Greensill-Skandal Schluss mit dem Missbrauch der Einlagensicherung!

Quelle: imago images

Ohne Einlagensicherung hätte kein Sparer der im Zentrum eines Finanzskandals stehenden Greensill Bank vertraut. Hier ist etwas grundsätzlich faul – auch bei Weltsparen, Zinspilot und anderen Fintech-Plattformen. Ein Kommentar.

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Ökonomen nennen es Moral Hazard, wenn sich Kunden, Banken oder Unternehmen wegen ökonomischer Fehlanreize verantwortungslos bereichern – ohne Rücksicht auf Risiken, weil das System es ihnen erlaubt. So wie jetzt bei der kleinen Bremer Greensill Bank. Die hat undurchsichtige Geschäfte ihrer britischen Mutter vorfinanziert, auch mit den Millionen deutscher Sparer. Jetzt wird wohl die Einlagensicherung der Banken für deren Verluste aufkommen müssen.

Zinspilot und Weltsparen schaufeln Millionen heran

Zugeführt wurden Greensill diese Gelder vor allem von Plattformen wie Zinspilot und der Raisin-Tochter Weltsparen. Diese hoch gelobten Fintechs machen eigentlich nichts anderes, als verzweifelte Kleinsparer europaweit an Banken zu vermitteln, bei denen denen sie wenigstens noch ein paar Zehntel Prozentpunkte Zins auf Tages- und Festgeld bekommen. Eigentlich ein simples Geschäft, das auch keine übermäßig komplexe Software erfordert. Trotzdem werden die Fintechs mit Milliarden bewertet. Warum?

Die Antwort ist: Moral Hazard, auf Kosten anderer Banken, auf Kosten von deren Kunden und – wenn es schlecht läuft – auch auf Kosten der Steuerzahler. Denn das Geschäft der Plattformen funktioniert nur dank der Einlagensicherung, die Spareinlagen im Pleitefall schützt. Ohne diese Absicherung, auf die die Banken in der Werbung auch aggressiv hinweisen, würde kein Anleger mit Verstand so mancher Partnerbank von Zinspilot, Weltsparen und Co. auch nur einen Cent überweisen. Hier verbergen sich garantiert noch mehrere Greensills, kleine und unbekannte Institute mit Blackbox-Geschäftsmodell, dazu  auch EU-Töchter von russischen, chinesischen oder türkischen Banken und auch viele aus Osteuropa, die dann eben nur die europaweit vorgeschriebenen 100.000 Euro aus der Einlagensicherung ihres Landes bieten. 

Warum aber zahlen die alle mehr Zins als die etablierten europäischen Adressen? Weil sie, ihrer riskanten Geschäfte und schwächeren Bonität wegen, sonst kein Geld bekommen würden, oder nur zu sehr viel ungünstigeren Konditionen.

Die Banken sind die Dummen 

Geht eine dieser Banken pleite und verkündet die Aufsicht den Entschädigungsfall, sind Sparer und Fintechs fein raus. Die Sparer bekommen, dank der nach der Finanzkrise verschärften Regeln, zügig ihr Geld aus der Einlagensicherung. Sie haben einen höheren Zins kassiert, das Risiko aber haben ihnen andere abgenommen. Die Fintechs leiden auch nicht unter der Pleite: Sie nehmen die Bank einfach von der Plattform, ihre Provisionen für das vermittelte Geld aber werden sie bestimmt nicht zurückzahlen. Die Dummen sind alle Banken, die in die Einlagensicherung eingezahlt haben – und deren Kunden, auf die sie die demnächst höheren Beiträge garantiert überwälzen werden.

Am Ende steht das ökonomische Desaster

So schön es ist, dass Kleinsparer, die ohnehin massiv unter der Niedrigzinspolitik leiden, hier nicht auch noch Geld verlieren: Moral Hazard endet regelmäßig im ökonomischen Desaster, so wie in der letzten Finanzkrise 2008. Greensill hat erneut gezeigt, dass die Aufsicht nicht jede Bank so im Blick hat, wie es nötig wäre. Eine Bankenpleite alle paar Jahre – die letzte relevante war die der kanadischen Maple Bank in Deutschland, die an Strafen wegen Cum-Ex-Geschäften zugrunde ging – steckt die Einlagensicherung locker weg.

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Sollten sich die Pleiten häufen, ist das ganz schnell anders. Dann ist der Topf rasch leer, und, wenn die Pleiten systemgefährdend werden, muss am Ende wieder der Steuerzahler ran – so wie nach 2008. Gegen Moral Hazard hilft hier nur eins: Fehlanreize beseitigen. Konkret heißt das: Die Kriterien, die über eine Aufnahme in die Einlagensicherungseinrichtung entscheiden, müssen verschärft werden. Sonst werden Banken weiter Konkurrenten mit zweifelhaften Geschäftsmodellen groß machen, die ohne Einlagensicherung keine Chance hätten.

Mehr zum Thema: Die BaFin macht die Bremer Greensill Bank dicht. Damit wird ein Anlegeralbtraum wahr – und Deutschland steht vielleicht vor seinem nächsten Bilanzskandal. Was dahintersteckt.

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