Humankapital Bildung oder Geldanlage – was lohnt sich mehr?

Zahlt sich eine Weiterbildung aus? Quelle: imago images

Lohnen sich Weiterbildungen – oder wäre es besser, das Geld frühzeitig anzulegen? Sebastian Ebert, Professor für Mikroökonomie an der Frankfurt School of Finance, über die hohen Renditen von Investments in die eigene Bildung.

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Sebastian Ebert ist Professor für Mikroökonomie an der Frankfurt School of Finance & Management.

WirtschaftsWoche: Herr Ebert, Investitionen in die eigene Bildung und Geldanlage, etwa mit ETFs, lassen sich kaum vergleichen. Oder doch?
Sebastian Ebert: Generell findet der Vermögensaufbau in drei Schritten statt. Im ersten Schritt erzeugt man Einnahmen, in der Regel durch das Einkommen. Das erhöht sich mit dem Bildungsgrad. Im zweiten Schritt geht es ums Sparen, also wie viel man beiseitelegen kann. Und Schritt Drei betrifft die Frage, wie man das Gesparte anlegt. Wenn man sich überlegt, ob Investitionen entweder in Weiterbildung oder ETFs besser sind, dann ist das quasi ein Trade-Off zwischen den ersten beiden Schritten: Will ich lieber früh an meinem Einkommen arbeiten oder früh mit dem Sparen anfangen?

Und woher weiß ich das?
Prinzipiell kann man dafür Annahmen treffen und das mit Standardmethoden der Investitionsrechnung beantworten. Die Frage ist die: Wie wird sich ein Euro, den ich heute auf unterschiedliche Weise verwenden kann, langfristig entwickeln? Wächst er stärker, wenn ich ihn in Weiterbildung investiere oder in einen ETF? Klar ist aber, dass man mit Annahmen arbeitet. Und wie wir alle wissen, läuft das Leben auch nicht immer wie geplant.

„Zwischen 20 und 30 Jahren lohnen sich Investitionen in Weiterbildung fast immer“, Sebastian Ebert, Frankfurt School of Finance. Quelle: Presse

Trotzdem sind viele junge Leute auf der Suche nach dem einen Plan, der sie sowohl glücklich macht, als auch finanziell gut stellt. Wer nach dem Abitur oder dem Bachelorabschluss vielleicht keine Lust mehr auf Lernen hat, für den ist ein monatlicher Gehaltsscheck verlockend. Und davon kann man dann ja direkt was anlegen und vom Zinseszinseffekt profitieren.
Das stimmt. Aber bei der Überlegung, ob man sich weiterbildet, muss man sich auch vor Augen halten: Ein zusätzlicher Bildungsabschluss kann leicht dazu führen, dass man monatlich 100 Euro mehr verdient. Wenn man den Abschluss dann irgendwann in seinen Zwanzigern in der Tasche hat, macht das ein paar Jahre Verspätung beim ETF-Sparen locker wett. Die zusätzlichen 100 Euro kann man fortan in ETFs stecken und ebenfalls von Aktienrendite und Zinseszinseffekt profitieren. Für die Ausbildung ausgegebenes Geld ist nicht verkonsumiert, sondern in die zukünftigen Einkommensperspektiven investiert. Dass sich die Investition gerade im jungen Alter lohnt, zeigt auch ein Blick in die USA. Da bedeutet Studium nicht nur jahrelang entgangener Verdienst, sondern meist auch hohe Schulden, die zum Arbeitsbeginn erstmal abgestottert werden müssen. Und dennoch scheint sich das oft zu lohnen. Im Vergleich ist der Verlust bei einem Studium in Deutschland häufig „nur“ der Einkommensausfall. Und den kann man, wenn man später gut verdient, wieder auffangen.

So ähnlich ist das auch bei vielen Praktika. In einigen Berufen sind die entweder schlecht oder gar nicht bezahlt. Da müssen sich einige junge Leute dann schon überlegen, ob sie es sich „leisten“ können, mehrere Monate Vollzeit für wenig Geld zu arbeiten.
Gerade bei Praktika ist auch aus finanzieller Sicht die eigene Weiterbildung viel wichtiger als das Geld, das man dabei verdient. Hilft mir das Praktikum dabei, später mein Einkommen zu erhöhen? Einen besseren Job zu finden? Oder vielleicht sogar überhaupt einen Job zu finden? Für den langfristigen Vermögensaufbau ist das Praktikantengehalt daher zweitranging. Trotzdem wäre es gesellschaftlich wünschenswert, dass die Arbeit von Praktikantinnen und Praktikanten angemessen entlohnt wird.

Ist Weiterbildung dann gerade in jungen Jahren gut und für Ältere nicht mehr geeignet?
Salopp gesagt, lohnt sich eine Weiterbildung in den Zwanzigern fast immer. Wenn man dagegen 65 Jahre alt ist, dann lohnt sich die Weiterbildung zumindest aus finanzieller Sicht nicht mehr. Die Investition in die eigene Weiterbildung ist eine langfristige und mit dem Renteneintritt sinkt der Wert auf nahe Null. Rein mathematisch erreicht man daher in der Mitte des Lebens irgendwann den Punkt, ab dem es sich nicht mehr rechnet. Weiterbildung sollte man aber nicht nur aus finanzieller Sicht betrachten. Sie hat auch Selbstzweck: neue Dinge zu Lernen, macht glücklich und hält geistig fit. Wenn ich beispielsweise eine neue Sprache lerne, weil es mir Freude bereitet und ermöglicht, im Urlaub mit Einheimischen zu sprechen, ist das auch eine gute Sache.

Sprich, gerade als junger Mensch, sollte man seine finanziellen Ressourcen in Weiterbildung investieren, um dann später sein Einkommen zu steigern. Kann ich parallel trotzdem schon vom Zinseszinseffekt profitieren?
Da kann man sich ganz vereinfacht vor Augen halten: Der Euro, den man mit Mitte zwanzig heute eben nicht für den Coffee to go ausgibt, vervierfacht sich locker, bis man 65 Jahre alt ist. Klar lohnt es sich, früh zu sparen. Auf der anderen Seite ist das Geld in jungen Jahren meist viel knapper und jeder gesparte Euro fehlt relativ viel mehr. Außerdem geht es in der Zeit zwischen 20 und 30 auch um sehr viel anderes als nur den Vermögensaufbau. Das ist eine wichtige Zeit für die persönliche Entwicklung, deshalb finde ich, sollten sich junge Leute da nicht alles absparen.

Also nicht nur Sparen, sondern auch das Leben genießen?
Ja. So mancher wird später vielleicht sogar bereuen, den Urlaub mit den Studienfreundinnen und Freunden ausgelassen zu haben, um ein paar hundert Euro zu sparen. Mit 35 nützt ein zusätzlicher Euro nicht so viel wie als klammer Student mit 20. Ökonomen leiten aus dieser Beobachtung das Ziel der „Konsumglättung“ ab. Demnach sind Menschen am glücklichsten, wenn ihr Konsum einigermaßen gleichmäßig über das Leben hinweg verteilt ist. Im Rentenalter ist er typischerweise geringer – deswegen ja das Sparen für die Altersvorsorge – in der Ausbildungszeit aber eben auch. Verhaltensökonomische Gesichtspunkte legen zwar noch zusätzlich nahe, dass der Konsum langsam steigen und auf keinen Fall wieder abfallen sollte – also lieber „zu viel“ Sparen als zu wenig. Keines der ökonomischen Lebenszyklusmodelle empfiehlt aber, sich in den Zwanzigern den allerletzten Euro abzusparen. Daher darf auch der klamme Student den gelegentlichen Coffee to go ganz ohne schlechtes Gewissen verzehren - auch wenn er sich alternativ mit 65 vier davon kaufen könnte.

Mehr zum Thema: Aus- und Weiterbildung sind eine Investition. Ihren Kosten stehen Einkommensvorteile gegenüber. Exklusive Zahlen zeigen, wie hoch diese sein können – und dass sich nicht jeder Abschluss rechnet.

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