HSBC-Experte "Die Schuldenkrise wird nie wieder so heftig"

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"Eine konkrete Gefahr kann ich derzeit nicht erkennen"

Warum finden Sie Schwellenländer jetzt wieder interessant?

Die Währungen von Schwellenländern haben in letzter Zeit erheblich abgewertet. Das hat diese Volkswirtschaften wettbewerbsfähiger gemacht. Außerdem waren viele Schwellenländer in den vergangenen Jahren gezwungen, Reformen einzuleiten. Denn zum einen litten sie unter dem niedrigen Rohstoffpreisen, etwa beim Öl. Zum anderen ging der von der amerikanischen Zentralbank ausgelöste Kreditboom zu Ende. Die deshalb eingeleiteten Reformen tragen nun Früchte.

Schauen wir nach Europa: Die Briten haben vor zwei Monaten für den Austritt aus der EU gestimmt. Hat das für Anleiheinvestoren auch Chancen gebracht?

Da ist es ein bisschen früh, um es abschließend zu beurteilen. Kurzfristig war die Brexit-Entscheidung sicher eine gute Möglichkeit, um einige Anleihen günstig einzusammeln. Die starken Kursschwankungen waren aber nach nicht mal einer Woche wieder vorbei und mit ihnen auch die guten Kaufgelegenheiten. Langfristig erwarten wir keine fundamentalen Veränderungen durch den Brexit, die Auswirkungen auf das weltweite Wachstum werden nicht groß sein. Und auch die Briten selbst werden den Brexit verdauen können.

Ein Thema, das in Europa weiterhin schwelt, ist die Staatsschuldenkrise. Wird sie wieder entflammen?

Ich denke, die europäische Staatsschuldenkrise wird nie wieder so heftig sein wie sie in der Vergangenheit gelegentlich war. Denn die großen Unterschiede etwa bei der Leistungsbilanz der nord- und südeuropäischen Staaten haben sich angeglichen. Die Euro-Zone ist wesentlich einheitlicher als noch vor einigen Jahren. Außerdem hat auch die EU erkannt, dass ein Staatsbudgetdefizit nicht von heute auf morgen durch Einsparungen ausgeglichen werden kann. Sparen die Staaten ein Prozent ihres Budgets ein, verlieren sie ein Prozent plus x Wirtschaftswachstum. Von der strikten Austeritätspolitik sind wir deswegen abgekommen. Das hilft den überschuldeten Staaten ebenfalls und beugt einer Verschärfung der Krise vor.

In Italien wackelt der Bankensektor, eine Pleite könnte die Krise schnell zurückbringen…

Wenn Sie sich den Stresstest der europäischen Banken anschauen, waren die Ergebnisse über die gesamte Euro-Zone sehr zufriedenstellend. Sie haben heute dickere Kapitalpolster als auf dem Höhepunkt des letzten Booms 2007. Natürlich gibt es, etwa in Italien, auch Risiken. Aber eine konkrete Gefahr kann ich derzeit nicht erkennen.

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