"Es gibt keine zerknitterten Geldscheine mehr. Alle Scheine aus dem Automaten sind so glatt und sauber. Die drucken wie verrückt immer neues Geld", so ein 68-jähriger Rentner in der Innenstadt von Oelde, Westfalen.
Die Zahlen der Euro-Notenbanken widerlegen den bösen Verdacht des Rentners: Die Notenbanken werden bis Ende 2011 Banknoten für 171 Milliarden Euro drucken – 94 Milliarden weniger als 2010. Doch die Ängste bleiben, auch nach dem von den Finanzmärkten gefeierten Euro-Gipfel. Bester Beleg dafür: Der zuvor stark gestiegene Goldpreis zeigte sich von den Beschlüssen zu Griechenland-Schuldenschnitt und Bankenkapitalisierung unbeeindruckt. Tief im Bewusstsein vieler Menschen steckt, was Otmar Issing, Ex-Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), unlängst diagnostizierte: „Gold findet mehr Vertrauen als viele Währungen. Anleger fürchten um die Sicherheit ihrer Ersparnisse, und sie haben Angst vor Inflation.“
Marc Faber rät zur Beimischung
Lange Zeit sah es in diesem Jahr tatsächlich danach aus, als könne sich der Goldpreis gegen den Ausverkauf an den Finanzmärkten behaupten. Im September aber fiel der Unzenpreis dann doch um fast 400 Dollar oder gut 20 Prozent. Seit seinem Tief am 26. September hat sich der Preis aber wieder stabilisiert. Vieles deutet darauf hin, dass der bisherige Jahrestiefstpreis von 1532 Dollar das zyklische Tief der diesmaligen Korrektur gewesen ist. Damit wäre der kurze Crash nicht mehr als eine von vielen Rückschlagsepisoden in der nunmehr gut zehnjährigen Goldhausse. Korrektur und aktuelle Stabilisierung bieten Anlegern die Chance, Goldpositionen auf- oder auszubauen. „Gold hat natürlich schon ein gewisses Kursrisiko. Aber einen Teil seines Vermögens in Gold zu investieren und es physisch zu halten, birgt wahrscheinlich ein geringeres Risiko als Staatsanleihen und Bargeld“, sagt der Schweizer Vermögensverwalter Marc Faber.
Auch im ersten Crashzyklus der globalen Schuldenkrise knickte der Goldpreis temporär ein. Besonders dramatisch gerieten 2008 die Kurse von Goldminen unter die Räder. Dieses Muster hat sich in dieser Schärfe nicht wiederholt. Die Aktien der Goldminen, die sich im Juli und August erstaunlich stabil gegenüber der einbrechenden Börse hielten, notieren zwar gut 15 Prozent unter ihrem Rekordhoch vom 9. September. Gegenüber dem Crashtief vom Oktober 2008 aber liegen sie gut 250 Prozent vorn. Gemessen an ihren Kennzahlen, sind Goldförderer heute noch günstiger als 2008. Entsprechend hoch sei ihr Kurspotenzial, sagt etwa Goldminenexperte Markus Bachmann.
Preisrutsch bei Gold
Die Gründe für den scharfen Rückschlag des Goldpreises im September liegen auf der Hand: Um Verlustlöcher zu stopfen, Kunden auszuzahlen oder Kredite zu bedienen, mussten große Investoren Goldpositionen abstoßen. Erzwungen haben könnten die Verkäufe auch Anlagevorgaben von Institutionellen, nach denen der prozentuale Anteil einer Vermögensklasse eine Quote nicht überschreiten darf. Wegen starker Aktienverluste hielten Großanleger dann plötzlich relativ zu viel Gold.
Den Preisrutsch verschärft haben die von den Terminbörsen geforderten höheren Sicherheitsleistungen für Futures-Kontrakte, mit deren Hilfe Spekulanten auf den künftigen Goldpreis wetten. Marktteilnehmer, die diese erhöhten Margins nicht aufbringen konnten, wurden zum Verkauf gezwungen. Die Chicagoer CME, führender Marktplatz für Derivate auf Metalle, hatte die Sicherheitsmarge, also das Geld, das Goldzocker bei ihr hinterlegen müssen, um 27 Prozent erhöht. Da sich das kurzfristige Geschäft mit dem Edelmetall nun weniger lohnt, stiegen Spekulanten, die nur auf Tages- oder Monatsbewegungen des Goldes setzen, aus. Auch mit Barren unterlegte Goldfonds, in denen ebenfalls Kurzfrist-Anleger engagiert sind, verbuchten Abflüsse.
Gold als Krisenindikator
Der Goldpreis gilt als Krisenindikator, wenn er steigt, signalisiert dies fallendes Vertrauen ins Finanzsystem. Weil weltweit nur eine Handvoll Banken den Goldderivatehandel dominiert, verstummen die Vorwürfe nicht, dass der Preis nach unten manipuliert werde. Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um zu erkennen, dass Regierungen und Banken kein Interesse an einem unkontrollierten Goldpreisanstieg haben.
Nur lassen sich die Besitzer von physischem Gold von den virtuellen Preiseinbrüchen weit weniger aus der Ruhe bringen als viele Spekulanten. Für Anleger sollte die wahre Bedeutung von Gold weniger in seinem aktuellen Preis als in seinem Besitz liegen. „Als eiserne Reserve sollte jeder einen Teil seines Vermögens in physischem Gold halten“, empfiehlt auch Goldminenexperte Bachmann.
Zumal sich alle bisherigen Preiskorrekturen als Gelegenheiten zum Aufstocken erwiesen haben. Auch der jüngste Preissturz sei für smarte Käufer wieder eine Preissubvention für den Einkauf, meint Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank. Diese Subvention wird angenommen, Anleger kaufen wie seit 2008 nicht mehr, berichten die Gold-Handelshäuser.
Anleger sollten für ihre Gold-Investments nicht nach einem günstigen Einstiegspunkt suchen. Wer Bares übrig hat, sollte vielmehr damit beginnen, Goldanlagemünzen zu kaufen und diese wegzuschließen. Für konservative Anleger empfiehlt sich auf lange Sicht ein Depotanteil von 30 Prozent. Wer spekulativer eingestellt ist, steckt einen Teil in Silber- und Goldaktien.
Trend soll anhalten
Auch wenn der Preis der Feinunze (31,1 Gramm) bereits seit Jahren anzieht, erwarten Experten einen noch länger anhaltenden Bullenmarkt: „Das kann noch mindestens fünf, wenn nicht zehn und mehr Jahre so gehen“, sagt der kanadische Goldexperte Martin Murenbeeld. Dafür gebe es zwei Gründe. „Zum einen die erstmals seit der großen Depression der Dreißigerjahre prekäre gesamtwirtschaftliche Lage in der industrialisierten Welt, zum anderen das Auftauchen von mehr als zwei Milliarden neuen Konsumenten. Der steigende Wohlstand in Indien und China, gepaart mit der traditionell hohen Wertschätzung, die Gold bei der Bevölkerung dieser Länder genießt, hat bereits stark spürbare Auswirkungen auf die Nachfrage. Dieser Trend wird nicht so bald enden“, so Murenbeeld. Barren und Münzen sind die Basis der Goldanlage. Spekulative Naturen setzen auf Minenaktien. Wer Einzelinvestments scheut, findet im Fondssektor einige lukrative Investmentmöglichkeiten. Trotz der Streuung sind die Fonds im Gegensatz zu physischem Gold riskanter, weil schwankungsanfälliger.
Die Aktienkurse der Minenbetreiber konnten nur in der ersten Phase der aktuellen Haussen stärker zulegen als der Unzenpreis selbst. Von 2003 an war es dagegen lukrativer, physisches Gold zu kaufen. Zum Teil liegt das an den mit physischem Gold besicherten Anlagevehikeln, die 2003 erstmals an den Markt gingen. Ihre Goldbestände sind inzwischen auf rund 2200 Tonnen mit einem Marktwert von gut 115 Milliarden Dollar angeschwollen. Diese Spezialfonds zogen Anlegergelder an, die sonst eher in den Minensektor geflossen wären.
Kostendruck in den Minen
Belastet hat die meisten Goldförderer auch die Kosteninflation der vergangenen Jahre. Sie hat die Goldpreisschwellen, ab deren Überschreiten Minen Gewinn machen, stark nach oben gesetzt. Steigt der Goldpreis aber über die Schwelle, schlägt jeder weitere Euro Preisanstieg voll auf den Gewinn durch. Das ist zurzeit der Fall. „Aus dem fundamentalen Blickwinkel sind Goldförderer heute gar preiswerter als 2008“, sagt Goldexperte Bachmann mit Blick auf die aktuell hohen Gewinnmargen der Branche.
Während die Gesamtkosten pro geförderter Unze Gold im Branchenschnitt aktuell bei rund 1100 Dollar liegen, kann jede geförderte Unze für 1600 Dollar verkauft werden. Die hohen Nettomargen bieten nach unten einen Puffer. Selbst eine weitere Korrektur des Goldpreises u 300 Dollar risse die Minen also nicht in die Verlustzone. Auch die Substanzbewertung der Minen ist historisch günstig. Der fundamentale Wert eines Rohstoffunternehmens errechnet sich vor allem aus dem Wert der Reserven in Bezug zu den Förderkosten. Goldminen werden derzeit mit einem Abschlag von über zehn Prozent auf den Nettowert ihrer Goldreserven gehandelt. Im langjährigen Mittel zahlten Anleger Aufschläge von gut 40 Prozent.
Alternativen sind nicht billig
Physisches Gold ist nicht Spekulationsobjekt, sondern eiserne Reserve, eine Art Versicherung für Krisenzeiten. Wer den Versicherungscharakter von Gold nicht versteht oder nicht verstehen will, kann immer wieder vor einer Goldblase warnen: „Das ist die vielleicht größte Blase der Welt“, sagt etwa Marc Tüngler, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.
Gut, immerhin sagt das der Aktionärsschützer bei einem Unzenpreis von 1600 Dollar. Die berühmten Professoren Nouriel Roubini und Paul Krugman haben schon von einer Goldblase gesprochen, als der Goldpreis noch bei 600 Dollar pro Unze lag. Aber woran erkennt man überhaupt eine Blase? Marc Faber: „Eine Blase erkennt man immer daran, dass sich der Preis nach einer langen Anstiegsphase binnen zwölf Monaten noch einmal verdoppelt – mindestens. Das ist bei Gold noch nicht passiert. Gut, wahnsinnig billig ist Gold vielleicht nicht mehr, aber das sind die Alternativen auch nicht.“
Dow-Gold-Rate ist noch hoch
Dass Aktien gegenüber Gold noch nicht die günstigere Alternative sind, signalisiert die sogenannte Dow-Gold-Rate. Die lässt sich ermitteln, indem der jeweilige Stand des US-Aktienbarometers Dow Jones (aktuell 11 750) durch den aktuellen Goldpreis (1720 Dollar) geteilt wird. Fällt die Rate im Zeitablauf, läuft Gold im Trend besser als US-Aktien – und umgekehrt. Seit 2002 ist die Rate von 35 auf zuletzt 6,8 gerutscht. Historisch wäre ein Fall auf unter 3 keine Überraschung. Dann würde sich die Rate auf Werte zubewegen, die in der Vergangenheit sowohl durch Deflation als auch durch hohe Inflation erklärt werden konnten. In der großen Depression etwa endete der Abwärtszyklus 1932 bei einem Wert von 2. In der Endphase des Inflationsjahrzehnts der Siebzieger ging die Rate gar runter auf 1.
Es gibt verschiedene Wege, wie diese Werte wieder erreicht werden könnten. Eine mögliche Deflationsvariante: Der Dow fällt auf 4100 Punkte, Gold bleibt bei 1700 Dollar. Mögliche Inflationsvariante: Der Dow bleibt bei 12 000, Gold steigt auf 12 000 Dollar. Tröstlich: Die Börsen müssen also nicht unbedingt einbrechen, damit der Goldpreis weiter steigt.