Hertha BSC Ein Million Euro von den Fans als nette Geste

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Bonbon für die Fans

Auf der einen Seite stehen Investoren, die Geld übrig haben. Wegen der bescheidenen Zinsen suchen sie Alternativen zur Bank. Auf der anderen Seite meist kleine und mittlere Unternehmen, die schnell und unbürokratisch Geld brauchen. So kann die Branche selbst Personen und Unternehmen Zugang zu Kapital zu verschaffen, die keine oder nur geringe Chancen auf einen Bankkredit sehen. Für das höhere Risiko erhalten die Kreditgeber zumeist vergleichsweise gute Zinsen. Für das Portfolio des Anlegers sollten derartige Investitionen aber bestenfalls eine Beimischung sein.

Mit der eingenommenen Million wollen die Verantwortlichen den neu gestalteten Fan-Shop im Internet weiter ausbauen und die Digitalisierung des Vereins vorantreiben. Neue Trainingsgeräte, Überwachung von Leistungsdaten sowie die Nachwuchsarbeit sollen moderner werden. Großer Vorteil der Hertha: die nötige Crowd für das aktuelle Projekt hatten die Berliner schon vorher zusammen: Seit 1892 ist der Hauptstadtklub fest in der deutschen Fußballlandschaft verwurzelt, rund 33.000 Mitglieder zählt der Verein, dazu weitaus mehr Fans und Sympathisanten. „Auffällig ist Konzentration der Investoren auf Berlin - ein Indiz, dass auch tatsächlich Fans zum Zug kamen“, sagt Kapilendo-Gründer Christopher Grätz.

Auf der Vereins-Website erklärt Ingo Schiller, Finanzgeschäftsführer der Hertha, man wolle „die Fans am Wachstum von Hertha BSC beteiligen - und dies mit einem sehr zeitgemäßen Modell: online, mobil und direkt." Spätestens aber seit US-Finanzinvestor KKR Anfang 2014 mit 61,2 Millionen Euro 9,7 Prozent der Hertha BSC GmbH & Co. KgaA kaufte, steht derlei Fußballromantik bei den Berlinern in Konkurrenz zu nüchterner Profitorientierung.

Der Profifußball ist heute straffer organisiert denn je. Die großen Emotionen sind kein Selbstzweck, sondern vor allem Verkaufsargumente in einem Milliardengeschäft. Der Wettbewerb schafft immer höhere Ablösesummen und Gehälter für die Akteure auf dem Spielfeld. Viele Bundesligisten haben sich in Folge dessen verschuldet. Auch der Hauptstadtclub bewegt sich finanziell in chronisch unruhigem Fahrwasser.

Nach Verlustjahren wieder schuldenfrei

Die beiden jüngsten Abstiege in die zweite Liga 2010 und 2012 waren wirtschaftlich ebenso schmerzhaft wie sportlich. Das Geschäftsjahr 2015 wurde mit einem Minus von 7,6 Millionen Euro abgeschlossen. Die Schulden der früher notorisch klammen Berliner konnten aber nicht zuletzt durch die Hilfe des Investors KKR getilgt werden. Hertha gibt an, seit 2015 schuldenfrei zu sein.

Sportlich läuft es derzeit ungewohnt gut in der Hauptstadt: Platz drei in der Tabelle, selbst im DFB-Pokal sind die Berliner noch dabei. Zum ersten Mal seit 35 Jahren stehen sie im Halbfinale - im April gegen Dortmund im Olympiastadion. Allein über die TV-Gelder dürften für die kommende Saison gut 30 Millionen Euro in die Kassen fließen und auch die Aussicht auf eine Champions-League-Teilnahme kommt gelegen. Unter Geldnot dürfte die Hertha vorerst nicht leiden.

Aus Sicht des Clubs ist es wohl eher eine nette Geste. Hertha bindet die Anhänger dadurch noch enger und vermittelt ihnen das Gefühl, Anteil an Wohl und Wehe des Vereins zu haben. Ein Fanartikel: Identitätsstiftend, mit finanzieller und emotionaler Rendite.

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