Mangels gesetzlicher Bestimmungen können die Unternehmen ihre Konditionen sehr flexibel gestalten. Deshalb gilt es, die jeweiligen Genussscheinbedingungen genau unter die Lupe zu nehmen (siehe Kurztexte). Oliver Eichmann prüft vor einer Investition vor allem die Bonität. „Anleger sollten wissen, dass sie mit Genussscheinen auch Geld verlieren können, ohne dass das Unternehmen insolvent geht“, so der DWS-Fondsmanager.
Bei vielen Emissionen holen Unternehmen zuvor ausgefallene Zahlungen in Jahren mit schwarzen Zahlen wieder auf. „Da muss ich prüfen, wie es um die Chancen für eine Aufholung wirklich bestellt ist“, sagt Eichmann. Negativ wären etwa bilanzielle Verlustvorträge, die einer Nachholung von Zahlungen entgegenstehen.
Genussscheine: Die wichtigsten Merkmale im Überblick
Für ein Renditeplus müssen Käufer von Genussscheinen einige Risiken übernehmen. Um einen Blick in den Prospekt kommen Käufer nicht herum. Genussscheine gibt es entweder mit fester oder mit unbegrenzter Laufzeit. Die Ausschüttung ist selten fix, sondern fast immer erfolgsabhängig; dabei gibt es Papiere mit und ohne Mindestverzinsung sowie mit variabler Verzinsung. Einige können später in Aktien gewandelt werden.
Die Ausschüttung auf einen Genussschein hängt vom Jahresergebnis des Unternehmens ab. Der Zins wird nach der Hauptversammlung oder der Sitzung, in der Gewinn und Dividende festgestellt werden, ausgezahlt. Ausgeschüttet wird nur, wenn das Unternehmen einen ausreichenden Jahresüberschuss oder Bilanzgewinn erwirtschaftet. Maßgeblich dafür sind die Bilanzen nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (HGB), nicht solche nach internationalen Rechnungslegungsregeln. Bei einem Verlust nach HGB kann die Ausschüttung ausfallen.
Anders als bei Anleihen bezahlen Anleger keine Stückzinsen, in denen anteilig kommende Zinszahlungen des laufenden Jahres vorweggenommen werden. Denn der Ausschüttungsanspruch ist ja, anders als bei festverzinslichen Anleihen, nicht fix. Bei börsengehandelten Papieren spiegelt der Kurs die Erwartungen an die Ausschüttung zeitanteilig wider. Deutet sich etwa wegen Verlusten zum Halbjahr ein Ausfall der Ausschüttung an, fällt der Kurs. Am Ausschüttungstag reduziert sich der Kurs um die ausgezahlte Summe.
Renditeberechnungen analog zu denen von Anleihen sind nur bei Papieren mit festgelegter Ausschüttung und vorab fester Laufzeit möglich – und nur, wenn kein Ausfall des Zinses unterstellt wird. Zinsausfälle oder -reduzierungen sollten Investoren aber ins Kalkül ziehen. Anleger lassen sich also auf eine Wette ein. Die Rückzahlung eines Genussscheins erfolgt meist zum Nennwert. Genussscheine sind meist mit Kündigungsrechten zugunsten der Unternehmen und häufig zusätzlich mit solchen zugunsten der Inhaber ausgestattet. Zudem gibt es Sonderkündigungsrechte der Unternehmen, etwa für den Fall, dass sich steuerliche Rahmenbedingungen ändern.
Wegen ihrer komplexen Konstruktion und größerer Risiken versprechen Genüsse höhere Renditen als Spargelder und viele Anleihen. Ähnlich wie bei Anleihen tragen Anleger ein Bonitätsrisiko: Verschlechtert sich die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens, fallen die Kurse. Hinzu kommt das Zinsänderungsrisiko: Steigen die Zinsen deutlich, werden neue Anleihen mit guter Bonität attraktiver. Ältere Genussscheine verlieren dagegen an Attraktivität. Je stärker das Zinsniveau steigt und je länger die Restlaufzeit des Genussscheins ist, desto mehr verliert er an Wert.
Da die Ausschüttung von Genussscheinen direkt an Gewinne des Emittenten gebunden ist, droht ein Ausfall der Zahlung bei Verlusten. Erreicht das Unternehmen nach Verlusten wieder die Gewinnzone gibt es bei vielen Scheinen einen Anspruch auf Nachzahlung. Dieser gilt allerdings nur während der Laufzeit. Kehrt ein Unternehmen erst in die Gewinnzone zurück, nachdem ein Genussschein bereits wieder zurückgezahlt worden ist, besteht kein Anspruch auf Nachzahlung. Verluste des Unternehmens können bei einigen Scheinen sogar zu einer Aussetzung oder Reduzierung der Rückzahlung führen. Bei Pleiten haben Genussscheininhaber mehr Ansprüche als Aktionäre, stehen aber in der Schlange der Anspruchsberechtigten hinter allen anderen Gläubigern. Oft bekommen sie gar nichts.
Auch börsennotierte Genussscheine werden seltener gehandelt als viele Aktien. Dementsprechend lassen sie sich nicht immer im Handumdrehen verkaufen. Bei nicht börsennotierten ist der vorzeitige Verkauf nahezu unmöglich.
Grundsätzlich sind Genussscheine etwas für Langfristinvestoren. „Zum schnellen Umschlag wie etwa Aktien sind sie eigentlich nicht gedacht“, so Eichmann, der aber bei „einer sich verschlechternden Kreditqualität des Unternehmens“ Papiere auch mal abstößt.
Wie stark es auf die Details ankommt, zeigen die Scheine von Drägerwerk. Das Lübecker Medizintechnikunternehmen (Umsatz 2013: 2,4 Milliarden Euro) hat drei Genussscheine an der Börse notiert, in den Serien A, D und K. Die Jahresverzinsung der drei Papiere bemisst sich an der Dividende der an der Börse notierten Vorzugsaktien. Zudem verlieren Investoren jeweils Geld, sollte Drägerwerk sein Kapital herabsetzen.
Feinheiten sind wichtig
Anleger erhalten bei einer Kündigung durch das Unternehmen entweder den zehnfachen Kurswert der Aktien in bar oder gleich Drägerwerk-Aktien, entweder Stamm- oder Vorzugstitel oder auch Papiere von einem mit Drägerwerk verbundenen Unternehmen. Eine mögliche Barzahlung könnte in den Scheinen der Serien A und D laut Prospekt noch um einen steuerlich bedingten Abschlag korrigiert werden. Dieser Passus hat aber nach Information des Unternehmens aktuell steuerrechtlich keine Relevanz, sprich, Anlegern würde mit Stand heute auch nichts abgezogen.
Wichtig sind andere Feinheiten: Inhaber können die Genussscheine der Serie A nicht selbst kündigen; Serie A und K nehmen im Gegensatz zu Papieren der Serie D nicht an Jahresverlusten von Drägerwerk teil. Wer als Inhaber die Titel der Serie K oder D kündigt, bekommt eine Rückzahlung, die sich am Kurs des Genussscheins der vergangenen drei Monate orientiert.
Vor zwei Jahren hat Drägerwerk versucht, alle Inhaber der Genussscheine per Abfindung loszuwerden, weil das internationale Rechnungslegungswerk IFRS die Anrechnung von Genussrechten als Eigenkapital stark eingeschränkt hat. Damals wurden 210 Euro je Schein geboten.