Exakt 3.396.303 Kilogramm Feingold wies die Deutsche Bundesbank unter der Position „Gold und Goldforderungen“, dem ersten Posten auf der Aktivseite ihrer Bilanz, zum Stichtag 31. Dezember 2011 aus. Marktwert zu Silvester 2011: 132,869 Milliarden Euro. Eigentlich beruhigend, dass Deutsche so viel Gold besitzen, pro Kopf 45 Gramm: Marktwert 1925 Euro.
Die Goldbilanz fiele glanzloser aus, hätte sich der ehemalige Bundesbank-Präsident Ernst Welteke vor zehn Jahren mit der Idee durchgesetzt, Gold zu verkaufen und den Erlös in Wertpapiere zu stecken, die auf dem Papier mehr Rendite versprechen als Gold, aber das Versprechen nicht immer halten. Bis auf fünf Tonnen pro Jahr, die dem Bund zur Prägung von Goldmünzen verkauft werden, gaben Weltekes Nachfolger kein Gold her. Doch statt die Bundesbank dafür zu loben, erntet sie nun Kritik vom Bundesrechnungshof. Ist das fair?
Seit 2002 prüft der Bundesrechnungshof die Jahresabschlüsse der Bundesbank. Dabei picken sich die Prüfer immer einen Posten aus der Bilanz heraus, den sie gründlich unter die Lupe nehmen. Für den Jahresabschluss 2011 war das die Position „Gold und Goldforderungen“.
Fakten zu den deutschen Goldreserven
Außer der US-Notenbank, die mehr als 8000 Tonnen hat, besitzt keine andere Institution so viel Gold wie die Bundesbank. In einem am Montag veröffentlichten Bericht an der Bundesbank zeigt sich der derzeitige Wert des Goldschatzes: Er beläuft sich auf 3395,5 Tonnen im Wert von rund 150 Milliarden Euro. Genauer gesagt 150,373 Milliarden Euro.
Das meiste Gold sammelte sie in den Fünfziger- und Sechzigerjahren ein. Vor dem Hintergrund des Koreakriegs stieg damals die weltweite Nachfrage nach deutschen Anlagen, Maschinen und Kraftfahrzeugen. Das Ergebnis waren deutlich höhere Leistungsbilanzüberschüsse. Da die Regeln der damaligen Europäischen Zahlungsunion (EZU) bestimmten, dass Schuldnerländer auflaufende Salden durch Goldzahlungen ausgleichen mussten, füllten sich die deutschen Tresore. Zudem kaufte der Internationale Währungsfonds in den Sechzigerjahren für Gold Deutsche Mark in Frankfurt, um die Währungsreserven aufzufüllen. Damit wuchs das Goldvolumen der deutschen Bundesbank übermäßig.
Verwahrt werden die Barren von der Bundesbank in eigenen Tresoren in Frankfurt, aber rund zwei Drittel lagern an drei Stellen im Ausland: bei der US-Notenbank Fed in New York, der französischen Nationalbank in Paris und der britischen Zentralbank in London. Ein großer Teil des Besitzes, aber weniger als die Hälfte, lagert in den USA.
Die Deutsche Bundesbank ist weltweit die einzige Zentralbank, die ihre Goldreserven im Ausland lagert. Hintergrund dafür ist noch immer vor allem der Kalte Krieg. Der Einfall sowjetischer Truppen in Westdeutschland hätte bedeutet, dass die Reserven schnell in Feindeshand gewesen wären.
Hinzu kommt die Idee, das Gold diene der Bundesbank als Reserve. Im Krisenfalle könnte es in New York schnell und einfach als Sicherheit für Dollar-Geschäfte dienen. Ein weiterer Teil des deutschen Goldes lagert in London und Paris. Die Antwort der Bundesbank dazu bleibt aber mehr als schwammig: "Es gibt nach wie vor gute Gründe, das Gold in New York oder London zu lagern.“
Laut einem Bericht des Bundesrechnungshofs an den Haushaltsausschuss des Bundestages muss die Bundesbank für die Gold-Verwahrung in New York und Paris nichts bezahlen. Dagegen würden in London pro Barren und Nacht 0,035 Pfund fällig. Zudem bestehe kein Versicherungsschutz. Wegen dieser Kosten baut die Bundesbank seit Jahren ihren Bestand in London ab.
Die in Frankfurt verwahrten Bestände bestehen aus 82.857 Barren, die überwiegend in verplombten Containern mit je 50 Barren lagern. Diese werden in vier separat verschlossenen Tresorboxen aufbewahrt. 6183 Barren lagern in Regalen in einem separaten Tresor - der Goldkammer. Zu den Sicherheitsmaßnahmen heißt es: "Der Tresoraußenverschluss steht unter Zweifach-, die Innenverschlüsse und die Goldkammer unter einem Dreifachverschluss."
Anders als bei den Lagerstellen im Ausland hat die Bundesbank die von ihr bewachten Gold-Barren dem Rechnungshof zufolge mindestens einmal gezählt und gewogen. Die Bundesbank hält es nicht für notwendig, die Barren, die im Ausland lagern, selbst zu zählen und den Goldgehalt zu prüfen - sie vertraut dem guten Ruf ihrer Partner-Notenbanken.
Diese Frage geistert seit einigen Jahren durch die deutsche Politik. Tatsächlich hat die Bundesbank 1997 erstmals verliehen, allerdings nur im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Seit 1999 bezeichnet die Bundesbank aufgrund von EZB-Vorgaben den ehemaligen Posten „Gold“ mit „Gold und Goldforderungen“ unterteilt. Nach einer diesbezüglichen Anfrage des CSU-Politikers Peter Gauweiler gab es dann im November 2010 von Staatssekretär Hartmut Koschyk eine Antwort darauf: „Aktuell ist kein Gold verliehen.“ Das hat die Bundesbank bestätigt. Sie verleiht seit 2008 kein Gold mehr.
Verschwörungstheorien sprechen sogar davon, dass es die Reserven teilweise gar nicht mehr gibt. Nährboden bekommen sie etwa durch die Tatsache, dass die Goldreserven lange nicht mehr in Augenschein genommen wurden. In London oder Paris bekommen selbst Bundestagsabgeordnete keinen Zugang dazu – angeblich weil Besuche organisatorisch nicht möglich seien. Die Gerüchte um diese Frage werden sich deshalb solange weiterranken, bis Einblick gewährt wird. So wie bei den Goldreserven in New York: Während einige Nachrichtenagenturen 2011 mutmaßten, die Tresore seien zur Hälfte geräumt oder gar völlig leer, verlangten Bundestagsabgeordnete vor Ort einen Blick auf die Reserven - aber ihnen wurde der Zutritt ebenfalls verwehrt. Anderslautende Meldungen erwiese sich als Ente. Jetzt muss wohl abgewartet werden, bis die vom Bundesrechnungshof verlangte Inventur und Prüfung des deutschen Goldes durch die Bundesbank abgeschlossen ist.
Die Ankerfunktion für das Währungssystem, wie es sie zu DM-Zeiten noch gab, haben die Goldreserven verloren. Trotzdem lehnt die Bundesbank Goldverkäufe im großen Stil ab, um damit die Löcher im Bundeshaushalt zu stopfen. Sie glaubt daran, dass die Reserven vor allem auch eine psychologische Wirkung haben. Die Zentralbank geht davon aus, dass sie damit ihre Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit bewahren besser kann.
Der Rechnungshof kritisiert in einem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages, dass die bei Notenbanken im Ausland gelagerten deutschen Goldreserven „noch nie von der Bundesbank selbst oder durch andere unabhängige Prüfer körperlich aufgenommen und auf Echtheit und Gewicht geprüft worden“ sind, und empfiehlt eine regelmäßige Inventur.
Dazu sei die Bundesbank nach den Bilanzierungsvorschriften des Handelsgesetzbuches verpflichtet.
Das sieht die Bundesbank anders. Sie erhalte von ausländischen Notenbanken jährlich Bestandsbestätigungen. An der Integrität, Reputation und Sicherheit der ausländischen Lagerstellen gebe es keine Zweifel. Das Eigentum an den Barren bleibe stets gewahrt. Außerdem genieße die Bundesbank besonderen Immunitätsschutz und sei vor Vollstreckung geschützt.
Die seit Jahren geübte Praxis entspreche gesetzlichen Vorschriften und den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, verteidigt die Bundesbank. Die Vorgehensweise sei durch alle Jahresabschlussprüfer uneingeschränkt bestätigt worden.
Die Argumente der Bundesbank mögen rechtlich wasserdicht sein. Trotzdem spricht nichts gegen eine Bestandsaufnahme des Goldes: Vertrauen ist gut, Kontrolle besser.