An den Billigbrötchen der Kette Backwerk scheiden sich die Geister. Bäckermeister von altem Schrot und Korn hassen sie wegen der Kampfpreise ab 15 Cent, gestresste Pendler lieben sie als schnelle Happen an Bahnhöfen und Haltestellen. Appetit auf das Geschäft mit dem kleinen Hunger unterwegs hat auch der Finanzinvestor EQT aus Stockholm, der sich im Januar für geschätzt 100 Millionen Euro bei der Schrippenkette einkaufte. Die betreibt rund 300 angemietete Filialen mit selbstständigen Händlern. Mit dem Geld aus Schweden will Backwerk jetzt noch mehr Läden eröffnen – vor allem im Ausland.
Solche Übernahmen deutscher Unternehmen durch internationale Finanzinvestoren wird es 2014 noch häufiger geben: Der Private-Equity-Markt zieht wieder an. Das zeigt eine am Montag veröffentlichte Umfrage des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens PricewaterhouseCoopers (PwC), die der WirtschaftsWoche vorab vorlag. Neue Heuschrecken-Desaster sind allerdings weniger zu befürchten, denn das Investorengeld beschleunigt in vielen Fällen das Wachstum der übernommenen Unternehmen, wie eine Langzeitstudie von PwC und der Universität Erlangen-Nürnberg zeigt.
Nach der Flaute im Anschluss an die Finanzkrise gehen Firmenjäger wieder auf Beutezug. Deutschland ist für sie attraktiv, weil die vielen mittelständischen Unternehmen mit besseren Geschäften rechnen.
"Die Investoren warten nur noch auf passende Kaufgelegenheiten, um zuzugreifen", sagt Steve Roberts, Leiter des Geschäfts mit Private-Equity-Firmen beim Wirtschaftsprüfer PwC in Frankfurt. Das wird die Diskussionen zwischen den internationalen Finanzinvestoren bestimmen, die diese Woche zum Branchengipfel Super Return in Berlin einfliegen. Laut der PwC-Umfrage bei 232 Firmenkäufern wollen 85 Prozent der europäischen Private-Equity-Fonds, die bereits in Deutschland investiert sind, in den kommenden fünf Jahren weitere deutsche Unternehmen übernehmen. Von den hier noch nicht engagierten Finanzinvestoren wollen das 26 Prozent demnächst tun.
Verkalkulieren sich die Herren des Geldes dabei, kann das die Existenz der Unternehmen gefährden – wie bei der Weidener Autowerkstattkette A.T.U. Die musste mit einem schmerzhaften Schuldenschnitt auch zu Lasten Hunderter Privatanleger vom Wirken des US-Finanzinvestors KKR erlöst werden.
Investoren wirken wachstumsfördernd
Im Gegensatz dazu fallen laut PwC-Langzeitstudie die meisten Investoren aber nicht als Heuschrecken ein. Sie holen zwar hohe Renditen für sich und ihre Anleger heraus, üblicherweise jedoch ohne das Investment zu ruinieren. Grund ist, dass sich Unternehmen nur lukrativ weiterverkaufen lassen, wenn potenzielle neue Eigentümer funktionierende Geschäftsmodelle und solide Bilanzen vorfinden. „Finanzinvestoren steigern den Wert ihrer Unternehmen, indem sie neue Kundengruppen oder Märkte erschließen und so die Umsätze erhöhen“, lautet das Fazit der Studienautoren Reiner Braun, Professor für Finanzierung an der Universität Erlangen-Nürnberg und PwC-Experte Fabian Söffge.
Untersucht wurden 124 Deals mit in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg sitzenden Zielunternehmen, bei denen Finanzinvestoren zwischen 1995 und 2010 ein- und wieder ausgestiegen sind. Dabei verbuchten die Eigentümer beim Kauf und späteren Verkauf von Firmenanteilen eine 4,15-fache Wertsteigerung ihres eingesetzten Kapitals.
Laut Studie erzielten sie diese nicht allein durch hohe Schulden, die sie den gekauften Firmen aufbürdeten, um den eigenen Kapitaleinsatz zu verringern. Der berüchtigte Schuldenhebel trug nur zu einem Drittel zum Wertanstieg bei. Gut ebenso stark ins Gewicht fiel mit 35 Prozent das Plus beim operativen Gewinn der Unternehmen, den die Finanzinvestoren hauptsächlich durch Umsatzwachstum dank Einführung neuer Produkte und der Eroberung neuer Märkte erreichten. Durch die höheren Verkaufszahlen sank auch der Anteil der festen Kosten, etwa für Fabrikhallen oder Maschinen, am Endprodukt. Das restliche Drittel des Mehrwerts entfiel auf steigende liquide Mittel, die zur Rückzahlung von Schulden und für Ausschüttungen verwendet werden konnten sowie das Geschick der Investoren beim Verhandeln des Verkaufspreises.
Wie Wachstum mit Private Equity funktionieren kann, zeigt der US-Finanzinvestor Apax Partners bei der Billigklamottenkette Takko. Die Zentrale sitzt zwar im beschaulichen Wallfahrtsstädtchen Telgte bei Münster und der Stammmarkt ist Deutschland, doch Takko ist in 17 Ländern aktiv.
Apax übernahm Takko im Februar 2011 für 1,25 Milliarden Euro und ist damit bereits der dritte Finanzinvestor an Bord: Zuvor hatte Advent International Takko für 770 Millionen Euro von Permira gekauft. Seit dem Einstieg von Apax expandiert das Unternehmen international, hat 350 neue Läden eröffnet und verfügt damit nun über 1850 Filialen. Auch die Zahl der Beschäftigten wuchs unter dem neuen Investor deutlich um rund 20 Prozent auf 17.500.
„Das dichte Filialnetz ist ein wichtiger Faktor beim Kampf um Kunden und Marktanteile“, sagt Takko-Chef Michael Strehler. Da die Margen bei Discounttextilien niedrig sind, muss Takko um jeden Preis wachsen, um den Gewinn zu steigern. Trotz ihres Expansionsdrangs erwirtschafteten die Westfalen jedoch 2013 nur ein mageres Umsatzplus von 1,6 Prozent auf 1,06 Milliarden Euro. Der operative Gewinn sank um 3,6 Prozent auf 116 Millionen Euro. Trotzdem baut Takko fleißig Schulden ab und steht nur noch mit 540 Millionen Euro in der Kreide. Beim Apax-Einstieg waren es noch 622 Millionen.
Strauss Innovation hofft auf neuen Investor
Der alte Takko-Eigner Advent wirkt auch bei seiner neuen Beteiligung an der Parfümerie- und Einzelhandelskette Douglas wachstumsfördernd. Der weltweit tätige Finanzinvestor hat 2012 den Großteil der Aktien an dem Familienunternehmen mit 24000 Beschäftigten und Sitz im westfälischen Hagen übernommen. Die Gründerfamilie Kreke behielt rund 20 Prozent.
Advent hat die Übernahme größtenteils mit eigenen Mitteln gestemmt: Weniger als die Hälfte des Kaufpreises wurde durch Schulden finanziert, was den von der PwC-Studie festgestellten Trend bestätigt. Seither wird Douglas kräftig umgebaut. 500 Millionen Euro hat Advent für Investitionen bereitgestellt, gleichzeitig sollen die Buchläden der Marke Thalia und die Hussel-Confiserien verkauft werden.
460 Filialen auf einen schlag
Erst mal aber kauft Douglas unter dem neuen Eigentümer kräftig zu und übernimmt in Frankreich, sobald die Kartellbehörde zustimmt, die Parfümkette Nocibé. Verkäufer ist der Londoner Finanzinvestor Charterhouse Capital Partners. Zu den 1900 Läden der Douglas-Gruppe kommen so auf einen Schlag 460 Filialen dazu.
Dass es auch anders laufen kann, zeigt die Handelskette Strauss Innovation mit Sitz in Langenfeld bei Düsseldorf. Der Anbieter von Mode, Möbeln und Deko-Schnickschnack gehört dem britischen Investor Sun Capital. Strauss hat sich Ende Januar unter das Schutzschirmverfahren geflüchtet, die Vorstufe zur Insolvenz. Trotz neu eröffneter Filialen und kundenfreundlicherer Präsentation der Waren für Heim und Garten brach das Geschäft weiter ein. Die Sun-Manager hatten offenbar Konkurrenten wie Butlers unterschätzt, die Produkte mit modernerem Design und besserer Qualität bieten und diese stärker als Strauss billig in Asien produzieren lassen.
Für einen Umbau der Lieferketten läuft Strauss die Zeit davon. Gerade klärt ein gerichtlich bestellter Sachwalter, ob Strauss mit einem neuen Eigentümer saniert und vor der Pleite gerettet werden kann.
Diese Schmach soll der Brötchenkette Backwerk nicht passieren. „EQT ist unser Wunschpartner, der Investor soll Wachstum finanzieren statt Kosten zu senken“, sagt Gründer Dirk Schneider, der als Geschäftsführer an Bord bleibt. „Es gibt noch viele weiße Flecken ohne Backwerk-Filialen auf der Landkarte“, bekräftigt EQT-Partner Michael Föcking. Ziel für 2014 ist ein Umsatzplus von neun Prozent auf 190 Millionen Euro und rund 40 neue Filialen. Die Schweden sollen auch ihre Kontakte ins Ausland spielen lassen, um die Anmietung von Filialen und das Marketing zu unterstützen.