Goldpreis unter Druck Geht die Liquidität, dann kommt der Crash

Der Goldpreis kam am Donnerstag unter Druck. Quelle: imago images

Der Goldpreis ist unter Druck und die US-Notenbank Fed pumpt noch mehr Liquidität in den US-Geldmarkt. Es deutet sich die Wiederauflage einer Krise an, die 2008 das Weltfinanzsystem und die Weltwirtschaft fast ruiniert hätte. Der Coronaschock ist nur ein Brandbeschleuniger.

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Alle Finanzkrisen hätten ihre Ursachen in Illiquidität, sagt Steen Jakobsen, Chefökonom der dänischen Saxo Bank. Dass es sich bei der aktuellen Krise erneut um eine Liquiditätskrise dreht, zeigt jetzt auch der Goldpreis. Bis zuletzt konnte das Edelmetall seinem Ruf als sicherer Hafen noch gerecht werden. Doch am Donnerstag kam auch der Goldpreis unter Druck. Und das kam noch nicht vom physischen Markt. So liegen die Bestände der vom Börsendienst Bloomberg erfassten Goldfonds mit rund 87 Millionen Unzen bislang auf Rekordstand.

Kasse gemacht wird jetzt auf dem virtuellen Goldmarkt. Das sind Terminbörsen, an denen auf den künftigen Goldpreis gewettet wird. Die wichtigste Terminbörse für Gold ist die New Yorker Comex, eine Abteilung der weltgrößten Börsenbetreibers CME Group. Dort wetten spekulative Finanzanleger auf die zukünftige Entwicklung des Goldpreises, während sich Produzenten, Händler und Verarbeiter des Edelmetalls, sogenannte Commercials, gegen unerwünschte Preisschwankungen absichern. Zu den Commercials gezählt werden auch Finanzanleger, die Bestände lediglich absichern, also keine riskanten Preiswetten eingehen.

Die spekulativen Finanzanleger hatten dort zuletzt so hohe Wetten auf einen steigenden Goldpreis abgeschlossen wie nie seit Beginn der Datenerhebung 1993. Per Saldo waren sie dort vor zwei Wochen noch mit rund 336.000 Kontrakten long. Das entsprach Kaufansprüchen auf eine Goldmenge von 33,6 Millionen Unzen, gut 30 Prozent der jährlichen Minenproduktion, die 2019 bei 111 Millionen Unzen lag. Um an Liquidität zu kommen, werden an den Terminbörsen diese Positionen jetzt glatt gestellt. Erstens lassen sich nach dem starken Anstieg des Goldpreises hohe Gewinne realisieren. Zweitens müssen mitunter Positionen zwangsweise aufgelöst werden, um mit den Mitteln Verluste an anderen Märkten kompensieren können. Das passierte so auch während der Finanzkrise 2008. Der Goldpreis verlor damals 30 Prozent. In der Rückschau war das eine fantastische Kaufgelegenheit. Dieser Fahrplan könnte sich wiederholen.

Ursprung der aktuellen Liquiditätskrise war nicht der Ausbruch der Corona-Pandemie in China. Das Virus wirkt höchstens wie ein Brandbeschleuniger. Ungemach deutete sich bereits im vergangenen September auf dem US-Repo-Markt an, als urplötzlich ein Übernacht-Zinssatz auf diesem Teil des US-Geldmarkts in die Höhe schoss – in der Spitze auf zehn Prozent. Das lag dramatisch weit über dem Zielband der US-Notenbank Fed für kurzfristige Zinsen, das damals 2,0 bis 2,25 Prozent betrug. Um einen Totalausfall des Systems zu verhindern, muss die Fed diesen Billionen Dollar schweren Markt seither mit Milliarden Dollar schweren Liquiditätsspritzen stützen – und mit Blick auf den zunehmenden Stress an den Märkten jetzt mit immer höheren Summen.

Auf dem Repo-Markt leihen sich Banken untereinander und von Geldmarktfonds kurzfristig Geld, für wenige Tage oder auch nur für eine Nacht. Dem Kreditgeber werden als Sicherheiten Wertpapiere übertragen, die der Schuldner später wieder zurückkauft. Als Sicherheiten dienen vor allem US-Staatsanleihen. Je nach Qualität der Sicherheit wird ein Abschlag abgezogen. Der Kreditnehmer verpflichtet sich, die Wertpapiere am Ende der vereinbarten Laufzeit zurückzukaufen und zahlt einen Zins.

Der Untergang von Lehman Brothers nahm 2008 Fahrt auf, als der traditionsreichen Wall-Street-Adresse der Zugang zur Finanzierung über den Repo-Markt versperrt war. Über den Repo-Markt wird selten berichtet, für Profis ist er aber ein Frühwarnsystem für den gesamten Finanzmarkt.

Das Tückische an diesem Markt: Der Kreditgeber kann die als Sicherheit für seinen Kredit erhaltenen Wertpapiere ebenfalls einsetzen, um andere Geschäfte zu schließen oder sie auch erneut beleihen. Die Kreditschöpfung über die mehrfache Verpfändung von Sicherheiten, sogenannte Beleihungs- oder Collateralketten, hat somit einen Multiplikatoreffekt. Mangelt es an Sicherheiten, oder reißt an einer Stelle die Beleihungskette, dann droht ein Liquiditätsengpass, wie 2008 bei Lehman. Weil die Akteure am Repo-Markt auch in Aktien, Anleihen oder Derivate investieren, drohen die Probleme vom Repo-Markt rasch überzugreifen auf andere Anlagemärkte. Die aktuelle Panik scheint genau das zu bestätigen.

Auch die starken Ausschläge am Markt für US-Staatsanleihen deuten auf größere Probleme am Repo-Markt hin. Ein Mangel an Sicherheiten am Repo-Markt war offenbar am vergangenen Montag auch der Auslöser für den Renditeabsturz zehnjähriger US-Staatsanleihen auf zwischenzeitlich 0,32 Prozent.

Die New Yorker Fed begegnet diesen „höchst ungewöhnlichen“ Störungen auf den Anleihemärkten jetzt mit noch höheren Liquiditätsspritzen. Am Donnerstag und am heutigen Freitag wird sie je 500 Milliarden Dollar für dreimonatige Repo-Geschäfte zur Verfügung stellen, zusätzlich noch 500 Milliarden Dollar für ein einmonatiges Geschäft. Für den Rest des Monats bietet sie wöchentlich einmonatige und dreimonatige Operationen für je 500 Milliarden Dollar an. Hinzu kommen für Übernachtgeschäfte 175 Milliarden Dollar und für zwölf Operationen mit Laufzeiten zwischen 14 und 28 Tagen jeweils zwischen 45 und 50 Milliarden Dollar. Angefangen hatte die Fed im September mit Summen von 75 Milliarden Dollar für Übernachtgeschäfte und 30 Milliarden Dollar für längere Fristen.

Die Wall Street ist nach der Ankündigung der Fed nur kurz nach oben geschnappt. Es war vergleichbar mit dem Hornberger Schießen – alles umsonst. Die Börsen haben die zwischenzeitlichen Gewinne nach der Fed-Aktion komplett aufgegeben und sind unter die Tiefpunkte vor der Aktion abgerutscht. Es müssen also größere Probleme stecken im System.

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