Anleger, die ihr Geld im vergangenen Jahr in einen kleinen Indexfonds (ETF) mit dem Tickerkürzel EGIS investiert haben, können zufrieden auf 2021 zurückblicken. Der Fonds hat in den vergangenen zwölf Monaten kräftig zugelegt, stieg um mehr als 27 Prozent. Damit schnitt das Produkt des kleinen Vermögensverwalters 2nd Vote Advisers besser ab als der breite US-Aktienindex S&P 500. Eine Erfolgsgeschichte also.
Trotzdem dürfte EGIS nicht für jeden Anleger passend sein. Denn der Fonds mit dem Langtitel „Society Defended ETF“ lockt nicht nur mit Rendite, sondern auch mit einer Mission. Er setzt sich aus Aktien von Unternehmen zusammen, die sich explizit für lockere Waffengesetze und eine knüppelharte Einwanderungspolitik einsetzen. (Welche Chancen teuflische Aktien für Privatanlegern bieten, erfahren Sie hier.)
Firmen, die sich hingegen dem liberalen Zeitgeist anpassen oder sonst den immer weiter verbreiteten Nachhaltigkeits-Initiativen der Finanzindustrie nacheifern, haben hingegen keine Chance, aufgenommen zu werden. Unter den zehn größten Positionen des ETFs befindet sich unter anderem die Einzelhandelskette Costco, das Medienunternehmen Fox, der Pharmariese Regeneron und die Investmentbank Goldman Sachs. Anders als bei den weit verbreiteten ETFs, etwa auf den MSCI World, werden bei Spezial-ETFs, wie sie auch 2nd Vote Advisers anbietet, maßgeschneiderte Indizes nach speziellen Anforderungen gebaut, die der ETF dann abbildet. Sie ähneln damit eher aktiv gemanagten Fonds als den gängigen Indexfonds, die rein passiv einem allgemein beachteten Index folgen.
Geld verdienen mit Abtreibungsgegnern
EGIS ist nicht der einzige Fonds, mit dem 2nd Vote Advisers Rendite erzielen will. Ein zweiter ETF des Unternehmens investiert nur in Firmen, die das Thema Abtreibung zumindest weitläufig umfahren oder das Recht von Frauen auf einen Schwangerschaftsabbruch explizit ablehnen. Hier bilden die Aktien des Halbleiterherstellers Lam Research, die Baumarktkette Home Depot und der Cloud Computing Dienstleister Service Now die Spitzengruppe der Assets. Auch dieser Fonds schloss im vergangenen Jahr besser ab als der S&P500. Das Tickerkürzel lässt auch den uninformierten Investor erahnen, worum es dem Anbieter geht: Es lautet LYFE, wie life (also Leben).
2nd Vote Advisers ist ein Vermögensverwalter mit einer Mission – allerdings einer dezidiert anderen, als die meisten anderen Anbieter wertebasierter Finanzprodukte. „Wir arbeiten an Themen, die Libertären und Konservativen wichtig sind“, heißt es auf der Homepage des Fonds. Nie werde man sein Stimmrecht auf Aktionärsversammlungen dafür einsetzen, „ESG-Initiativen zu unterstützen, die die Rendite reduzieren oder gegen die Werte der Investoren verstoßen.“ Und diese Werte sind klar umrissen: Pro-Waffenrecht, Anti-Abtreibung, gegen eine vermeintliche Zensur. Weit entfernt vom Augenmerk von ESG-Investoren, die eben auf Umweltschutz, Soziales und gute Unternehmensführung achten wollen (Environment, Social and Governance).
Für Trump-Fans ideal geeignet
Gegründet wurde 2nd Vote Advisers von einer ehemaligen republikanischen Kongressabgeordneten, ihrem Ehemann und einem ehemaligen JP-Morgan-Chase-Banker, Daniel Grant, dem die vermeintlich weltverbessernden Anwandlungen seiner Branche zunehmend auf die Nerven gingen. „Die Menschen haben es satt, dass Unternehmen ihren Sozial-Gerechtigkeits-Aktivismus über das Generieren von Gewinnen für ihre Aktionäre stellen“, sagte Grant einmal dem Finanzinformationsdienst Bloomberg.
Geld sammelte er unter anderem mit Auftritten in der Radioshow eines geschassten Mitarbeiters von Ex-Präsident Donald Trump ein. Kevin Hassett, unter Trump zeitweise Leiter des White House Councils of Economic Advisers, sitzt im Board.
Demnächst soll ein neuer ETF an den Start gehen, der der Meinungsfreiheit gewidmet sein wird. Aktien von Facebook-Mutter Meta, Twitter oder Google werden nicht enthalten sein. Der Titel: „First Amendment Fund“ – in Anlehnung an den ersten Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung, der die Meinungsfreiheit garantiert. Womöglich könnte das Medienunternehmen von Expräsident Trump ein passendes Investment sein.
2nd Vote Advisers ist nicht die einzige Firma, die konservative Investoren als ihre Zielgruppe ausgemacht hat. Bereits seit 2017, dem Jahr als Donald Trump die US-Präsidentschaft übernahm, bietet eine kleine Firma aus Fort Worth, Texas, den GOP Stock Tracker ETF an, Tickerkürzel sinnigerweise: MAGA. Im vergangenen Herbst ging zudem der American Conservative Values ETF (ACVF) an den Start, der jedoch auch zahlreiche traditionelle Blue-Chip-Wertpapiere wie Aktien von Microsoft, NVIDIA, Tesla oder Berkshire Hathaway unter seinen wichtigsten Positionen führt. Beide ETFs konnten sich im vergangenen Jahr über ordentliche Zugewinne zwischen 26 und 29 Prozent freuen.
Überzeugung hat ihren Preis
Das sind Renditen, die so manchen herkömmlichen ESG-Fonds schlecht aussehen lassen. Ein gutes Geschäft für Anleger sind sie dennoch nicht zwangsläufig. Denn deutlich über dem Ergebnis eines klassischen Indexfonds liegen die Gewinne der konservativen ETFs nicht. Dafür sind sie vergleichsweise teuer. Die Gebühren der 2nd-Vote-Fonds liegen bei stolzen 0,75 Prozent. Zum Vergleich: Den Vanguard S&P 500 ETF gibt es für 0,03 Prozent.
Aber echte Überzeugung sollte natürlich keine Frage des Preises sein – egal in welcher Ecke des Meinungsspektrums.
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