
Ganz gleich, ob in New York, London, Frankfurt oder Tokio: Weltweit hängen Börsenbeobachter und Investoren an den Lippen der Notenbanker. Ob die Kurse am Aktienmarkt derzeit steigen oder fallen, hängt weniger von den gelisteten Unternehmen als vielmehr von den Ankündigungen der Notenbanken ab. Ihrer Geldschwemme ist zu verdanken, dass wichtige Börsenindizes wie Dow Jones, S&P 500, Dax oder Nikkei im Bereich ihrer Allzeithochs notieren.
Zumindest in den USA ist ein Ende der milliardenschweren Geldspritzen absehbar. In Tokio und Frankfurt pumpen die Notenbanken unvermindert oder sogar zunehmend Geld in die Finanzwirtschaft. Kein Wunder also, dass alle Welt auf die Ankündigungen und Kommentare der Zentralbanker achtet.
Da die Börsen laut Faustformel der Konjunktur immer um ein halbes Jahr voraus sind, ist es für die Investoren ganz entscheidend, wann die Notenbanken den Geldhahn auf- oder zudrehen und ob sie die Leitzinsen senken oder erhöhen. Jede noch so kleine Andeutung möglicher Schritte seitens der Zentralbank hat großen Einfluss auf den kurzfristigen Börsentrend.
Weil die US-Notenbank Federal Reserve den größten Einfluss weltweit genießt, wiegen die Worte von US-Notenbankpräsidentin Janet Yellen wie schon bei ihren Vorgängern Alan Greenspan und Ben Bernanke besonders schwer.





Gewinnformel mit Notenbankkalender
Wie deutlich die Notenbanksitzungen, auf denen die nächsten geldpolitischen Schritte entschieden werden, die Börse beeinflussen, haben US-Wissenschaftler kürzlich mit einer umfangreichen, langfristigen Studie belegt. Sie untersuchten die Wirkung der Notenbanksitzungen seit 1994 auf den breiten US-Index S&P 500. Das verblüffende Ergebnis: Wer stur nach dem Takt der Zinsentscheidungen der Fed investiert hat, übertraf die Märkte deutlich – und zwar unabhängig davon, ob die Fed die Zinsen senkte oder erhöhte.
Demnach richten sich die Börsenwochen mit positiver Entwicklung in ihrem Takt nach den Sitzungsterminen der Fed. Wie das Wall Street Journal berichtet, hätten Anleger, die den S&P-500-Index immer am Tag vor der Fed-Sitzung kauften, eine Woche später wieder verkauften und diesen Wechselrhythmus in den Wochen bis zur nächsten Notenbanksitzung beibehielten, in den vergangenen 20 Jahren die Märkte durchweg geschlagen. Während sie mit dem S&P 500 seit 1994 eine Gesamtrendite von rund 505 Prozent erzielt hätten, hätte die Strategie der US-Wissenschaftler im gleichen Zeitraum stolze 650 Prozent Rendite gebracht.
Laut Studie ist dieser Rhythmus selbst dann noch eindeutig, wenn der 20-jährige Betrachtungszeitraum in drei Perioden geteilt wird (1994-2000, 2007-2007 und 2008-2013). Und ihre Ergebnisse zeigen, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen den FED-Terminen und der Rendite besteht. Während in den geraden Woche nach dem Fed-Treffen die Performance überdurchschnittlich ist, fällt sie in den ungeraden Wochen sogar leicht ins Negative. Es scheint, als hätten die Wirtschaftswissenschaftler in den USA so etwa wie eine Gewinnformel für die Wall Street entdeckt.
Dax kaufen, wenn Draghi spricht?
Was liegt also näher, als zu prüfen, ob auch deutsche Anleger vom Anlagemuster der US-Forscher profitieren konnten, wenn sie sich an die Zinsentscheide und Ratssitzungen der EZB klemmten.
Zusammen mit dem Handelssystementwickler Dimitri Speck hat WirtschaftsWoche Online versucht, die Ergebnisse der US-Studie auf Europa zu übertragen. Unsere Frage: Ergibt auch ein Anlagemuster entlang der Ratssitzungen der EZB eine höhere jährliche Rendite als einfach in den Dax zu investieren?
Hierzu sammelten wir zunächst die Sitzungsdaten der EZB seit 2000. Diese orientieren sich grundsätzlich an einem 14-tägigen Rhythmus, Ausnahmen zum Jahreswechsel, zu Feiertagen oder der Sommerpause berücksichtigten wir bei der Datenauswahl. Wie auch in der Studie von Cieslak, Morse und Vissing-Jørgensen sollte einen Tag vor den EZB-Sitzungen investiert und eine Woche später wieder verkauft werden.