Immobilienfonds Weniger solide als gedacht

Offene Immobilienfonds sind wegen solider Renditen gefragt. Doch ein höherer Shoppingcenter-Anteil könnte zu mehr Schwankungen führen.

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Immobilienfonds: Einkaufszentrum

Typisch, oder? Der Mann kauft reihenweise Shoppingcenter, kauft privat aber nicht gerne ein. Ulrich Steinmetz ist Geschäftsführer der Deutschen-Bank-Immobiliensparte RREEF und verwaltet für Anleger im offenen Immobilienfonds Grundbesitz Europa 5,7 Milliarden Euro. Davon investierte er seit November 2015 gleich vier Mal in Konsumtempel. Für 104 Millionen Euro bekam er das Zentrum Loop 5 in Darmstadt, für 80 Millionen Euro das Forum Coimbra in Portugal, 284 Millionen Euro war ihm das Stary Browar im polnischen Posen wert, und für 493 Millionen kaufte er das Diagonal Mar in Barcelona.

Letzteres könnten Fondsanleger kennen: 2002 griff hier schon mal der Sparkassen-Fondsanbieter Deka zu. 2006 reichte er das Center mit Gewinn weiter. Der Käufer hatte weniger Glück und bekam Jahre später nicht mal den Kaufpreis zurück. Dann, zwischen 2013 und dem RREEF-Kauf 2016, verdoppelte sich der Preis. Dabei hatte es außer einer Renovierung der Außenzone keine größeren Umbauten gegeben. Die Branche rätselt über den stolzen Preis. Als Erklärung müssen der Anlagenotstand in Niedrigzinszeiten und die Geldschwemme der Notenbanken herhalten. Steinmetz sagt, er hätte für das Center wie jeder andere Käufer gerne weniger gezahlt, aber der Preis sei eben der Marktpreis.

Shoppingcenter stehen auf den Einkaufszetteln der Immobilienfondsmanager derzeit weit oben. Sie sollen mehr Rendite als Büroimmobilien bringen. Nur sind die Einnahmen auch konjunkturanfälliger: Ein Geschäft zieht schneller aus als ein Unternehmen mit Büroangestellten. So setzt der Trend zu Shoppingcentern die Stärke der Immobilienfonds aufs Spiel: ihre Stabilität. Denn während die Renditen der Fonds nie extrem hoch waren, so waren sie doch sehr verlässlich – auch in Krisenzeiten.

Die größten offenen Immobilienfonds

Dieses Argument kommt an: Im vergangenen Jahr investierten Privatanleger 6,9 Milliarden Euro frisches Geld, gut 30 Prozent mehr als noch 2015. Im Januar waren die Zuflüsse so hoch wie seit 2010 nicht mehr. Im Schnitt liegt inzwischen ein Viertel der in Publikumsfonds investierten 86 Milliarden Euro in Einzelhandelsimmobilien im In- und Ausland – vom Ladenlokal in der City bis zum Center auf der grünen Wiese.

Irgendetwas Vorzeigbares hält jeder große Fonds: Das Commerzbank-Produkt HausInvest bunkert allein eine Milliarde Euro im Londoner Shoppingriesen „Westfield“. Union Investment hat als Aushängeschilder etwa die Fünf Höfe an der Münchner Theatinerstraße und sicherte sich im Dezember ein Stück vom Fonds CS Euroreal, der aufgelöst wird. Es enthält Shoppingcenter in Nürnberg, Leverkusen und Rimini, die zuletzt mit rund 580 Millionen Euro bewertet waren. Laut Branchenkreisen sollen sie an den UniImmo Europa gehen. Dessen Shopping-Anteil würde auf 30 Prozent steigen.

Das von RREEF gekaufte Diagonal Mar mit 180 Shops liegt kurz hinter dem nördlichsten Strandabschnitt Barcelonas, abseits der Touristenrouten. Es ist umgeben von Wohnblocks und Ausfallstraßen. Nicht spektakulär. 17 Millionen Besucher kamen 2016. Die um eine Freifläche gruppierten Restaurants bieten immerhin Meerblick.

In einem Bieterverfahren mit anfangs 15 Interessenten hat sich Steinmetz durchgesetzt. Wie bei offenen Immobilienfonds üblich, werden vor dem Ankauf Gutachten über den Wert der Immobilie eingeholt. Zwei unabhängige Gutachter müssen den Preis als marktgängig bestätigen. RREEF hat nach eigenen Angaben zusätzlich das Plazet eines dritten lokalen Gutachters eingeholt.

Gutachterlich abgesicherte Preise und breite Streuung

Die Kombination aus gutachterlich abgesicherten Preisen und breiter Streuung, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten (siehe Tabelle), soll offene Immobilienfonds stabil machen. Der Grundbesitz Europa verteilt das Anlegergeld auf 58 Immobilien. Rund die Hälfte sind Büroimmobilien, 36 Prozent Einzelhandelsflächen, der Rest Logistik- und Wohnimmobilien.

„Anleger assoziieren Betongold mit Sicherheit. Aber sehe ich mir einzelne Objektpreise an, sind die kaum weniger volatil als der Aktienmarkt“, sagt Jörg Benecke, Vorstand der CS Realwerte. Benecke hat für die Investmentgesellschaft an der Börse günstig Anteile an Immobilienfonds gekauft, die ihren gesamten Bestand wegen früherer Liquiditätsprobleme veräußern. Er zahlte dort teils 40 Prozent weniger, als die Fondsgesellschaft offiziell als Wert ermittelt hatte.

Heimisches Betongold glänzt
Vergleich der Wertentwicklung und Struktur der größten offenen Immobilienfonds
FondsnameVolumen
in Mrd.
Euro
Wertent-
wicklung
in Prozent
Büro/ Handel/Hotel
in Prozent**
Regionale Schwerpunkte
3 Jahre*1 Jahr
Deka-Immob. Europa14,12,32,568/18/6ein Drittel Deutschland, Rest europaweit
HausInvest11,82,42,447/40/5europaweit breite Streuung
UniImmo Deutschland11,62,93,047/38/13Deutschland + etwas Frankr. und Osteuropa
UniImmo Europa11,42,52,664/27/8europaweit gemischt + 28 Prozent USA
WestInvest InterSelect6,12,12,265/16/1144 Prozent Deutschland, Rest europaweit
Grundbesitz Europa5,72,52,051/36/-ein Drittel Deutschland, Rest europaweit
Deka-Immob. Global4,32,42,172/8/9ausgewogener Mix USA, Europa, Asien
UniImmo Global3,22,72,470/22/8Europa, USA und kleinerer Asienanteil
Grundbesitz Global2,62,22,375/7/2ausgewogen gemischt: Europa, USA, Asien
Fonds, bei denen (abgesehen von vorübergehenden Ausgabebeschränkungen zur Liquiditätssteuerung) tägliche Käufe möglich sind; gesetzliche Mindesthaltefrist (24 Monate) und Rückgabefrist (zwölf Monate); vor dem 22. Juli 2013 ‧erworbene ‧Anteile können halbjährlich bis 30 000 Euro ohne Kündigung zurückgegeben werden; üblicherweise fünf Prozent Ausgabeaufschlag; laufende Kosten jährlich 0,6 bis 1,0 Prozent, bei Wertentwicklung berücksichtigt; * durchschnittlich pro Jahr;  ** vom Immobilienvermögen; Quelle: BVI, Anbieter, Morningstar; Stand Wertentwicklung: 14.3.2017

Brexit allein genügt als Erklärung nicht

Erst beim Immobilienverkauf zeige sich, welcher Fondsmanager früher mit „lockerem Füllfederhalter auf Einkaufstour“ war, sagt Benecke. Oder wo Sachverständige Preise zu hoch angesetzt hätten. Aus dem SEB ImmoInvest wurde Anfang März eine gut vermietete britische Immobilie 22 Prozent unter dem zuletzt angesetzten Preis verkauft. Solch ein Abschlag lasse sich nicht durch den Brexit erklären, sagt Benecke. Der Verkauf zeige, was vom deutschen Bewertungssystem zu halten ist. Immobilienmärkte seien „hoch zyklisch. Aber das Bewertungssystem bringt es fertig, die Schwankungen auszublenden. Die Stunde der Wahrheit kommt mit dem Verkauf.“

Die Immobiliengesellschaft Deutsche Euroshop, Eigentümer von 21 Shoppingcentern, schrieb schon 2015 im Geschäftsbericht: „Immobilienwerte unterliegen normalen zyklischen Schwankungen und im Moment befinden wir uns in einer deutlichen Hochpreisphase.“

Hat auch RREEF-Geschäftsführer Steinmetz beim Diagonal Mar zu teuer zugeschlagen? Er traue dem spanischen Einzelhandel viel zu, sagt er. Schon seit zwei Jahren gebe es steigende Umsätze, und in allen internen Prognosen habe sich die Rendite des zu 98 Prozent vermieteten Objekts als attraktiv erwiesen. Es soll rund 4,5 Prozent an Ertrag bringen – ein üblicher Wert. Lange Mietausfälle lassen sich bei den Renditen und Kosten der Fonds aber kaum abfedern. Sonst wackeln auch die 2,5 Prozent Wertzuwachs, die derzeit beim Anleger ankommen.

Also muss Einkaufsmuffel Steinmetz den Mix an Shops und Restaurants attraktiv halten. Dazu wird er in Barcelona weitere 30 Millionen Euro investieren: „Die Kunst ist es, den Kunden so lange wie möglich im Center zu halten.“ Anleger müssen auf den Erfolg bauen.

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