellt (etwa in Ausgabe 3/2012) und ihre Wertentwicklung seitdem regelmäßig verfolgt. Seit Anfang 2009 brachte ein so aufgestelltes Mischdepot insgesamt 88 Prozent Gewinn, 2012 gestartete Anleger liegen gut 30 Prozent vorn (siehe Chart). Betrachtet man alle Startjahre seit 2000 waren pro Jahr zwischen fünf Prozent Rendite (im schlechtesten Fall, Depotstart im Jahr 2015) und neun Prozent im besten Fall (Start 2009) drin. Dieses Jahr liegt das Depot schon sechs Prozent vorn.
Zur Berechnung wurde bei Aktien die Entwicklung des MSCI World (inklusive Nettodividenden), bei Anleihen ein Korb von Euro-Unternehmenspapieren, für Gold die Wertentwicklung in Euro und bei der Cash-Komponente Tagesgeld ein längerfristiger Zins-Durchschnitt von 1,5 Prozent angesetzt.
Der große Erfolg des Mischdepots hat viel mit Disziplin zu tun. Jedes Jahr bringen Anleger die Anteile der einzelnen Anlageklassen wieder auf das Ausgangsniveau zurück.
So vermieden sie, dass stark gestiegene Anlagen immer mehr Einfluss bekommen und bei einer späteren Trendwende den Depotwert drücken. Gleichzeitig wahren Anleger die Chance, bei schwächelnden Anlagen später von einer Erholung zu profitieren.
Beispiel Gold
Beispiel Gold: 2013 büßte das Edelmetall, in Euro gerechnet, gut 30 Prozent ein. Weil der Anteil im Depot Anfang 2014 aber wieder erhöht wurde, profitierten Anleger von prozentual zweistelligen Preisanstiegen 2014 und bislang auch 2016.
Dieser starre Ansatz ist vor allem psychologisch wichtig. Er hilft, sich nicht von Stimmungen leiten zu lassen. Und zahlt sich aus: Zieht man alle Startjahre seit 2000 heran, hat das jährliche Anpassen der Anteile (Rebalancing) im Durchschnitt einen Prozentpunkt mehr Rendite im Jahr gebracht. Ein Renditeverlust ist so nie entstanden.
Wichtiger als die genaue Höhe der einzelnen Depotanteile ist das Einhalten der festgelegten Regeln. Wer das Depot einmal aufgebaut hat, der sollte nur noch die Anteile jedes Jahr auf das Ausgangsniveau bringen. Alternativ können Sparer mit Sparplänen auf Indexfonds (ETFs) mit regelmäßigen Einzahlungen nach der Strategie ein Vermögen aufbauen. Direktbanken bieten Sparpläne auf die vorgestellten ETFs teils ohne Kaufgebühren an. Wollen Anleger die Depotanteile dann zu Jahresbeginn anpassen, zahlen sie mit der nächsten Rate einfach mehr in zurückgebliebene Anlageklassen ein.
Doch zur Wahrheit gehört auch: Im Vergleich zu einer reinen Aktienanlage schneidet das Mischdepot langfristig schlecht ab. Seit 2012 hat der MSCI World 80 Prozent Gewinn inklusive Dividenden gebracht, das Mischdepot nur 30 Prozent. Allerdings müssen Aktienkäufer starke Schwankungen aushalten. Die tägliche Wertveränderung im MSCI World war seit Anfang 2012 im Mittel 22-mal größer als im Mischdepot. Schwankungen klingen nicht unbedingt bedrohlich.
In der Praxis können sie es aber durchaus sein: Waren Anleger zum Beispiel am 21. Mai 2015 per Indexfonds in den MSCI World eingestiegen, verloren sie bis zum Tief im Februar 2016 satte 20 Prozent. Vielen Sparern sind Aktien wegen solcher Verlustrisiken zu heikel. Das Mischdepot federt sie ab. Hier wären im selben Zeitraum nur fünf Prozent Verlust entstanden, weil Anleihen, Gold und Cash leicht gestiegen sind. Das ist kein Zufall: So entwickeln sich die Preise von Aktien und Gold häufig gegenläufig. Als der MSCI World zu Jahresbeginn zwischenzeitlich 15 Prozentverlor, stieg Gold, in Euro gerechnet, um 13 Prozent.
Minibonds: Diese Anleihen sollten Anleger im Auge behalten
Bondvolumen (in Mio. Euro): 225, Anleihe 2018
Kurs: 97,5
Rendite: 9,7 %
Finanzergebnis 3. Quartal: –20,9 Millionen Euro; Eigenkapital –544 Millionen; überlebt nur dank Großaktionär Etihad, der mit Tricks finanziert, zuletzt über Stiftung.
Quelle: Börsen, Unternehmensangaben, eigene Recherche
Stand: 10. Februar 2016
Bondvolumen (in Mio. Euro): 45
Kurs: 72,5
Rendite: 26 %
Cashflow (zeigt, wie viel in die Kasse kommt) lag zum 30.6. bei –21 Millionen Euro; bereinigtes Ebit (Vorsteuergewinn) zum 30.9. bei –14 Millionen Euro.
Bondvolumen (in Mio. Euro): 30
Kurs: 21,1
Rendite: 80,6 %
2015 bis zu –15 Millionen Euro Ebit-Verlust erwartet; schließt 16 Filialen.
Bondvolumen (in Mio. Euro): 275
Kurs: 62
Rendite: 33,2 %
Nur 290 Millionen Euro Umsatz im 1. Halbjahr 2015, aber 1771 Millionen Nettofinanzschulden; dafür hohe 127 Millionen Euro Cashflow aus dem operativen Geschäft.
Bondvolumen (in Mio. Euro): 210, Anleihe 2017
Kurs: 87
Rendite: 19,1 %
Mit 621 Millionen Euro hoch verschuldet; dünnes Eigenkapital (16 Prozent); Herausforderung: 2017 muss KTG stolze 210 Millionen Euro tilgen; 2019 einen zweiten Bond.
Bondvolumen (in Mio. Euro): 183
Kurs: 6,1
Rendite: 1172,1 %
Sitz nach London verlegt, Anleihe wird dort restrukturiert; Verlust im Kurs drin.
Bondvolumen (in Mio. Euro): 60
Kurs: 18,8
Rendite: 369,4 %
Will seine Anleihe derzeit restrukturieren; Anleger sollen auf Geld verzichten.
Bondvolumen (in Mio. Euro): 25
Kurs: 30
Rendite: 156,3 %
Umsatz sinkt; negativer Cashflow aus Geschäftstätigkeit (zeigt, wie viel in die Kasse kommt); Prüfung, ob Anlegergeld vorschriftsgemäß investiert worden ist.
Als die Brexit-Entscheidung den Dax abstürzen ließ, notierte der Goldpreis in Euro über sieben Prozent im Plus. Weil der weltweite Industrieländer-Aktienindex MSCI World gleichzeitig nur 2,9 Prozent verlor, beendeten Mischdepot-Anleger den Tag sogar mit 1,3 Prozent Gewinn.
Gut für die Psyche: Wer zumindest bei einigen Anlageklassen ein Pluszeichen im Depot sieht, der wirft auch nicht gleich seine Anlagestrategie über den Haufen. Das nämlich ist beim vorgestellten Ansatz am wichtigsten: durchhalten!