Geldanlage "Anleger werden auf jeden Fall Vermögen verlieren"

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Schon Adenauer irrte

Wie die Deutschen ihr Geld anlegen
Im Jahre 2012 hatten die deutschen Bürger ein Gesamtvermögen von rund 4,94 Billionen Euro. Bis auf die Jahre 2002 und 2008 stieg das Vermögen der Deutschen stetig. Wie stark es zugenommen hat, zeigt ein Vergleich mit dem Jahr 1991. Zu dieser Zeit kumulierten die privaten Haushalte ein Kapital von gerade einmal 1,9 Billionen Euro. Die Übersicht zeigt, wo sich das Geld der Deutschen befindet. Quelle: dpa
In festverzinsliche Wertpapiere wurden im vergangenen Jahr nur 238 Milliarden Euro investiert. Zwar gelten zum Beispiel Staatsanleihen aus Deutschland als besonders sicher, doch die Rendite bewegt sich oft sogar unter dem Inflationsniveau. Staatsbonds aus den Euro-Krisenländern Spanien und Italien werfen hingegen recht hohe Zinsen ab, doch das Verlustrisiko ist dementsprechend hoch. Quelle: dpa
Seit 2007 nimmt das angelegte Geld in festverzinsliche Finanzprodukte ab. 2011 lagen noch 247,1 Milliarden Euro in Staats-, Wandel, und Indexanleihen, um nur einige festverzinsliche Anlagemöglichkeiten zu nenne. Indexanleihen werden in Deutschland bisher allerdings nur selten vergeben. Emissionen solcher Anleihen erfolgen nur unter Genehmigung der Bundesbank. Quelle: dpa
Rund 259 Milliarden Euro liegen in Aktien. In Relation zum Gesamtvermögen sind das gerade einmal fünf Prozent. Anfang der 1960er-Jahre betrug der Aktienanteil noch 20 Prozent. Die Scheu, Geld in Aktien anzulegen, kann nicht mit den Renditen erklärt werden. Denn 1987 notierte der Dax noch bei 1.000 Punkten, mittlerweile hat sich der Kurs, trotz mehrfacher Rückschläge, mehr als verachtfacht. Keine andere Analagemöglichkeit bietet langfristig so hohe Renditen. Quelle: dpa
Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt aber, dass der Aktienanteil zyklischer Veränderung unterliegt. Je nach Börsengeschehen verändert sich der Anteil. Während 2007 knapp 371 Milliarden Euro in Aktien investiert waren, verringerte sich das Volumen im darauffolgenden Jahr auf 182 Milliarden Euro. Die Veränderung von 2011 auf 2012 hingegen war von 222 Milliarden auf 259 Milliarden Euro wieder eine positive. Quelle: dpa
Investmentfonds unterliegen den gleichen Schwankungen wie Aktien. Im vergangenen Jahr investierten die Deutschen rund 420 Milliarden Euro in solche Fonds und damit knapp 25 Milliarden mehr als noch 2011. Doch bereits 2007 lagerten die Bundesbürger über 467 Milliarden Euro in Investmentfonds. Quelle: dpa
Geldanlagen bei Versicherungen stehen bei den Deutschen hoch im Kurs. Rund 1,5 Milliarden Euro des Geldvermögens liegen bei den Versicherungen. Besonders beliebt sind Lebensversicherung, Pensionskassen und Versorgungswerke. Quelle: dpa

Also ist Merkels Austeritätspolitik falsch?

Sie reicht nicht aus. Die Versprechen der Politik hinsichtlich der Rente zum Beispiel sind vollkommen ungedeckt, weil kein Kapitalstock aufgebaut wurde. Nicht nur in Spanien, auch in Deutschland ist das so. Es ist in einer alternden Gesellschaft schlicht nicht mehr zu halten. Schon Adenauer irrte, als er die Kritik an der rein umlagefinanzierten Rente salopp mit dem Spruch „Kinder kriegen die Leute immer“ wegwischte. Hier müsste viel mehr getan werden.

Nämlich was?

Noch höhere Rentenalter. Dann müssten alle ihren Beitrag leisten: Die Vermögenden über höhere Steuern, die Armen durch geringere Sozialleistungen. Im Moment zahlt nur die Mitte, über reale Einkommenseinbußen; das sind aber ausgerechnet die Leistungsträger. Wir brauchen mehr Investitionen in Bildung, mehr Mütter im Job, mehr intelligent gesteuerte Zuwanderung. Und wir müssten den Ressourcenverbrauch und den Klimawandel bremsen. Alles Dinge, die uns sehr viel teurer zu stehen kommen, je länger wir sie aufschieben. Nichts davon passiert, weil wir mit der Schuldenkrise beschäftigt sind.

Wie geht es nun wahrscheinlich weiter?

Es gibt vier Möglichkeiten: Erstens: Alle Welt spart und zahlt die Schulden ganz normal zurück. Das wünschen wir uns als Gläubiger und entspricht der Politik der Kanzlerin. Dass das nicht gehen wird, liegt auf der Hand: Je mehr wir sparen, desto mehr leiden Konsum und Investitionen in der ohnehin fragilen Weltwirtschaft.

Zweitens: aus den Schulden herauswachsen. Reales Wachstum können wir angesichts der demografischen Entwicklung kein großes erwarten. Wir sollten aber alles tun, um die Wachstumskräfte der Wirtschaft zu stärken. Gerade die hohe Jugendarbeitslosigkeit in der Peripherie ist fatal: eine ganze Generation wird weniger produktiv sein und weniger zum Wirtschaftswachstum beitragen.

Verbleibt die Hoffnung das Wachstum inklusive Inflation über den Nominalzins zu treiben.

Richtig. Das wäre dann die berühmte Financial Repression. Im Prinzip stecken wir darin seit 2008, aber es wird leider nicht reichen, um der Schuldenberge Herr zu werden.

Wieso nicht? Dass es geht, ist schon bewiesen: Die USA haben sich in den 1950er und 1960er Jahren mit negativen Realzinsen ihrer Schulden nach dem Zweiten Weltkrieg entledigt.

Schon richtig. Aber erstens waren die Jahre von 1945 bis 1965 geprägt von weltweitem Wirtschaftswachstum und technologischen Neuerungen. Zweitens waren damals nur die Staaten hoch verschuldet, der Privatsektor hatte nur geringe Schulden. Außerdem wuchs die Bevölkerung der Industrieländer stark, heute schrumpft sie, oder sie stagniert. Da fehlen Konsumenten. Außerdem überaltern wir, und ältere Menschen bauen selten Häuser, bestellen beim Schreiner keinen Schrank und auch kaum neue Kleidung und Autos. Die Financial Repression ist zwar die Lösung, die die Notenbanken offensichtlich anstreben, aber ich bin skeptisch, dass man sie lange genug durchziehen kann. In Deutschland bräuchte man rund 17 Jahre lang negative Realzinsen von rund 1 Prozent, in UK schon 48 und in Japan über 80 Jahre, um die Schulden wieder auf ein erträgliches Maß zurückzufahren.

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