Goldstandard Mar-a-Lago statt Bretton Woods?

Erlebt Gold nach dem Allzeithoch an der Börse bald auch in der Währungspolitik eine Renaissance? Quelle: ddp images

Der Goldpreis hat ein Allzeithoch erreicht, in den USA rückt eine Anhängerin des Goldstandards in die Führungsetage der Notenbank. Ist eine Renaissance des Edelmetalls in der internationalen Währungspolitik möglich?

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Goldanhänger konnten in den vergangenen Tagen gleich zweimal aufhorchen: Zum einen kletterte der Preis des Edelmetalls zwischenzeitlich auf ein neues Allzeithoch von 1945 US-Dollar. Seit Jahresbeginn hat er sich – befeuert von der Coronakrise – um rund 22 Prozent erhöht. Zum anderen segnete der Bankenausschuss des US-Senats die Kandidatur von Judy Shelton für das siebenköpfige Führungsgremium der Notenbank Fed ab; die Zustimmung des Senats gilt nun als Formsache.

Die dem Präsidenten treu ergebene Betriebswirtin gilt zwar in der Ökonomenzunft als wissenschaftliches Leichtgewicht. Sie könnte gleichwohl bei einer Wiederwahl Trumps theoretisch an die Spitze der Notenbank rücken und den in Ungnade gefallenen Jerome Powell ablösen. Was die mit einem Bachelorabschluss in Erziehungswissenschaften ausgestattete Shelton zu einer Reizfigur in der geldpolitischen Szene macht, ist nicht nur, dass sie in einem Interview einst klagte, die Zentralbank habe „undemokratische, sowjetgleiche Macht über die Märkte“. Vor allem hat sie sich in der Vergangenheit für eine Rückkehr des Goldstandards und – als ersten Schritt dahin – für goldgedeckte US-Staatsanleihen ausgesprochen. Zudem forderte sie eine neue Währungskonferenz nach dem Vorbild von Bretton Woods – diesmal gern in Mar-a-Lago, dem privaten Golf-Resort des US-Präsidenten in Florida.

Zuletzt hat sie diese Ideen zwar nicht mehr offensiv vertreten, trotzdem sorgt ihre Berufung für politische Turbulenzen im wahlkämpfenden Amerika. Die US-Demokraten haben auf Twitter die Aktion #StopShelton gestartet. „Die Rückkehr zum Goldstandard ist eine schreckliche Idee und gefährlich für unsere Wirtschaft“, schimpft der demokratische Senator Sherrod Brown.

Doch stimmt das überhaupt? Wie sinnvoll und realistisch wäre eine geld- und währungspolitische Renaissance des Goldes tatsächlich, knapp 40 Jahre nach dem Zusammenbruch des Währungssystems von Bretton Woods, in dem die USA bis 1971 den Tausch der Leitwährung Dollar in Gold garantierten?

Fakt ist: Das Gold ist aus der Geldpolitik nie verschwunden und an den Finanzmärkten schon gar nicht. Seit der Finanzkrise vor über zehn Jahren kaufen die Notenbanken weltweit netto Gold zu, die Bestände in den Tresoren der Währungshüter und des Internationalen Währungsfonds sind auf fast 35.000 Tonnen geklettert. In diesem Jahr kaufen die Zentralbanken Schätzungen zufolge rund 600 weitere Tonnen hinzu.

Als sich im Gefolge der Finanzkrise 2011 die Inflationssorgen mehrten, führte der US-Bundesstaat Utah sogar Gold als offizielles Zahlungsmittel neben dem Dollar ein. Seit 2018 können Bürger auch in Wyoming und Texas ihre Rechnungen mit Goldmünzen begleichen. Allerdings nur mit solchen, die von der US-Regierung oder ausländischen Regierungen offiziell herausgegeben wurden.

Auch Investoren greifen bei dem gelben Metall gerne zu: Goldgedeckte Indexfonds, bei denen ein Teil des Wertes der ausgegebenen Papiere physisch hinterlegt wird, haben deutlich an Zuspruch gewonnen. Expertenschätzungen zufolge lagern ETF-Goldbestände im Wert von über 210 Milliarden Dollar in den Tresoren. Mittlerweile sind Indexfonds die drittgrößten Goldbesitzer der Welt – knapp hinter der Deutschen Bundesbank.

Die Bedeutung des Goldes als wertkonservierende Kapitalanlage sowie als eiserne Notenbankreserve für Krisenzeiten wird – zumal in Zeiten mit negativen Realzinsen – künftig weiter zunehmen. Doch die Hoffnung von Kritikern des Papiergeldsystems, Gold werde als Anker des internationalen Währungssystems zurückkehren, dürften sich auf absehbare Zeit nicht erfüllen.

Dabei hätte nach Ansicht mancher Ökonomen eine reine Goldwährung, bei der Goldmünzen als Zahlungsmittel dienen oder eine Goldkernwährung, bei der das umlaufende Papiergeld zu 100 Prozent durch Gold gedeckt ist, durchaus Vorteile. Schon der britische Ökonom David Ricardo (1772 - 1823) empfahl in seiner Schrift „Proposals for an economical and secure currency“ eine durch Edelmetalle gedeckte Währung. Sie sei die beste und günstigste Währungsordnung.

Der zentrale Vorteil der Goldwährung, so schrieb der österreichische Ökonom Ludwig von Mises (1881 - 1973), bestehe darin, „dass Vermehrung und Verminderung der Menge des Goldes und damit seine Preisgestaltung von politischen Einflüssen unabhängig sind“. Anders als das Papiergeld, das durch Kredite der Zentral- und Geschäftsbanken aus dem Nichts in die Welt gelangt, auf einem Schuldverhältnis beruht und beliebig vermehrt werden kann, ist Gold ein Aktivum, dessen Menge physisch begrenzt ist. Eine willkürliche Ausweitung der Goldgeldmenge durch den Staat und seine Zentralbank, ein „hemmungsloser Inflationismus, der zum Zusammenbruch des Geldwesens führt und die schwerste Krise aller volkstümlichen Regierungsformen erzeugt“ (Mises), ist mit einer Goldwährung nicht möglich. „Demokratie und Parlamentarismus“, glaubte Mises damals, „können auf die Dauer nicht ohne Goldwährung auskommen“.

Wegen seiner begrenzten Verfügbarkeit schiebt Gold nicht nur Inflationierungsversuchen der Zentralbanken einen Riegel vor, es hegt auch die Ausgabetätigkeit der Regierungen ein – und schützt so die Marktwirtschaft vor staatlichen Eingriffen. Bankkredite aus dem Nichts zur Finanzierung von Kriegen, wohlfahrtsstaatlichen Leistungen, Subventionen und Konjunkturprogrammen sind in einem reinen Goldstandard nicht möglich. Daher kann es nicht verwundern, dass die Regierungen den Goldstandard, der im 19. Jahrhundert dominierte, mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 über Bord warfen. Auch der nach dem Zweiten Weltkrieg errichtete Gold-Devisen-Standard von Bretton Woods scheiterte 1971, weil er der Finanzierung des Vietnamkrieges der USA im Wege stand.



Folgt man Ökonom Mises, hätte Gold auch als Zahlungsmittel Effizienzvorteile. Geld ist ein Netzwerkgut. Sein Nutzen für den Einzelnen wächst mit der globalen Akzeptanz. Mit einem Weltgeld Gold verschwänden die Umtauschkosten und Wechselkursschwankungen, die das gegenwärtige Papiergeldsystem prägen. „Im Verkehr zwischen den Staaten“, so Mises, „schaltet die Goldwährung die Störungen aus, welche die Valutaschwankungen für den Güteraustausch und für die Kapitalbewegungen von Land zu Land mit sich bringen“.

Gleichwohl ist eine freiwillige Rückkehr der Staaten zum Goldstandard nicht zu erwarten. Welche Regierung und Zentralbank legt sich selbst schon gerne Fesseln an? Denkbar wäre ein Renaissance des Goldes allenfalls in einer Mega-Krise, in der das Vertrauen in das Papiergeld durch eine aus dem Ruder laufende Inflation nachhaltig erschüttert wird. Die Menschen flöhen dann in großen Scharen aus Dollar, Euro und Yen und suchten ihr Heil im stabilen Gold. So wie in Venezuela, wo angesichts einer Inflation von mehreren 1000 Prozent Medikamente nur noch gegen Goldmünzen erhältlich sind. Oder wie in Iran, wo Vermieter angesichts der zerrütteten Staatswährung häufig ausschließlich Gold zur Zahlung der Miete akzeptieren.

Um das Vertrauen in das durch Inflation zerrüttete Staatsgeld wieder herzustellen, könnten die Zentralbanken nach einer Währungsreform das Papiergeld an das gelbe Metall koppeln, mit den Goldbeständen in ihren Kellern als Deckungsstock. Allerdings blieben die Regierungen und Zentralbanken bei einem solchen staatlich gelenkten Goldstandard Herr des Verfahrens. Sie würden die Paritäten bestimmen und könnten die Goldbindung jederzeit wieder aufheben.

Die Geschichte des staatlichen Umgangs mit Geld, so urteilte der Wirtschaftsnobelpreisträger Friedrich August von Hayek (1899 - 1992), sei eben „mit Ausnahme einiger kurzer glücklicher Perioden eine Geschichte von unablässigem Lug und Trug“.

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