Wenn eine prominente Kurve wie der Goldpreis so massiv einbricht wie in den vergangenen Wochen, ist zunächst Vorsicht angesagt. Nach zwölf Jahren Hausse und in der Spitze 650 Prozent Gewinn ist es mit einigen Wochen Korrektur nicht getan. Während die meisten Analysten bereits das Ende der Goldhausse ausrufen und mit weiteren Preisrückgängen rechnen, sehen wieder andere den strukturellen Aufwärtstrend durch die Korrekturen noch nicht gefährdet, rechnen jedoch auch mit weiteren Rückschlägen in den kommenden Monaten. Darüber herrscht selbst unter chronischen Goldoptimisten kaum ein Zweifel. Kein Wunder, dass selbst Goldoptimist Felix Zulauf zunächst nur „piano“ zum Kauf rät.
Als Ursache der Goldpreisschwäche nennt etwa der bekannte Goldexperte Ronald-Peter Stöferle, Gesellschafter beim Liechtensteiner Vermögensverwalter Incrementum, gleich mehrere Gründe.
In seiner Studie vom Ende Juni konstatiert Stöferle, dass nicht wie gemeinhin angenommen die Inflationsrate mit dem Goldpreis korreliert, sondern vielmehr die Veränderung der Inflationsrate maßgeblichen Einfluss auf den Goldkurs hat. Seiner Analyse nach hat insbesondere das derzeitige Umfeld abnehmender Inflation und damit steigenden Deflationsdrucks eine historisch nachvollziehbar schlechten Einfluss auf den Goldpreis. Dieser Zustand der „Disinflation“ ist also Gift für Goldanleger. Erst eine wachsende Inflationsrate oder aber eine Wirtschaft mit sinkenden Preisen, also Deflation, bereite den Boden für einen steigenden Goldpreis.
Weitere Belastungsfaktoren sieht Stöferle in den wieder ansteigenden Realzinsen und steigenden Opportunitätskosten für Goldinvestoren in Folge steigender Aktienmärkte. Vor allem die Abflüsse aus börsennotierten Goldfonds – dem sogenannten Papiergold – dienten demnach einer Umschichtung in andere Anlageklassen wie Aktien, um dort mehr Rendite zu erwirtschaften. Zunehmend negative Analystenmeinungen sowie eine Verstärkung des Negativtrends durch kaskadenartige Verkäufe trendfolgender Handelssysteme hat dies den Goldpreis unter Druck gebracht.
Vor dem Hintergrund rekordhoher Short-Positionen institutioneller Anleger, mit denen diese auf einen fallenden Goldpreis setzten, kam auch von mehreren Seiten der Verdacht auf, die Verkäufer hätten den Goldpreis zu drücken versucht, damit die Short-Optionen nicht wertlos verfallen. Ein Bericht des US-Anlegermagazins Barron’s, einem Kooperationspartner der WirtschaftsWoche, hat Indizien dafür zusammengetragen.
Auch die zeitweise zurückgekehrte Zuversicht für ein allmähliches Abklingen der Euro-Schuldenkrise hat den Goldpreis gedrückt, da der Sicherheitsaspekt bei Goldanlegern in den Hintergrund rückte. Indiz dafür ist laut Stöferle einerseits die Goldpreisbewegung in Relation zu den abnehmenden Risikoprämien für spanische und italienische Staatsanleihen gegenüber dem sicheren Hafen der Bundesanleihe. Andererseits kam der langfristige Abwärtstrend von Währungen gegenüber Gold 2011 vorerst zum Erliegen und drehte in diesem Jahr sogar ins Positive. Dass die massiven Verkäufe vor allem seitens der renditehungrigen Spekulanten erfolgten, aber auf Werterhalt bedachte Privatanleger unvermindert oder nach Preiseinbrüchen sogar vermehrt Münzen und Barren kauften, ist ein weiteres Indiz dafür, dass Gold zumindest für Profis als Krisenwährung an Bedeutung verloren hat.