Geldprofi Felix Zulauf "Unendliches Leid über Europa"

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Europa will Gleichgewicht auf Deutschlands Kosten

Euro-Streit in der Wirtschaft
Audi-Chef Rupert Stadler Quelle: dpa
Wolfgang Reitzle Quelle: dpa
Peter Löscher Quelle: dapd
Lutz Goebel Quelle: Maria Schulz
Hans-Peter Keitel Quelle: Reuters
Franz Fehrenbach Quelle: dapd

Einen New Deal will auch der neue französische Staatspräsident. Als Ergänzung zum Fiskalpakt soll ein Wachstumspakt geschnürt werden. Die Haushalte konsolidieren und zugleich Wachstumsimpulse fördern – wie funktioniert das ohne zusätzliche Ausgaben?

Das ist Wunschdenken, es funktioniert nicht. Wenn man mehr Wachstum will, kann man entweder in alter Keynes-Manier Konjunkturprogramme auflegen, etwa Investitionen in die Infrastruktur. Die aber treiben die Staatsverschuldung weiter in die Höhe. Oder man leitet Strukturreformen ein, um effizienter zu werden, etwa über Liberalisierungen und Privatisierungen. Das führt in einer ersten Phase aber dazu, dass die Konjunktur geschwächt wird.

Europa versucht beides gleichzeitig. Der Fiskalpakt soll zum Sparen verpflichten...

...wird aber wahrscheinlich nicht von allen Ländern ratifiziert werden. Bevor der Wachstumspakt überhaupt kommt, ist der Fiskalpakt also de facto gestorben. Es werden Verträge geschlossen, die dann jeweils wieder schnell gebrochen werden. Alle wichtigen Eckpunkte des Grundvertrages zur Europäischen Währungsunion sind ja inzwischen gebrochen worden, was die Verluderung unserer Rechtsstaaten aufzeigt. An der verfahrenen Situation wird sich absolut nichts ändern.

Lassen sich die Ungleichgewichte in der Eurozone durch mehr Inflation in Deutschland beseitigen?

Theoretisch wäre das machbar. Wenn Deutschland die Lohnstückkosten um 20 bis 30 Prozent anhebt, etwa über eine massive Erhöhung der Löhne, wären die anderen Länder wettbewerbsfähiger und könnten auf mehr Ausfuhren nach Deutschland hoffen. Aber die Verschuldungsproblematik wäre damit nicht behoben. Sollte Deutschland das machen, müsste der deutsche Lohnempfänger, der bisher eine gewisse Sparsamkeit gepflegt hat, plötzlich heftig konsumieren. Aber das entspricht nicht der deutschen Mentalität. Und das seit Gründung der Bundesrepublik praktizierte Erfolgsmodell Deutschlands, über große Wettbewerbsfähigkeit zu wachsen, wäre zu Ende. Deutschland sollte diesen Weg nicht gehen.

Europa sieht das anders.

Normalerweise orientiert sich jeder Mensch an den großen Leistungsträgern und eifert den Erfolgreichen nach. Dass sich Deutschland nun in der Rangliste nach hinten orientieren soll, zeugt von völlig falschem Denken. Ein deutlich schwächeres Deutschland wäre für ganz Europa eine Katastrophe, da der Kontinent im globalen Wettbewerb deutlich abfallen und der allgemeine Wohlstand deutlich sinken würde.

Auch die Bundesbank spricht plötzlich davon, dass es nicht so schlimm wäre, wenn die Inflation in Deutschland etwas höher wäre als im Rest der Eurozone.

Das sind politische Äußerungen, die nicht wirklich ernst gemeint sind. Die Bundesbank will Vorwürfe, die kommen werden, wenn der Euro eines Tages zerbricht, von sich weisen können. Sie kann dann später behaupten, dass sie im Prinzip für gewisse Anpassungen offen gewesen sei.

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