Geldprofi Felix Zulauf "Unendliches Leid über Europa"

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Euro wird nicht überleben können

Warum hat man es nicht so gemacht?

Die Franzosen haben sich durchgesetzt, die glaubten, nach der Währungsunion würden sich die Strukturanpassungen dann von selbst ergeben.

Das wurde auch hierzulande gelehrt.

Richtig, die Mehrheit der Ökonomen hat das unterstützt. Aber es gab eine Minderheit, die die Bedenken klar angesprochen hat. Aber ihre Vertreter wurden immer belächelt und als Anti-Europäer hingestellt. Das war und ist immer noch falsch.

Wird die Europäische Zentralbank (EZB) das Ende des Euro ohne Gegenwehr zulassen, sich also selbst überflüssig machen?

Die EZB wird immer wieder neue Geschütze auffahren. Mit den LTRO-Krediten an die Banken hat sie die Büchse der Pandora geöffnet, gezwungenermaßen. Hätte sie das nicht gemacht, hätten Spanien und Italien einen Bankenkollaps erlebt, ihre Volkswirtschaften wären komplett eingebrochen. Diesem Schritt werden weitere folgen, die EZB weiß selbst aber noch gar nicht, wie stark sie ihre Bilanz in den nächsten Jahren aufblasen muss, wenn sie das System zusammenhalten will.

Die EZB sagt, sie wollte mit LTRO eine Kreditklemme in Südeuropa verhindern.

Das ist keine Kreditklemme, das ist ein Bankrott des Bankenapparates und der Regierungen mehrerer Länder. Die bankrotten Banken müssen die bankrotten Staaten finanzieren und bekommen dafür die Finanzierung zu günstigsten Konditionen von der EZB bereitgestellt.

Wäre es für den Steuerzahler nicht billiger, wenn die EZB die Staaten direkt zu einem Zinssatz von einem Prozent finanzieren würde, also ohne den teuren Umweg über die Banken?

Sicher, auf den ersten Blick wäre das günstiger. Aber da gibt es rechtliche Hürden, deshalb wählt man den Umweg. Diese Geldpolitik ist natürlich höchst ungesund. Aus der Geschichte von Deutschland bis Simbabwe wissen wir, dass es nach im Schnitt fünf Jahren, in denen eine Notenbank über ein Drittel des Staatshaushaltes finanziert, zu einer Währungsreform kommen wird. In den USA und Großbritannien sind wir schon heute über dieser Schwelle und auch in Europa und Japan wird sie überschritten werden.

Wollte die EZB via LTRO auch Großbanken aus dem Ausland den Ausstieg aus Spanien und Italien erleichtern?

Das war nicht ihr Grundgedanke. Ich glaube aber, die Weitsichtigen unter den Verantwortlichen sind nicht unglücklich darüber, wenn sich das europäische Bankensystem wieder nationalisiert, also zum Beispiel spanische Banken vor allem spanische Staatsanleihen halten. Eine Rückkehr zu nationalen Währungen könnte so mit weniger Schmerzen ablaufen.

Hat der Euro überhaupt keine Chance mehr?

Realistisch betrachtet wird er nicht überleben können. Eine Chance hätte er nur in einer umfassenden Fiskalunion, also mit gemeinsamer Haushaltspolitik. Die aber wäre nur in einer politischen Union möglich, also in den Vereinigten Staaten von Europa. Zu diesem Schritt aber sind die europäischen Völker nicht bereit. Deshalb wird die Politik weiterhin Kompromisse machen, und deshalb bleiben wir in einer mehrjährigen Dauerkrise – bis der Euro gescheitert ist.

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