Goldman Sachs Wie die elitäre Investmentbank hip werden will

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Geld ist kein Thema

Analysten macht der aggressive Wachstumskurs der Plattform bereits Sorgen. Sie fürchten, dass Goldman einen katastrophalen Fehler aus der Vergangenheit wiederholen könnte. Die ersten Experten horchten auf, als die Bank im Februar bekannt gab, dass „mehr als 80 Prozent von Marcus-Krediten“ an Kunden mit guter Kreditwürdigkeit vergeben wurden. Das bedeutet umgekehrt, dass bis zu 20 Prozent des Geldes an Menschen mit geringerer Bonität verliehen wurde, so die Skeptiker. Der englische Fachbegriff für solche Kunden: Subprime.

Spätestens seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 treibt dieses Wort Anlegern den kalten Angstschweiß auf die Stirn. Damals hatten die Banken massenhaft Immobilienkredite an Kunden vergeben, die mit den Zinszahlungen überfordert waren. Als der Häusermarkt in den USA zusammenbrach und die Wirtschaft in die Rezession rutschte, konnten Millionen Menschen ihre Schulden nicht mehr bezahlen – und brachten so das ganze Finanzsystem ins Wanken.

Es sei deshalb „ein gewisser Schock“, dass Goldman seine Privatkundenkredite auch an Kunden mit mangelhafter Kreditwürdigkeit vergebe, so Guy Moszkowski, Analyst bei Autonomous Research in New York. Auch Richard Bove von der Vertical Group warnt, dass zahlreiche Schuldner ihre Kredite womöglich nicht zurückzahlen können, wenn die nächste Rezession ansteht.

Bei Goldman streiten sie das Risiko ab: „Wir konzentrieren uns weiter auf kreditwürdige Kunden, die Kreditqualität unseres Portfolios entwickelt sich entsprechend unseren Erwartungen“, sagt Marty Chavez, Chief Financial Officer von Goldman.

Aber reichen ein bisschen Start-up-Flair und eine schicke Website, um auf dem umkämpften US-Kreditmarkt zu bestehen? Schließlich legt sich Goldman durch Marcus mit Giganten an, die sich seit Jahrzehnten um US-Privatkunden aus der Mittelschicht kümmern: Mit JP Morgan (siehe Chart oben), mit Wells Fargo, mit der Bank of America und der Citigroup. Hinzu kommen andere Start-ups, die den etablierten Banken ebenfalls mit einfacher Kreditvergabe den Rang ablaufen wollen.

Der bisherige Erfolg der Plattform kann sich aber sehen lassen – trotz harter Konkurrenz. „Seit der Einführung hat Marcus rund drei Milliarden Dollar an Konsumentenkrediten vergeben“, sagt Finanzvorstand Chavez. Damit liege man im Plan. In den nächsten drei Jahren soll der Umsatz auf fünf Milliarden Dollar steigen. Zum Vergleich: Der Gesamtumsatz von Goldman Sachs im vergangenen Jahr lag bei rund 32 Milliarden Dollar.

von Andreas Macho, Mark Fehr

Analysten halten es zumindest für möglich, dass sich Marcus durchsetzen kann. Der Name Goldman verleihe dem Produkt eine besondere Glaubwürdigkeit, schreibt Jim Marous vom Branchendienst Digital Banking Report. Auch habe die Plattform einen weiteren enormen Vorteil gegenüber anderen Finanz-Start-ups: Geld ist kein Thema.

Das braucht Marcus auch, denn die Akquise neuer Kunden ist kein Selbstläufer. Die Plattform setzt auf Maßnahmen, über die in früheren Jahren bei Goldman Sachs viele die Nase gerümpft hätten: Sie schaltet Werbung.

Die ersten Spots flimmerten bereits kurz nach der Marcus-Gründung über den Schirm. Goldman hatte sie während der Übertragung der National Football League platziert, um ein möglichst breites Publikum zu erreichen. Auch auf YouTube laufen immer wieder neue Werbefilmchen. Hinzu kam eine Postwurfkampagne – ein beliebtes Mittel in den USA, um etwa Kreditkarten an den Mann zu bringen. Allein 2017 verschickte Goldman 178 Millionen Prospekte.

Und jetzt wirbt auch noch Fletcher. Sie soll vor allem Kunden anziehen, die Renovierungskredite brauchen. Seit sie für Goldman arbeitet, finden sich auf der Marcus-Homepage ihre Tipps zur Hausverschönerung, ganz bürgernah präsentiert, in Jeans und zusammengeknoteter Bluse, mit Vorschlaghammer oder Pinsel in der Hand. Konservative Banker ahnen: Der Albtraum hat kein Ende.

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