Also ist Merkels Austeritätspolitik falsch?
Sie reicht nicht aus. Die Versprechen der Politik hinsichtlich der Rente zum Beispiel sind vollkommen ungedeckt, weil kein Kapitalstock aufgebaut wurde. Nicht nur in Spanien, auch in Deutschland ist das so. Es ist in einer alternden Gesellschaft schlicht nicht mehr zu halten. Schon Adenauer irrte, als er die Kritik an der rein umlagefinanzierten Rente salopp mit dem Spruch „Kinder kriegen die Leute immer“ wegwischte. Hier müsste viel mehr getan werden.
Nämlich was?
Noch höhere Rentenalter. Dann müssten alle ihren Beitrag leisten: Die Vermögenden über höhere Steuern, die Armen durch geringere Sozialleistungen. Im Moment zahlt nur die Mitte, über reale Einkommenseinbußen; das sind aber ausgerechnet die Leistungsträger. Wir brauchen mehr Investitionen in Bildung, mehr Mütter im Job, mehr intelligent gesteuerte Zuwanderung. Und wir müssten den Ressourcenverbrauch und den Klimawandel bremsen. Alles Dinge, die uns sehr viel teurer zu stehen kommen, je länger wir sie aufschieben. Nichts davon passiert, weil wir mit der Schuldenkrise beschäftigt sind.
Wie geht es nun wahrscheinlich weiter?
Es gibt vier Möglichkeiten: Erstens: Alle Welt spart und zahlt die Schulden ganz normal zurück. Das wünschen wir uns als Gläubiger und entspricht der Politik der Kanzlerin. Dass das nicht gehen wird, liegt auf der Hand: Je mehr wir sparen, desto mehr leiden Konsum und Investitionen in der ohnehin fragilen Weltwirtschaft.
Zweitens: aus den Schulden herauswachsen. Reales Wachstum können wir angesichts der demografischen Entwicklung kein großes erwarten. Wir sollten aber alles tun, um die Wachstumskräfte der Wirtschaft zu stärken. Gerade die hohe Jugendarbeitslosigkeit in der Peripherie ist fatal: eine ganze Generation wird weniger produktiv sein und weniger zum Wirtschaftswachstum beitragen.
Verbleibt die Hoffnung das Wachstum inklusive Inflation über den Nominalzins zu treiben.
Richtig. Das wäre dann die berühmte Financial Repression. Im Prinzip stecken wir darin seit 2008, aber es wird leider nicht reichen, um der Schuldenberge Herr zu werden.
Wieso nicht? Dass es geht, ist schon bewiesen: Die USA haben sich in den 1950er und 1960er Jahren mit negativen Realzinsen ihrer Schulden nach dem Zweiten Weltkrieg entledigt.
Schon richtig. Aber erstens waren die Jahre von 1945 bis 1965 geprägt von weltweitem Wirtschaftswachstum und technologischen Neuerungen. Zweitens waren damals nur die Staaten hoch verschuldet, der Privatsektor hatte nur geringe Schulden. Außerdem wuchs die Bevölkerung der Industrieländer stark, heute schrumpft sie, oder sie stagniert. Da fehlen Konsumenten. Außerdem überaltern wir, und ältere Menschen bauen selten Häuser, bestellen beim Schreiner keinen Schrank und auch kaum neue Kleidung und Autos. Die Financial Repression ist zwar die Lösung, die die Notenbanken offensichtlich anstreben, aber ich bin skeptisch, dass man sie lange genug durchziehen kann. In Deutschland bräuchte man rund 17 Jahre lang negative Realzinsen von rund 1 Prozent, in UK schon 48 und in Japan über 80 Jahre, um die Schulden wieder auf ein erträgliches Maß zurückzufahren.